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News: Sommerzeit ist Bauzeit: Eines der ältesten Juister Häuser ist weg

Beigetragen von S.Erdmann am 10. Jun 2022 - 12:31 Uhr

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Neben dem Abriss der alten Isolierstation an den Tennisplätzen (JNN berichtete) musste noch ein altes Gebäude auf Juist in der abgelaufenen Bausaison 2021/2022 für einen größeren Neubau weichen. In der heutigen Folge möchten wir noch über den Abriss eines der ältesten Häuser im Loog bzw. auf Juist berichten, um dessen Abriss und Neubau sich eine Reihe von ungewöhnlichen Verfahrensweisen rankt. Es geht um das Haus im Loog, welches in der Störtebekerstraße 7 a steht und das auf eine lange Geschichte zurückblicken kann.

Der Loogster Autor Jochen Büsing hatte sich da intensiv mit beschäftigt und in seinem 2010 erschienenen Buch „Im Loog…“ berichtet, dass dieses alte Insulanerhaus zu Beginn der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Gerd Jakob Breeden (1815-1873) und seiner Frau Hermina Johanna Jürgens (geborene Fisser) errichtet wurde. Büsing recherchierte weiter, dass das Haus später von dessen Sohn, dem Matrosen Omme Breeden (1954-1898) und seiner Frau Beata Susanna (geborene Doyen) übernommen wurde, diese sollen um 1895 eine kleine Schankwirtschaft betrieben haben. Sie zogen aber später ins Dorf und verpachteten das Haus. So tauchten die Namen Willms und Bogena als Pächter auf, im Jahr 1908 hatte der Friseur Friedrich Wenzel das Haus dann erworben.

Nach dem 2. Weltkrieg gehörte das Anwesen dann Freerk und Antje Wunder, die dort fünf Kinder groß zogen. Wilhelmina, Anton, Martin, Friedrich und Heinz-Martin. Freerk Wunder verstarb 1953, Antje 1961. Noch heute leben Nachkommen aus diesem Haus auf Juist. Die älteste Tochter Wilhelmina – auf Juist nur Helmi genannt – heiratete den aus Nesse stammenden Maurer Hinrich Uphoff, gemeinsam errichteten sie im Ostdorf das Haus „Schwalbe“. Heute führt Tochter Christel Delitzscher das Haus, aber auch ihre ebenfalls noch auf Juist wohnenden Schwestern Martina Janssen-Visser und Claudia Peters entstammen der Familie Wunder bzw. Uphoff und haben damit ihre Wurzeln in dem kleinen Insulanerhäuschen im Loog.

Ende der 50er Jahre bewohnten auch der Gemeindegärtner Bertus Detmers mit seiner Frau Marianne als Mieter das Haus, bevor sie mit der Erschließung des Loogs ihr Haus an der Hammerseestraße bauten (heute ist es mit dem Haus „Oldenburg“ verbunden und dient als Personalhaus für die Firma Gillet). Eine Zeitlang wohnte dort später auch noch Hajo Rahmann, der auf Juist zusammen mit seinen Brüdern Rikus und Kobus als Gespannführer (die damals „Kutscher“ hießen) tätig war.

Wegen Erbstreitigkeiten wurde das Haus in den 70er Jahren verkauft, blieb aber in Insulanerhand. Einige Jahre gehörte es nun dem Juister Franz Kattwinkel sen., der es in Haus „Kacelot“ umbenannte und einige Jahre als Altersruhesitz nutze. Da aber keiner der Kinder das Haus im Loog haben wollte, verkaufte er es weiter an eine Familie Strake vom Festland, die es als Zweitwohnung bzw. Zweithaus nutze. Diese hat es im vergangenen Jahr an Investoren aus Visbek weiter verkauft.

In jedem Fall haben diese Anfang Oktober zu Beginn der Bausaison unverzüglich damit begonnen, das Haus abreißen zu lassen. Dieses geschah sehr schnell und teilweise auch am Wochenende. Ganz plötzlich seien auch die Wände, die stehen bleiben sollten, wie von Geisterhand umgefallen. In der Nachbarschaft wurde aber verkündet, der Abriss geschah wegen der sehr schlechten und alten Bausubstanz und es käme ein gleichgroßes Gebäude wieder auf das Grundstück.

Die Nachbarn wollte daraufhin gerne ihr zustehendes Recht wahrnehmen, die Pläne einzusehen, was ihnen aber verwehrt wurde. Erst als einer von ihnen einen Rechtsanwalt einschaltete, konnten die Planungen in Augenschein genommen werden. Der Nachbar (Name ist der Redaktion bekannt) bliebt schließlich auf Anwaltskosten von 500 Euro sitzen, nur damit er sein ohnehin baugesetzlich verbrieftes Recht durchsetzen konnte.

