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News: Abtransport von Lok "Carl" beendet Inselbahngeschichte endgültig

Beigetragen von S.Erdmann am 17. Okt 2014 - 16:51 Uhr

Bild 0 von Abtransport von Lok "Carl" beendet Inselbahngeschichte endgültig

Im Jahr 1982 wurde auf Juist der Inselbahnbetrieb eingestellt, jetzt verließ – 32 Jahre später – das letzte Fahrzeug der alten Bahn die Insel. Mit dem Frachtschiff "Frisia VII" wurde die alten Lok "Carl" – in einzelne Komponenten zerlegt und auf drei Tieflader verteilt – über das Wasser auf die Reise in eine neue Zukunft geschickt, die es für sie auf Juist wohl nicht mehr gab.

Neuer Eigentümer ist die Sauerländer Kleinbahn – Märkische Museumseisenbahn e.V. in Plettenberg. Das Ende der Inselbahnen auf Spiekeroog und Juist führt 1982 zur Gründung des Vereines, denn dieser sah jetzt eine letzte Gelegenheit, Schmalspurbahnen aus Nordrhein-Westfalen zu erhalten. Von dort kamen viele Fahrzeuge der Inselbahnen, so auch Lok "Carl". Udo Feldhaus, 2. Vorsitzender des Vereins, freute sich, dass man nunmehr diese Lok doch noch bekam, denn bereits vor dreißig Jahren hatte man Interesse daran bekundet. Aus Beständen der alten Inselbahn hat der Verein seinerzeit den Triebwagen T 1, ein Personen- und vier Frachtwagen bekommen, ebenso fand man den Werkstattwagen auf einem Schrottplatz in Emden wieder und hatte diesen ebenfalls übernommen.

Dipl.Ing. Wolf Dietrich Groote gehört zu den Mitbegründern des Vereines und war ein Vierteljahrhundert Vorsitzender. Jetzt kümmert er sich um technische Belange wie den Transport der Lok. Groote zeigte sich auf Juist zuversichtlich, dass in ca. drei bis vier Jahren die Lok wieder fährt und auf der vereinseigenen Strecke eingesetzt werden kann. Groote: "Die Lok fuhr erst bei der Herforder Kleinbahn und passt in unser Konzept, zumal wir auch noch passende Wagen aus der Zeit haben." Außerdem wurde der Motorentyp damals viel gebaut und unter anderem in Traktoren verwendet, so dass man dafür auch heute noch Ersatzteile bekommen kann. Andere abgängige Teile (z. B. Bremsanlage und Kühlwasserrohre) will man in der vereinseigenen Werkstatt nachbauen.

Der Abtransport einer Lok mit einem Gesamtgewicht von 15 Tonnen auf der autolosen Insel erforderte einiges an Logistik, denn alle früheren Fahrzeuge wurden noch über die Gleise zum alten Anleger gefahren und dort aufs Schiff verladen. Die letzten Jahre stand die Lok in der "Schwarzen Bude", der ehemaligen Werkstatt der Bahn, die heute als Bauhof von der Inselgemeinde genutzt wird. Eigentümer des Gebäudes ist immer noch die Reederei Norden-Frisia. "Wir gehen davon aus, dass dieses Haus trotz geplanten Deichbaus als Bauhof bestehen bleibt", so Frank Endelmann, Leiter der Reederei-Geschäftsstelle auf Juist. Allerdings nagt der Zahn der Zeit an dem Gebäude, insbesondere das Dach ist stark abgängig und umfangreiche Sanierungsarbeiten stehen dort an. Dafür stand die Lok im Weg, zudem wollte die Gemeinde gerne den Platz haben, um dort die Umkleidewagen vom Strand im Winter witterungsgeschützt zu lagern.

Neben fünf Mitgliedern der Museumsbahn halfen die Reederei mit ihrem Kran und Mitarbeitern, die Gemeinde mit einem Radlader und Mitarbeitern vom Bauhof und die Spedition Jüchter, die Lok aus dem Schuppen zu holen. Ein erster Plan, das komplette Untergestell auf einen Tieflader zu heben, scheiterte am Gewicht, denn alleine jede Achse mit Rädern wiegt rund eine Tonne. So mussten die Plettenberger die Teile erst einmal auseinander schrauben, bevor es in Richtung Hafen ging.

