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News: Jubi Juist setzt auf nachhaltige Schulung mit Elektrofliegern
Obwohl die Jugendbildungsstätte Theodor Wuppermann (Jubi) am Juister Verkehrslandeplatz als Anbieter von Gruppenkursen durch die Corona-Pandemie und einem Gebäudebrand im Vorjahr über Gebühr belastet wurde, blicken die Verantwortlichen dort zuversichtlich in die Zukunft und nutzen die kursfreie Zeit, um neue Projekte und Ideen zu entwickeln.
Derzeit finden Planungen für die Umstellung auf einen nachhaltigen Flugbetrieb mittels E-Motoren statt, die in den nächsten Jahren die bisherigen Motorsegler mit Benzinmotoren ablösen sollen. Dabei gilt es, noch zahlreiche Probleme zu lösen, aber einer der Lieblingssätze von Jubi-Leiter Jörg Bohn lautet: „Das geht nicht, gibt es bei uns nicht!“ Mit Mut und Kreativität würde man – wie seit Beginn der Einrichtung im Jahr 1956 – neue Dinge entwickeln und praxisnah umsetzen.
Konkret sah das in der vergangenen Woche so aus, dass ein neues Flugzeug auf der Insel vorgestellt wurde. Bohn: „Das war der erste Test auf dem Weg zum C0²-freien fliegen“. Bei dem neuen Fluggerät handelt es sich um ein modifiziertes Segelflugzeug vom Typ „DG 1001 E neo“. Hergestellt von DG Flugzeugbau GmbH in Bruchsal wurde dieser Typ erst vom Ein- zum Zweisitzer erweitert und nun in der Version E mit Brushless-E-Motoren, dessen Leistungen zwischen 25 und 30 kW liegen, und mit einem Zweiblatt-Faltpropeller ausgerüstet.
„Der Antrieb ist quasi als Hilfsmotor gedacht, um mit dem Segler wieder nach Hause zu kommen,“ so Stefan Göldner, Leiter Vertrieb und Marketing bei DG. Problem seit derzeit noch die Leistung der Batterien, wenn man unter Motor startet, denn während des Startvorgangs und dem Steigflug läuft dieser auf Höchstleitung und verbraucht am meisten Energie. Für die Testflüge auf Juist wurde das Fluggerät daher mittels eines Motorflugzeuges von der Startbahn bis auf die geplante Flughöhe geschleppt. Göldner ließ aber unten die Maschine einmal an, um zu zeigen, wie geräuscharm Flugzeuge mit E-Motoren auch sind. In der Tat ist ein Stabmixer in der heimischen Küche lauter.
„Sobald technisch machbar, wollen wir gerne umstellen, aber im Moment sind die Batterien noch nicht optimal,“ so Jörg Bohn. Problem bei der Jubi: Die Flugzeuge werden nicht für Überlandsegeltouren eingesetzt, sondern im Schulungsbetrieb. Und der setzt viele Starts, Landungen und „Touch and go“-Manöver (kurzes Aufsetzen des Fahrwerkes und sofortiges Durchstarten) voraus. „Wir müssten alle 40 Minuten einen Batteriewechsel vornehmen“, so Bohn. Die Alternative des Schleppfluges entfällt, zum einen würde es den regulären Flugbetrieb auf dem Platz behindern, zum anderen würde man wieder mit Verbrennungsmotoren arbeiten. Das Aufsteigen per Seilwinde mit einem leistungsstarken E-Motor wäre die bessere Alternative, könnte aber ebenfalls nicht auf der vorhandenen festen Startbahn erfolgen.
Michael Thal, Luftfahrtingenieur bei der Aribus-Tochter Premium AEROTEC, ist schon länger als sogenannter Gastfluglehrer bei der Jubi aktiv und bringt mit viel Elan sein ganzes Fachwissen in das neue Projekt mit ein und glaubt an einen Erfolg: „Das Fliegen an der Jubi ist für junge Leute ein ganz besonderes Erlebnis, von dem sie in der Regel lange zerren.“ Bedingt durch ein verändertes Umwelt- und Klimabewusstsein, welches bei Schülern und Auszubildenden auch durch „Fridays for future“ einen immer höheren Stellenwert erhält, erreicht man diese Menschen auch durch das Fliegen mit Wind, Thermik und effizienten E-Antrieb. Thal: „Nachhaltig bedeutet sonst Einschränkungen, hier entsteht aber ein nachhaltiges Angebot, dass attraktiv ist und Spaß macht.“
Thal ging auch darauf ein, dass die Effektivität beim Elektroflugzeug größer sei als beim Auto. Während auf der Straße rund 13 kW/h auf 100 gefahrene Kilometer verbraucht werden, liegt der Wert beim Flugzeug bei 8 kW/h auf 100 geflogene Kilometer. Das A und O bei der Verbrauchseinsparung liege gerade beim Flieger in der Verringerung des Luftwiderstandes, aber neben effizienter Form sei auch eine leichte Bauweise wichtig. In den nächsten Jahren werde in der Entwicklung von E-Flugzeugen und passenden Akkus einiges passieren, ist sich Michael Thal sicher.
