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News: Winterzeit ist Bauzeit: Pferdestallanlagenbau auf Juist ist rechtens

Beigetragen von S.Erdmann am 02. Mär 2022 - 18:29 Uhr

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Aus aktuellem Anlass heute nicht der zweite Teil unseres fotografischen Rundgangs, sondern es erreichte uns eine Pressemitteilung vom Nieders. Oberverwaltungsgericht in Lüneburg, welches am vergangenen Freitag festgestellt hat, dass der Bau einer Pferdestallanlage auf dem OT-Lager durch die HUF Spedition Juist stattfinden kann. Elf Festländer, die gegenüber Zweit- bzw. Ferienwohnungen haben und vermieten, wollten den Bau verhindern.

Eine empfindliche Schlappe mussten nun diese elf Eigentümer der Zweit- und Ferienwohnungen an der Flugplatzstraße hinnehmen, denn ihr eingereichter Eilantrag gegen dem Bau von Pferdeställen auf dem Gebiet des sogenannten „OT-Lagers“ auf der gegenüberliegenden Straßenseite wurde vom 1. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in Lüneburg abgelehnt. Derzeit laufen auf dem Grundstück die Vorbereitungen für das Setzen der Fundamente (Foto).

Ende vergangener Woche hat das OVG die voraussichtliche Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung für eine dem Kutschenbetrieb auf Juist gewidmete Stallanlage bestätigt (Az.: 1 ME 169/21). Auf der autofreien Insel wird der Waren- und Personentransport fast ausschließlich mit solchen Pferdewagen und -kutschen abgewickelt, und die HUF Spedition Juist GmbH, die nun ihren ohnehin direkt daneben liegenden Betrieb vergrößert, führt vor allem dem Zubringerdienst zwischen dem weit außerhalb liegenden Flugplatz und Ort durch.

Der Landkreis Aurich hatte dem im gerichtlichen Verfahren beigeladenen Fuhrunternehmen eine Baugenehmigung für die Errichtung eines neuen Standorts mit Boxen für elf Pferde, einem Lagerraum und zwei Paddocks erteilt. Dagegen wandten sich die insgesamt elf Antragsteller von gegenüber. Ihren gegen die Baugenehmigung gerichteten Eilantrag hat das Verwaltungsgericht Oldenburg bereits mit Beschluss vom 9. November 2021 (Az. 4 B 3158/21) abgelehnt. Diese Entscheidung hat der 1. Senat nun bestätigt.

Die Antragsteller hätten keinen Anspruch darauf, dass das Vorhaben unabhängig von konkreten Beeinträchtigungen den Festsetzungen des für das Baugrundstück geltenden Bebauungsplans entspreche. Die Grundstücke der Antragsteller liegen nicht im Baugebiet, so dass ein aus einer bodenrechtlichen Schicksalsgemeinschaft abgeleiteter Gebietserhaltungsanspruch vorliegend nicht bestehe. Daher könne dahinstehen, ob, was das Verwaltungsgericht verneint hatte, überhaupt ein Widerspruch des Vorhabens zum Bebauungsplan bestehe. Eine unzumutbare Beeinträchtigung der benachbarten Wohnungen sei jedenfalls nicht zu erwarten. Lärm- und Geruchsbeeinträchtigungen lägen deutlich unter den maßgeblichen Grenzwerten. Gewisse Belästigungen durch Fliegen, Staub und Ähnliches seien schon aufgrund der Lage der Grundstücke am Ortsrand durch weitere Pferdebetriebe hinzunehmen.

Der Beschluss, nunmehr in 2.Instanz gefasst, ist unanfechtbar. Die Antragsteller können die Baugenehmigung weiter mit dem bereits erhobenen Widerspruch sowie gegebenenfalls einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren angreifen; einen Baubeginn können sie damit jedoch nicht verhindern, so das Gericht in einer Pressemitteilung.

