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News: Aus dem Hotel "Hultsch" werden Luxuswohnungen
Derzeit verliert die Insel Juist nicht nur weitere fünfundzwanzig Gästebetten und ein für die Infrastruktur wichtiges Restaurant, sondern zugleich auch ein Stück Geschichte. Nach 114 Jahren wird das Hotel "Hultsch", welches aber die längste Zeit seines Bestehens "Seeblick" hieß, durch eine Großheider Fachfirma abgerissen. Der neue Eigner, ein Immobilienhändler aus Wildeshausen, will hier eine moderne Anlage mit mehren luxuriösen Wohnungen, Appartements und ein Doppelhaus bauen und verkaufen.
Das "Seeblick" soll 1898 gebaut worden sein, Bauherr war ein Staatsanwalt Blüher aus Eisenach. Das hat der Juist-Historiker Onno F. Fisser herausgefunden; andere Quellen sprechen indes davon, dass der Bau bereits 1885 erfolgt sein soll. ("Grüße aus Juist" von Reinhold W. Feldmann, erschienen 1981 im Burchana-Verlag, Borkum). Später wurde es von C. Brinkmann übernommen, im Jahr 1900 entstand in dem Haus ein Restaurant, und eine Kegelbahn wurde hinten angebaut. Im Jahr 1911 wurde es von Johannes Breeden übernommen, später führte dessen Tochter Dieke den Betrieb weiter. Das Restaurant mit seinem herrlichen Ausblick auf die alte Landungsbrücke lag ja vor dem Ort, deshalb machte der Eigentümer auch immer seine Gäste darauf aufmerksam: "Fahrgäste, die beim Hotel Seeblick aussteigen wollen, haben vor Abgang des Zuges von der Landungsbrücke dem Zugführer Mitteilung zu machen." Die Inselbahn legte dann vor dem Haus einen Zwischenstopp ein.
1962 erwarb Else Rose (sie betrieb zu der Zeit das Hotel "Inselrose" am Kurplatz und die "Bahnhofsgaststätte") das Hotel und verpachtete es an Klarissa Eilers und Karl Saathoff. Zehn Jahre führte Klarissa den Betrieb, in der letzten Zeit dann mit ihrem neuen Lebensgefährten Fred Planer. Als man dann wegen der Pachtsumme nicht mit Familie Rose überein kam, verlängerte sie den Vertrag nicht weiter.
Klarissa Eilers lebt heute noch auf Juist. Sie erinnert sich: "Die zehn Jahre im "Seeblick" waren schwere, aber auch erfolgreiche Jahre. Teilweise habe ich bis zu 16 Stunden täglich gearbeitet." Kurz vor dem Beginn der Abrissarbeiten hatte sie sich noch einmal dort in den Garten gesetzt, viele Erinnerungen kamen auf: "Wir hatten damals elf Kegelclubs alleine auf Juist, hinzu kamen viele Kegler vom Festland. Am Wochenende waren beide Bahnen immer schon ab vormittags besetzt; die Clubs blieben anschließend gleich zum Mittagessen." Zudem hatte das "Seeblick" damals einen sehr gut gehenden Stammtisch. Auch eine "Jugenddisco" gab es am Wochenende in ihrer Zeit. Klarissa Eilers: "Die saßen dann mit ihren Gläsern bei gutem Wetter auf dem Deich. Es gab nur halbe Liter Bier, denn es blieb keine Zeit, kleinere Gläser zu zapfen. Der Juister Hermann Schmeisser legte als Discjockey die damals gebräuchlichen Schallplatten auf.
Nachdem Klarissa Eilers das "Seeblick" 1972 verlassen hatte (sie führte dann etliche Jahre den Pensionsbetrieb "Olga" und erwarb später das Haus "Bremen" im Ostdorf), gab es noch ein kurzes Stelldichein mit dem aus Norden stammenden Pächter Folkert Fritsche. Dann verkaufte Familie Rose das Anwesen an Ingrid und Lothar Hultsch. Diese benannten das "Seeblick" in "Hotel Hultsch" um und eröffneten es zur Saison 1975. Sternekoch Lothar Hultsch legte seine Gewichtung mehr auf eine gute Küche, und schon bald galt das Haus als eine der ersten Adressen für gutes Essen. Viele Gäste, die im Dorf und im Loog wohnten, machten sich gerne abends auf den Weg zur Billstraße. Vor einigen Jahren entstand in einem Anbau an der Westseite das Imbisslokal "Lothars Kombüse", welches von Sohn Klaus in den Sommermonaten betrieben wurde. Leider verschwanden auch schon bald die Kegelbahnen, hier entstanden Ferienwohnungen. Von den einst elf Kegelklubs gibt es heute nur noch einige Stammtischrunden, wo sich die ehemaligen Mitglieder noch von Zeit zu Zeit treffen.
In den letzten Jahren versuchte das Ehepaar Hultsch, den Betrieb zu verkaufen, denn man wollte nach so vielen Jahren in der Gastronomie in den wohlverdienten Ruhestand gehen. Gerne hätte man ein junges Ehepaar vom Fach als Nachfolger gesehen, das Hotel und Restaurant wie bisher weiter geführt hätte, doch leider fand sich niemand. Gegenüber Freunden hatte Lothar Hultsch auch geäußert, dass ihn der Abriss und die zukünftige Entwicklung auf dem Grundstück sehr traurig machen. Ingrid und Lothar Hultsch werden ihren Ruhestand jetzt in Oldenburg verbringen.
JNN-Fotos: Stefan Erdmann
JNN-Repro: Entnommen aus "Grüße aus Juist" von Reinhold W. Feldmann (Burchana-Verlag Borkum, 1981)