Der Neubau wurde ungleich größer, was wenig Anklang bei den Loogstern und der Nachbarschaft findet. Zudem lag Anfang Oktober 2021 weder eine Abriss-, noch eine Neubaugenehmigung vor. JNN konnte Einsicht in Schriftverkehr nehmen, wonach der Landkreis Aurich einen Baustopp am 01. Dezember 2021 verfügte. Dagegen wurde zwar Widerspruch eingelegt, doch dieser hatte keine aufschiebende Wirkung, es durfte trotzdem eigentlich nicht weiter gebaut werden. Eigentlich. Wurde aber trotzdem. Wie aus dem Schriftverkehr hervor geht, wusste auch die Inselgemeinde Juist davon, dass hier ohne Baugenehmigung gebaut wird und ein Baustopp verfügt war. Trotzdem wurden weder der Verwaltungschef noch das Ordnungsamt, welches den Baustopp hätte durchsetzen können, tätig. Wie wir beobachteten, wurde bis zum Beginn der im Baugewerbe üblichen Weihnachtspause gearbeitet, da war das Gebäude weitestgehend im Rohbau fertig.

Nach dem Jahrswechsel hätte man dann offiziell mit dem Arbeiten beginnen können. Rainer Müller-Gummels, Pressesprecher vom Landkreis Aurich, teilte auf JNN-Nachfrage Mitte Januar mit: „Für den Abbruch des vorhandenen Gebäudes sowie die Errichtung eines neuen Gebäudes wurde mit Schreiben vom 29.12.2021 eine Nachtragsbaugenehmigung erteilt.“ Auch Bürgermeister Dr. Tjark Goerges bestätigte auf der Januar-Sitzung vom Bau- und Umweltausschuss, dass es für die Arbeiten jetzt eine Baugenehmigung gäbe. Es sei zu Verzögerungen gekommen, weil die neuen Eigentümer zuerst statt der inselüblichen roten Klinker eine weiße Fassade beantragt hatte, wofür die Gemeinde kein Einvernehmen erteilen konnte.

Nun hing auch plötzlich der gesetzlich vorgeschriebene Bauschein sichtbar an der Grundstückszufahrt. Danach wäre der Bau aber rechtens, denn die Genehmigung wurde laut Schein bereits am 22. Juni 2021 erteilt.

Sicherheithalber fragten wir wieder beim Landkreis nach, hatte dieser doch kundgetan, dass die Baugenehmigung erst Ende Dezember 2021 nachträglich erteilt wurde. Doch die Geschichte stimmt, wie der Landkreis-Pressesprecher am 07. Februar mitteilte. Der Bauschein vom 22. Juni hätte nichts mit der aktuellen Baumaßnahme zu tun, sondern bezog sich auf die Renovierung des alten Hauses in alter Größe. Wörtlich hieß es: „Mit Datum vom 22.06.2021 ist dem Antragsteller eine Baugenehmigung für den UMBAU mit Erweiterung eines Gulfhauses erteilt worden. Mit Datum vom 04.11.2021 (Anmerkung der Redaktion: Das war der Abriss schon erledigt) wurde die 1. Änderung zur Baugenehmigung vom 22.06.2021 – Abriss des Ursprungsgebäudes und Neubau eines Gulfhauses – beim Landkreis Aurich beantragt, die Nachtragsgenehmigung wurde mit Datum vom 29.12.2021 erteilt.“

Die ganze Verfahrensweise, wie es bei dieser Baumaßnahme abgelaufen ist, hat besonders im Loog, aber auch sonst bei den Juister Einwohnern für einigen Unmut gesorgt. Ein Loogster Anwohner, der um des lieben Friedens willen namentlich hier nicht genannt werden will (Name ist der Redaktion bekannt), sagt es deutlich und spricht sicher für viele: „Ich finde es beängstigend für die Zukunft der Insel Juist, dass sich hier immer mehr vermögende Festländer einkaufen und abreißen, bauen, verändern, usw. ohne sich an irgendwelche Rechte oder Satzungen zu halten und so wie es ihnen gefällt. Wo soll das noch hinführen?“

Derzeit finden immer noch Restarbeiten wie die Pflasterung der Zuwegung statt.

Die Bilder entstanden ab Oktober 2021 zu verschiedenen Zeitpunkten. Das historische Foto wurde um 1900 aufgenommen, dahinter ist das damalige Cafe „Zur freien Aussicht“ zu sehen. Das Bild stammt aus der Sammlung von Jochen Büsing und ist auch in seinem lesenswertem Buch „Im Loog“ zu finden.

JNN-FOTOS: STEFAN ERDMANN/PRIVAT/SAMMLUNG BÜSING

 

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