Derzeit sei es noch so, dass man jedes Elektroflugzeug für den gewünschten Zweck und Einsatzgebiet entwickeln müsste. So sei auch die FLN in Norddeich, die den Flugliniendienst mit Juist seit über 50 Jahren durchführt, an der Entwicklung eines Fliegers mit Elektroantrieb beteiligt. Ziel ist hier der Transport von Gewicht (Fluggäste, Gepäck, Luftfracht) über kurze Flugstrecken. „Das ist ebenfalls ein wichtiger und richtiger Schritt zur Nachhaltigkeit auf der Insel,“ bewertet Jörg Bohn diese Pläne. Da die FLN nur Kurzstrecken von wenigen Minuten zwischen Festland und Inseln zurücklegt, sieht er optimale Bedingungen für das Projekt, da man oft am Boden ist und die Batterien wechseln könne.
Derzeit besteht die Flotte der Jubi-Schulungsflieger aus fünf, in Kürze wieder aus sechs Motorseglern vom Typ Falke, die mit Benzinmotoren angetrieben werden. Bei der Jubi legt man Wert auf die Feststellung, dass die dort verwendeten modernen Motoren ebenfalls sehr effizient laufen. Wenn die Umstellung auf den E-Flieger kommt, dann bedeutet das zweifelsohne wieder einen finanziellen Klimmzug für die Einrichtung. Rund ein Drittel der Kosten, so schätzt Bohn, würde der Verkauf der Falken bringen. Und weiter heißt es: „Nicht zu unterschätzen ist die Einsparung von jährlich rund 40.000 Euro an Treibstoffkosten. Wir wollen dann auf unseren Dächern Photovoltaikanlagen installieren und den Strom für unseren Flugbetrieb vor Ort selbst produzieren.“ Zudem würde die Umstellung schrittweise erfolgen, es käme sicher eine Zeit, wo Benzin- und Elektroflieger parallel eingesetzt würden.
Seit Beginn der Corona-Pandemie im März vergangenen Jahres wurde der Betrieb der Jugendbildungsstätte fast auf Null runtergefahren. „Wir sind derzeit alle noch auf Kurzarbeit,“ so Jörg Bohn. Am 26. Juli ist nun der erste fliegerische Kurs wieder geplant. „Aber alles nur mit halber Besetzung, denn unsere Vier-Bett-Zimmer dürfen nur mit zwei Personen belegt werden, was natürlich auch eine Halbierung der Einnahmen pro Kurs bedeutet,“ so Bohn weiter. Trotzdem blickt er hoffnungsvoll in die Zukunft, denn es gibt auch gute Nachrichten. So hat sich der Hauptkunde, der Flugzeugbaukonzern Airbus, trotz seiner schwierigen Lage dazu bekannt, im kommenden Jahr in jedem Fall wieder ihre Auszubildenden zu fliegerischen Lehrgängen nach Juist zu schicken und auch in diesem Jahr soll so etwas noch stattfinden. Zudem habe Bohn die Zeit genutzt, um neue Kunden zu kontaktieren und zu akquirieren.
Ein weiteres Sorgenkind ist der im vergangenen Jahren abgebrannte Veranstaltungsraum. Die Brandschäden sind inzwischen vollständig beseitigt, auch gibt es Pläne für einen Neubau. „Da sich die Jubi im Laufe der Jahre sehr erweitert hat, was die Zahl der Teilnehmer angeht, sollen die neuen Räume entsprechend größer werden,“ so Bohn. Es mache keinen Sinn, alles wie vorher aufzubauen, um dann später einen Anbau zu erstellen. Derzeit warte man auf die deichrechtliche Ausnahmegenehmigung für die größere Halle, wo der Flugplatz auch endlich eine behindertengerechte Toilette bekommen soll. Obwohl zwischen dem Neubau und dem Deich das Hauptbettenhaus steht und kein direkter Bezug zum Deich erkennbar ist, muss eine solche Genehmigung eingeholt werden, da der Neubau weniger als 50 Meter vom Deichfuß entfernt ist.
