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News: Juist hat Millionenverluste durch fehlende Tagesgäste

Beigetragen von S.Erdmann am 06. Mai 2020 - 13:49 Uhr

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Nach einer mehr als einjährigen erfolgreichen Tätigkeit als Reeder plant Jörg Schmidt jetzt weiter. Der Vollblutgastronom ärgert sich seit Jahren darüber, dass die AG Reederei Norden-Frisia die Schiffsverbindungen nach Juist zu Gunsten der Norderney-Anbindung immer stiefmütterlicher behandelt. Er habe schließlich gehandelt, und die gute Resonanz auf seinen Töwerland-Express habe gezeigt, dass ein großer Bedarf an einem stark ausgeweiteten Schiffsfahrplan besteht. Deshalb ist seiner Ansicht nach auch größeres Schiff für drei- bis fünfhundert Fahrgäste wünschenswert.

Was besonders für Gastronomie und Einzelhandel ein großes Ärgernis darstelle, sei die immer weiter heruntergefahrene Zahl der sogenannten Kaffee- und vor allem Tagesfahrten ab Norddeich. So gab es z.B. zu Inselbahnzeiten im Sommerfahrplan 1973 (dieser lief damals vom 1. Mai bis 30. September) noch 46 Tagestouren von Norddeich, 1985 (das ersten Jahr mit einem fertigen Hafen) waren es noch 29, im Sommer 2020 sind in dem Zeitraum lediglich 18 Fahrten geplant. Ähnlich verhält es sich mit den Kaffeefahren (Fahrten in einer Tide mit zwei bis drei Stunden Inselaufenthalt), deren Zahl wurde zwar in diesem Jahr erhöht, dennoch gibt es im Sommerfahrplan wieder 65 Tage, an denen es nur eine Abfahrt je Richtung und somit kein Inselaufenthalt für Kurzgäste gibt. (1973 gab es das nur an sechs und 1985 sogar nur an vier Tagen).

Hinzu kommen die zahlreichen Tagesfahrten ab Juist, die Schmidt als „negative Tagesfahrten“ bezeichnet. Für Insulaner und Personal, die zum Facharzt, Behörden oder Einkaufen zum Festland wollen, sind diese Touren sehr wichtig, für Gastronomie und Einzelhandel aber tödlich. Schmidt: „Wenn in der Hauptsaison an den Wochenenden morgens die Dauergäste abfahren, kein Schiff von Norddeich mit Tagesgästen kommt und die Gästeanreise erst abends ist, haben wir den ganzen Tag eine leergefegte Insel, wo sich das Personal die Beine in den Bauch steht und allen Betrieben der Umsatz fehlt.“

Den Wunsch nach mehr Tagestouren von Norddeich habe auch die Gemeinde bei Fahrplankonferenzen mehrfach geäußert, so Bürgermeister Dr. Tjark Goerges auf einer Bäderausschusssitzung im vergangenen Herbst, als der Fahrplan der Reederei Norden-Frisia für 2020 vorgestellt wurde. Auch er räumte ein, dass die Reederei dieses mehrfach mit der klaren Aussage abgetan hat, dass man die dafür erforderlichen Schiffe lieber zugunsten des Norderney-Verkehrs einsetzen möchte.

Jörg Schmidt hatte alles mal durchgerechnet (wobei sich diese Berechnungen auf einen normalen Sommer ohne Coronaauswirkungen beziehen), so gibt es 66 Kaffeefahrten und 20 Tagesfahrten ab Norddeich im Sommer 2020 durch seinem Mitbewerber, der Töwerland-Express hingegen fährt an 89 Tagen Kaffee- und sogar 125 Tagesfahrten. Wenn man einen realistischen Durchschnittswert von 300 Personen je Tag rechnet, ergeben sich derzeit knapp 20.000 Kaffee- und 6.000 Tagesgäste. Würde man mit einem größeren Schiff als den für 12 Personen zugelassenen „Töwi“ die geplanten Kaffee- und Tagesfahrten durchführen, käme man auf 26.700 Kaffee- und 37.500 Tagesgäste, also insgesamt 64.200 Tagesgäste. (zum Vergleich: Norderney hatte in 2018 insgesamt 273.706 Tagesgäste, was eine Steigerung von 30.000 Gästen zu 2017 bedeutete)

Schmidt hat sich mal die auf Norderney errechneten Zahlen geben lassen, so lässt dort ein Tagesgast, der in der Regel mehr Geld ausgibt als Dauergäste, alleine 45,80 Euro pro Person an Verzehr in der Gastronomie, was auf Juist ein Plus von rund 1,8 Millionen Euro im Jahr ausmachen würde.

