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News: Ein fliegender Visionär fliegt nun im Himmel weiter
Am vergangenen Samstag fand unter großer Beteiligung die Trauerfeier und Urnenbeisetzung von dem Juister Ehrenbürger und Mitbegründer der Jugendbildungsstätte Theodor Wuppermann, Hans Kolde, statt. Im hohen Alter von 99 Jahren verstarb Kolde am 28. April 2024 hier auf der Insel Juist. Kaum jemand auf der Insel stand derart für ehrenamtlichen Einsatz wie Hans Kolde, der von seiner Familie und Freunden als „fliegender Visionär“ bezeichnet wurde.
Geboren wurde er am 5. März 1925 im ostfriesisches Esens. Aus dem zweiten Weltkrieg kam er als ausgebildeter Flugzeugführer und -ausbilder zurück; 1952 kam er nach Juist, um hier erste Versuchslehrgänge durchzuführen. Doch die Konsistenz zu seinem damaligen Partner passte nicht, denn Kolde war zugleich Pädagoge und hatte dabei erkannt, wie wichtig eigenständiges Denken und Handeln für eine funktionierende Gesellschaft ist, und genau das wollte er jungen Menschen vermitteln.
Zusammen dem Leverkusener Industriellenehepaar Marlies und Theodor Wuppermann entwickelte Hans Kolde als Reformpädagoge die Konzeption für den Segelflughorst auf Juist, 1956 nahm dieser seine Arbeit auf und für 40 Jahre übernahm Kolde die Leitung. Als Wuppermann 1966 bei einem Flugzeugunglück verstarb, wurde der Segelflughorst in den heutigen Namen Jugendbildungsstätte Theodor Wuppermann e.V. umbenannt.
Kolde ermöglichte es rund 100.000 jungen Leuten über den Segelflug und später Motorsegelflug sowie weiteren Kreativkursen, ihre Fähigkeiten zu erkennen, an sich selbst zu glauben und über eigenständiges Denken auch Verantwortung zu übernehmen. Auch wuchs unter Kolde der Segelflughorst zu dem für die tidenabhängige Insel so wichtigen Verkehrslandeplatz mit entsprechender Infrastruktur. Auf dem Wiesenplatz entstand eine gepflasterte Landebahn, vor die Gebäude der Jubi kam ein Schutzdeich, der hölzerne Tower wurde durch ein modernes Gebäude mit Restaurant ersetzt und vieles mehr. Eine wichtige Stütze war ihm dabei seine im Jahr 2012 verstorbene Frau Renate, eine der ersten Frauen im Beruf der Beauftragten für Luftaufsicht. Sie leitete jahrzehntelang den Flugbetrieb vom Tower aus und war in Fliegerkreisen als „Stimme des Nordens“ bekannt.
„Lieber Hans, Deine wahre Größe wird uns immer ein Vorbild bleiben. Wir verneigen uns vor Dir und Deinem Lebenswerk“, schrieben Vorstand, Mitglieder und Mitarbeiter der Jubi in einem Nachruf.
Doch Hans Kolde war viel mehr für Juist: So leitete er von 1982 bis 2011 das Küstenmuseum, welches unter seiner Regie zu einem Bildungs- und Lernort entwickelt wurde. Die Verbindung Museum und Jubi mit all seinen Möglichkeiten waren ein Glückfall für Juist. Nur wenige Tage vor seinem Tod überbrachte er zur Eröffnung der zum Inselmuseum umkonzeptionierten Einrichtung die Grüße an die jetzigen Museumsleiterin Sabine Weers und sah sein Erbe in guten Händen.
Doch Hans Kolde schuf auch mehrere Kunstarchive und organisierte über Jahre die jährlichen Kunstausstellungen im „Haus des Kurgastes“ und „Alten Warmbad“, er war bei den Gästebegrüßungen dabei und hielt unzählige Vorträge zu Themen wie Sturmfluten, Nordsee, Juist aber auch andere Ziele wie Helgoland oder Hiddensee.
Oft standen dabei seine Luftbildaufnahmen im Mittelpunkt. Früher mussten alle Aufnahmen noch von der Bezirksregierung freigegeben werden, hier hatte Kolde keine Probleme, die zu bekommen. Unter anderem gab es eine Aufnahme von der damaligen Seefunkstation „Norddeich Radio“ von oben, diese wurde als Motiv für eine QSL-Karte der früheren Seefunkstation verwendet (QSL-Karte = Bestätigungskarte, die unter Funkern, Radiohörern usw. als Nachweis für gehörte Sendungen oder Funkverbindungen verschickt werden), womit dieses Luftbild von Kolde über viele Jahre in die ganze Welt versandt wurde.
Desweiteren war Hans Kolde Mitherausgeber vom „Strandlooper“, dem in den Sommermonaten monatlich erscheinenden Magazin und Veranstaltungskalender. Diesen füllte er zudem immer mit interessanten Themen aus der Juister Geschichte, für die er sich besonders interessierte. Sein umfängliches inselgeschichtliches Vermächnis kam indes in gute Hände: Vor einigen Jahren gab er alles an den Heimatverein Juist. Andreas Arneke, Leiter der Gruppe „Alt Juist“ freute sich auf einer Hauptversammlung: „Wir haben alles bekommen, was Hans Kolde an Juist-Geschichte zusammengetragen und geschrieben hat. Vierzehn volle Ordner und alles hervorragend und übersichtlich eingeheftet.“
„Wir verlieren einen außerordentlichen Menschen, der sich als Aeronaut stets mit der richtigen Perspektive und einem klaren Blick sowie scharfen Gedanken bis zuletzt für das Wohlergehen der Insel Juist eingesetzt hat“, so stand es im Nachruf der Inselgemeinde zu lesen.
Besonderen Einsatz zeigte Hans Kolde auch als Stiftungsratmitglied bei der Juist-Stiftung. Bereits vor der Gründung im Jahr 2006 hatte er mit seinem Wissen und Erfahrung des zukünftigen Vorstand unterstützt und war dann ein sehr engagiertes Mitglied im Stiftungsrat. Dies bis ins hohe Alter, erst 2021 mit 96 Jahren verabschiedete er sich aus dem Gremium, blieb aber bis zuletzt der Stiftung freundschaftlich verbunden.
1983 erhielt Hans Kolde das Bundesverdienstkreuz, 1988 wurde ihm der Upstaalsboomtaler der Ostfriesischen Landschaft für besondere Leistungen auf dem Gebiet der Kultur überreicht. 1996 wurde ihm schließlich die doppelte Ehrenbürgerschaft verliehen, nicht nur die seiner Heimatinsel Juist, sondern auch die der damaligen Partnerinsel Hiddensee.
Auch JNN und die Inselpresse sind Hans Kolde zu großem Dank verpflichtet. Ob wir mal eine alte Aufnahme, ein Luftbild, Infos aus der Geschichte der Insel oder zum Flugplatz/Jugendbildungsstätte benötigten, bei Hans liefen wir immer offene Türen ein.
TEXT UND ARCHIVFOFO: STEFAN ERDMANN