Von den Plänen der Fertigstellung im September ist der Jubi-Leiter längst abgerückt, Baubeginn soll nun erst im Herbst sein. Auch weil die hohen Baukosten problematisch sind, denn zwischen der Erstattung des verbrannten Altbaus durch die Versicherung und den Kosten für die Neuerstellung liegen derzeit rund 1 Millionen Euro. Bohn: „Die wenigen Baufirmen, die sich auf den Inseln auskennen, habe Arbeit ohne Ende. Daher wird nicht mehr wie bei früheren Submissionen mit spitzen Bleistift gerechnet, um als günstigster Unternehmer den Auftrag unbedingt zu bekommen, sondern man reizt aus, was man rausholen kann.“ Diese Situation sieht Bohn neben den Frachtkosten als einen wichtigen Grund an, warum das Bauen auf den Inseln explizit teuer geworden ist.
Über kurz oder lang müsste auch die Start- und Landebahn um 250 Meter verlängert werden, um den zukünftigen Anforderungen gerecht zu werden. „Die Zeit des seit Jahrzehnten bewährten Verkehrsflugzeug Britten-Normann BN-2 Islander bei der FLN wird irgendwann auslaufen, weil die Maschinen nicht mehr gebaut werden. Diese kommt mit einer extrem kurzen Bahn hin, was danach ist, wissen wir noch nicht“, so Bohn.
Eine Baugenehmigung, die Bahn in westliche Richtung entsprechend zu verlängern, liegt bereits vor, aber es fehlt das Geld. Zumal es auch hier nicht unerhebliche Einnahmeeinbrüche gibt. Durch Corona ist der Flugverkehr insgesamt zurückgegangen, sowohl bei den Linien- wie auch den Privatflügen. Hinzu kommen zwei weitere Faktoren, so Jörg Bohn weiter: „Rund 25 Prozent der Fluggäste hat der Flugplatz an die Minifähren vom Töwerland-Express und dem Frisia-Inselexpress verloren. Und bei den Privatfliegern geht der Trend verstärkt zu Klein- und Leichtflugzeugen, deren Zahl wird immer größer.“ Und da die Landgebühren nach Gewicht gerechnet werden, kommt auch dadurch weniger Geld in die Kasse.
Und dann ist da noch der Deich, der die Einrichtung schützt. Seit Jahren plant der NLWKN, die Deiche im Westen und Osten zu erhöhen. „Das macht Sinn, aber wir haben dafür eigentlich gar kein Platz,“ so der Jubi-Chef. Durch die Erhöhung wird dieser nämlich auch breiter. Hinterm Deich verläuft direkt die Straße oder stehen die Gebäude, vor dem Deich läuft die Rollbahn teilweise so dicht an diesem entlang, dass er schon jetzt fast von den Motorseglern mit ihren großen Spannweiten berührt wird. Der eigentliche Flugplatz liegt außendeichs und wird bei Sturmfluten überschwemmt. „Ein Deich wie auf Norderney wäre optimal. Dort ist der gesamte Platz eingedeicht, auf dem Deich ein Radwanderweg, man könnte statt Container ein festes Abfertigungsgebäude bauen und würde zusätzlich Platz durch die Abtragung des dann nutzlosen jetzigen Deiches gewinnen“, schwärmt Bohn und schränkt dann schnell ein: „Das was wird wohl ein Traum bleiben.“ Aber wer weiß, wie war das noch? - „Das geht nicht, gibt es bei uns nicht!“
Das Foto oben auf der Startseite zeigt den neuen DG-Flieger während eines Testfluges über der Insel Juist.
Auf dem zweiten Bild ist Stefan Göldner von der Bruchsaler Firma DG Flugzeugbau zu sehen, wie dieser den E-Motor für die Presse laufen lässt.
Foto Nummer 3 ist ein Blick in das Cockpit der DG 1001 E neo.
Auf der vierten Aufnahme ist einer der bewährten Motorsegler vom Typ Falke zu sehen, der seit Jahrzehnten bei der Jubi eingesetzt wird.
Die Bilder Nr. 5 und 6 wurden beim Schleppstart durch ein Motorflugzeug aufgenommen.
Das Foto Nr. 7 zeigt das Team,welches die Maschinen nach Juist gebracht und die Testflugserie durchgeführt hat. Mit dabei Flugingenieur Michael Thal (2. v.l.), Marketing- und Vertriebsleiter Stefan Göldner (3. v.l.) und Jubi-Leiter Jörg Bohn (4. v.l.)
Aufnahme Nr. 8 entstand auf der Jubi, es zeigt den neu erbauten Teil des Speisesaals, der im Vorjahr erweitert aber wegen Corona bisher kaum genutzt wurde.
Wie man auf dem Bild Nr. 9 sieht, wurde die Pandemiezeit von den Mitarbeitern unter anderem dazu genutzt, die Südseite vom Hangar mit den Toren frisch und ansprechend zu streichen und mit Motiven/Schriftzügen zu versehen.
Das letzte Foto wurde nochmal in der Luft aufgenommen und man sieht darauf den neuen Flieger auf einem Testflug über der Nordsee.
JNN-FOTOS: STEFAN ERDMANN (8), JONAS KARGER (2)