"Carl" begann seine Laufbahn im Jahr 1951 als "Lok 12" in Herford, da dort trotz elektrischem Betrieb viele Nebengleise nur mit Dieselloks befahrbar waren. Es handelte sich um eine Maschine des Typs A6M 517R von Klöckner-Humboldt-Deutz, die durch einen 115 PS starken Deutz-Diesel und einem Duplex-Kettenantrieb angetrieben wurde. Nach der Stilllegung der Herforder Kleinbahn kam die Lok am 19. Dezember 1966 nach Juist, wo das einst rote Fahrzeug die bei der Inselbahn damals übliche Farbgebung (grün mit grau/schwarzem Fahrgestell) erhielt. Eingesetzt wurde "Carl" zusammen mit der Schwesterlok "Heinrich" in erster Linie für den Güter- und Gepäckverkehr.

Nach dem Ende der Inselbahn im Jahr 1982 gab es Bestrebungen, in einem Inselbahnmuseumsverein die Lok und einige Wagen als Erinnerung an diese Ära auf Juist aufzustellen. Doch so richtig kam die Sache erst mal nicht in Gang, schließlich blieb nur noch Lok "Carl" über, die im Zwischendeichgelände auf einem übrig gelassenen Gleisstück stand. Witterung und mutwillige Zerstörung taten ein Übriges, zwischendurch wurde sie von ein Gruppe freiwilliger Rentner vom Festland wieder gestrichen und mit einem Zaun versehen.

"Die alte Lok Carl macht der Insel Probleme" konnte man als Überschrift im "Ostfriesischen Kurier" vom 18. Februar 1998 dann lesen, denn der Rat beschäftigte sich damit. Zum Saisonbeginn sollte nämlich auf dem Zwischendeichgelände ein Spielplatz errichtet werden und daher musste über Standort und Zukunft entschieden werden. Der damalige Gemeindedirektor Udo Gesang hatte zuvor festgestellt, dass die Lok eigentlich niemandem gehöre, da der Museumsverein keine im Vereinsregister eingetragene Institution sei. Neben der Standortfrage sei deshalb zu klären, wer abfallrechtlich für die Lok zuständig sei. Die Reederei hatte seinerzeit Material für eine Renovierung in Aussicht gestellt, lehnte aber weitere Verpflichtungen hinsichtlich Pflege und Wartung ab. Schon da wurde angeregt, sie an eine Schmalspurbahn zu geben, denn bei der Gemeinde und der Reederei lagen immer wieder entsprechende Anfragen vor. Der damalige Inselbürgermeister Johann Wübben sah schon damals wenig Zukunft für das Projekt: "Ich habe Zweifel über eine zukünftige Tätigkeit dieses Vereines."

Im gleichen Jahr kam auch der Juister Klaus Petzka auf den Plan, der es bedauerte, dass dieses letzte Relikt der Inselbahn so langsam immer mehr dem Verfall preisgegeben war. Er wollte sich um eine Restaurierung kümmern, hielt dieses Maßnahme aber unter freiem Himmel für wenig sinnvoll. Harm Freese, Vorsitzender vom Inselbahnmuseumsverein, verhandelte mit dem damaligen Reedereichef Dr. Carl-Ulfert Stegmann, dieser gab grünes Licht für den neuen Standort in der Schwarzen Bude. Petzka verhandelte mit der Gemeinde, denn diese war inzwischen Mieter des ehemaligen Lokschuppens und holte sich hier das OK.

Doch alles dauerte seine Zeit. Im Juli 1998 war eine Abordnung von Mitgliedern der Interessengemeinschaft Historischer Schienenverkehr mit Sitz in Gangelt bei Aachen nach Juist gekommen. Dieser Verein betreibt die sogenannte "Selfkantbahn", die ein Teilstück der Geilenkirchener Kreisbahn darstellte. Sie übernahmen zwei Drehfahrgestelle, die noch hinter Lok "Carl" standen. Diese waren früher unter den Frachtwagen der Inselbahn, die man dann teilweise auseinander genommen hatte, um z. B. einen ersten Anleger für die "Wappen von Juist" im Hafen zu bauen. Der "Ostfriesische Kurier" schrieb in seiner Ausgabe vom 28. Juli 1998: "Die Betreiber der Selfkantbahn versicherten im übrigen, sie würden auch die alte Lok "Carl" mit "Kusshand" übernehmen und restaurieren. Auch andere Museumsbahnen, etwa Bruchhausen-Vilsen hätten schon mehrmals ihr Interesse an einer Übernahme bekundet."