In dem Bereich gab es schon immer Gewerbebetriebe, so ein Bauunternehmen und zwei Fuhrbetriebe. Diese führten über viele Jahre den Flugplatzdienst gemeinsam durch. 2019 gab die Spedition Kannegieter bekannt, ihren Betrieb einstellen zu wollen. Die HUF Spedition erklärte, das nun alleine stemmen zu wollen, benötigt aber dafür zusätzliche Wagen und Pferde, die entsprechend untergebracht werden müssten. Unter der Prämisse, die Pferdehaltung und die Transporte ohne Kraftfahrzeuge haben für Juist absolute Priorität, votierte der Gemeinderat im September 2019 einstimmig dafür, einen Teil ihres Grundstückes auf dem danebenliegenden OT-Lager zur Verfügung zu stellen. Ebenso bekam die Spedition HUF weitere Wagenstellplätze auf der nahen ehemaligen Mülldeponie sowie zusätzliche Weideplätze auf dem Ostheller. Nach diesem positiven Votum der Kommune erteilte der Landkreis die Baugenehmigung.

Während die gegenüberliegenden Wohnungen erst vor einigen Jahren gebaut wurden, gab es das OT-Lager schon im 2. Weltkrieg. Hier hatte die paramilitärische Bautruppe der Nazis, die „Organisation Todt“, ihr Baumaterialdepot für die umfangreichen Bunkeranlagen, den sogenannten „Jaguarstellungen“, in den Stranddünen. Nach dem Krieg hatte der Juister Bauunternehmer Bernhard Wilken noch viel Geld für Bauarbeiten von den Nazis zu bekommen, was aber nicht mehr möglich war. Kurzerhand übernahm er das Lager samt großer Mengen Baumaterial, was noch nicht verbaut war. Auf dem Gelände befanden sich dann Werkstatt- und Lagerhallen, Garagen für Baumaschinen, eine Personalhaus samt Küche für die Festlandshandwerker. Nach dem Ende des Baubetriebes übernahm die Inselgemeinde das Grundstück, die hölzernen Gebäude wurden abgerissen und das ehemalige Personalhaus wurde an Juister Unternehmer als Lager vermietet. Der Name „OT-Lager“ ist auf Juist bis heute ein fester Begriff.

Auf Juist wurde das Urteil mit großer Zufriedenheit aufgenommen. Bürgermeister Dr. Tjark Goerges war sehr erfreut, dass die vom Rat beschlossene Baumaßnahme nun umgesetzt werden kann, denn nicht die Interessen einiger Festlandsinvestoren, sondern eine zuverlässige Anbindung des Flugplatzes, sei für die Insel wichtig. Und einen anderen Platz gäbe es auf der Insel nicht.

Auch Nadja Tschovikov, eine der beiden Geschäftsführerinnen der Spedition HUF, zeigte sich erleichtert: „Wir sind sehr erfreut über die schnelle und positive Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichtes, die uns Planungssicherheit gibt. Sie setzt ein klares Zeichen für den Erhalt der Juister Arbeitspferde - ein unwiederbringliches und schützenswertes Kulturgut, für das wir uns einsetzen. Denn mit den zusätzlichen Stallungen, die jetzt auf dem OT-Lager entstehen, können wir langfristig die Aufrechterhaltung des Zubringerdienstes zum Flugplatz sicherstellen. Dies stellt einen wichtiger Grundpfeiler der Inselversorgung dar, da der Inselflugplatz unsere einzige tidenunabhängige Anbindung ans Festland ist.“

Die elf Anwohner können sich jetzt mit einer weiteren Baustelle beschäftigen, denn weiteres Unheil naht: Zwischen ihren Häusern möchte ein Bauunternehmer aus Wiefelstede mehrere kleine Häuser (die Inselkaten genannt werden) und ein größeres Kapitänshaus als Ferienwohnungen, sowie ein Mehrfamilienhaus als Dauerwohnraum errichten. Das Antragsverfahren mit den notwendigen Änderungen im Bebauungsplan läuft derzeit, und auch hier hatten die Anwohner schon vor einiger Zeit eine Internetpetition gestartet.

JNN-FOTO: STEFAN ERDMANN