Insgesamt würde der Tagesgast rund 110 Euro (Schiffsfahrt, Verzehr, Leihräder, Souvenirs, Strandkörbe, Einzelhandel usw.) je Tag ausgeben, damit kommt man auf Juist rechnerisch auf etwas mehr als sieben Millionen Euro Umsatz vom Tagestourismus. Nicht in Summen umrechnen lässt sich die Inselwerbung, denn viele machen auf dem Festland Urlaub, kommen durch einen Tagesausflug erstmalig auf die Insel und werden im nächsten Urlaub zum Dauergast.

„Wir müssen mehr Tagesfahrten zur Insel durchführe, daher benötigen wir ein schnelles und flachgehendes Schiff mit einem Transportvermögen von 300 bis 500 Personen“, so das Fazit von Jörg Schmidt. Dabei ginge es nicht darum, dem Mitbewerber Fahrgäste weg zu nehmen, sondern neue (Tages)Gäste für Juist zu gewinnen: „Die Masse der Dauergäste wird weiter die Norden-Frisia befördern, die über entsprechende Kapazitäten verfügt, daran möchte ich auch keinesfalls rütteln.“

Solche Schiffe gibt es in den skandinavischen Ländern viele, diese hätten sich bewährt und liefen zuverlässig, so dass man nichts Neues planen müsste. Kapazitäten hätten nordische und auch deutsche Werfen derzeit ebenfalls frei. „Ich würde gerne am 1. April 2021 mit dem Fahrten beginnen. Doch wegen der vielen Bestimmungen und Einschränkungen wegen der Corona-Pandemie wird das leider kaum noch zu schaffen sein“, so Schmidt. Denn dieses Projekt – die Anschaffungskosten für ein solches Schiff würden sich bei rund 2,5 Millionen Euro einpendeln – kann und will Schmidt alleine nicht stemmen; „Wir brauchen Juister Investoren, die dazu eine eigene Juister Reederei, die auch hier ihre Steuern zahlt, ins Leben ruft.“ Denkbar sei für ihn unter Umständen auch, dass die Inselgemeinde Anteilseigner der neuen Reederei würde: „Da können alle auf Juist nur von profitieren, sowohl durch Renditen aus dem Reedereigeschäft wie auch durch Mehrumsatz auf der Insel.“

Nun wartet Schmidt darauf, dass sich die Corona-Lage entspannt, wenn dann hoffentlich bald Zusammenkünfte wieder möglich sind, möchte er das Projekt den Insulanern und den eventuellen Mitinvestoren vorstellen. Das Schiff soll maximal 30 Meter lang und 7,5 Meter breit werden, diese Größe kann man – sollte mal etwas sein – schnell und problemlos in Norddeich noch aus dem Wasser kranen. Man will durch Alubauweise einen geringen Tiefgang, einen umweltfreundlichen Antrieb und die im Watt erlaubte Geschwindigkeit von 16 Knoten soll der Neubau erreichen können, damit die Fahrzeit bei etwa 45 Minuten bleibt. Wegen der kurzen Überfahrt soll auf Zusatzausrüstung wie eine aufwändige Gastronomie mit Bedienung, Mannschaftsunterkünfte oder Tische (geplant sind Sitzreihen) verzichtet werden, dieser Platz soll besser für Fahrgäste und Gepäck genutzt werden. Gerne möchte Schmidt auch das Schiff in Ostfriesland bauen lassen, hierzu hat er bereits Kontakt zu entsprechenden Werftbetrieben aufgenommen.

Unser Foto zeigt drei kleine Töwis beim Einlaufen in den Juister Hafen.

JNN-FOTO: TE-REEDEREI