Aber "Carl" blieb auf der Insel und wurde schließlich durch Klaus Petzka auseinander gebaut und im Herbst 1998 Mithilfe der damaligen Bauunternehmung Joh. Wilken, Fuhrbetrieb Heyken und Spedition Jüchter dorthin transportiert.

Hier erfolgte eine weitere Demontage der Lok, es wurden verschiedene Rostschutzfarben ausprobiert und alles gestaltete sich sehr schwierig. Petzka: "Das Dach war da schon undicht, bei Regen leckte es durch, das Wasser zog in den Boden, bei Sonnenschein dampfte es wieder aus." Da war es nicht so einfach, die Lok rostfrei zu bekommen und zu konservieren.

Um die Jahrtausendwende liefen die Arbeiten auf Hochtouren, wie die "Ostfriesen-Zeitung" vom 7. Januar 2000 berichtete: "In jeder freie Minute wirkt hier in der Schwarzen Bude Klaus Petzka, der die Lok in ihre Einzelteile zerlegt und überholt. Mit tatkräftiger Unterstützung weiterer Mitarbeiter könnte die Restaurierung zügiger über die Bühne gehen." Die Inselbahn-Freunde könnten sich gut vorstellen, die Lok in einem Glasvorbau an der Ostseite der schwarzen Bude aufzustellen, so Harm Freese in dem Artikel: "Dort gehört sie geschichtlich gesehen ja auch hin." Die Präsentation könne durch alte Fotos und Dokumente ergänzt werden, um so die Verkehrsentwicklung auf der Insel zu dokumentieren, so Freese und seine Mitstreiter.

Doch schon im März 2003 gab es neue Probleme: "Carl" sollte wieder raus, denn die Gemeinde wollte den Platz in ihrem gepachteten Gebäude selbst zur Verfügung habe. Wieder half die Reederei, sie kündigte der Gemeinde den Pachtvertrag für das Gebäude und bot einen neuen Vertrag dafür an. Allerdings ohne die Fläche, die für "Carl" benötigt wurde.

Im Jahr 2005 konnte für die Arbeiten sogar eine ABM-Maßnahme beim Arbeitsamt ins Leben gerufen werden. Ein halbes Jahr lang war der Norder Handwerker Heinz Ahrends dort tätig, in dieser Zeit konnte die Maßnahme eine gutes Stück vorangebracht werden, Fahrgestell, Getriebe, der Aufbau und die Motorenhaube bekamen einen neuen Anstrich mit einer speziellen Rostschutzfarbe.

Doch danach ging es nicht mehr richtig weiter, denn Klaus Petzka besuchte 2008 die Meisterschule und erwarb 2011 ein Haus, mit dem er auch reichlich Arbeit hatte. Auch die unklare Situation, was mit dem Gebäude wegen der geplanten Deicherhöhung passieren soll, belastete das Projekt sehr. 2012 besucht der frühere Reedereichef Stegmann sen. und der Aufsichtsratsvorsitzende Rolf Neumann den Bauhof; sie zeigten sich begeistert, wie weit die Renovierung trotzdem schon fortgeschritten war.

Im Mai kam dann das offizielle Kündigungsschreiben zum 30. September für den Platz. Da es seit Jahren einen Stillstand gab, sprach die jetzige Reedereiführung mit Harm Freese, der auch aus Altersgründen und keinerlei Aussicht auf einen Nachfolger für das Amt des Vorsitzenden schließlich der Übergabe an einen anderen Träger zustimmte. Damit wurde nun das letzte Kapitel der Juister Inselbahngeschichte beendet.

Unsere Fotos zeigen die Demontage und den Abtransport auf und von Juist. Ein Bild entstand kurz vor der Abfahrt am Hafen (v.l.n.r. 2. Vorsitzender des Märkischen Museumsvereines Udo Feldhaus, Vereinsmitbegründer Wolf Dietrich Groote und Arend Janssen-Visser von der Reederei.)

Weitere Bilder entstanden bei der Ankunft in Plettenberg, wo "Carl" wieder auf Schienen gesetzt wurde und mittels einer zweiten Lok erstmals wieder rollte.

JNN-FOTOS: STEFAN ERDMANN (Bilder von Juist), WOLF DIETRICH GROOTE (Fotos vom Festland)