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Freiwillige Feuerwehr: Vom aktiven Feuerwehrdienst ging Erdmann in die Altersabteilung
Seine Kameradinnen und Kameraden hatten sich ordentlich etwas einfallen lassen, um ihren Oberbrandmeister Stefan Erdmann nach 49 Jahren im Dienst der Freiwilligen Feuerwehr Juist wegen Erreichens der Altersgrenze, die in Niedersachsen bei 67 Jahren liegt, in die so genannte „Altersabteilung“ zu verabschieden.
Anlässlich einer Ratssitzung, die kürzlich im Dorfgemeinschaftshaus „Alte Schule“ stattfand, klopften sie unvermittelt an die Tür, um Erdmann, der auch als freier Journalist tätig ist und am Pressetisch saß, aus der Sitzung zu seiner Entlassungsfeier im Feuerwehrhaus nebenan abzukommandieren. Fünf Mann waren in vollem Ornat für den Überraschungscoup erschienen.
Mit 19 Jahren war der gebürtige Berumburer, der auf Juist aufwuchs, in die Juister Wehr eingetreten. Erdmann: „Am 3. Januar 1976 war das. Die Jugendfeuerwehr war erst im Aufbau. Der damalige Gruppenführer Peter Petzka klapperte die Häuser ab, in denen junge Männer wohnten, und lud sie zu einem Schnupperabend ein. So begann es für mich und andere, etwa auch für meinen zwei Jahre jüngeren Bruder Dieter.“ In den folgenden fünf Jahrzehnten durchlief Erdmann alle Dienstgrade – vom Feuerwehrmann bis zum Oberbrandmeister. Zahlreiche Weiterbildungen absolvierte er in seiner aktiven Zeit. Darunter etwa einen Atemschutz-, einen Sprechfunk- und einen Maschinistenlehrgang sowie Ausbildungen zum Gruppen- und Zugführer, zur Führung der Jugendabteilung, zur Ausrichtung von Grundlehrgängen und schließlich zur Leitung einer Feuerwehr. Die meisten Lehrgänge an der Landesfeuerwehrschule in Loy, wo Erdmann sich immer sehr wohl fühlte und die gute Ausbildung dort schätzte.
Viele Jahre kümmerte sich Erdmann um die Jugendarbeit der Wehr. „Lange Zeit war ich sogar der dienstälteste stellvertretende Gemeindejugendwart Niedersachsens“, berichtet er im Gespräch mit dem „Ostfriesischen Kurier“. Auch als stellvertretender Gemeindebrandmeister setzte er sich für die Juister Feuerwehr ein. Neun Jahre hatte er die Position inne. „Zusammen mit dem damals ebenfalls neuen Gemeindebrandmeister Thomas Breeden konnte ich das jetzt im Bau befindliche neue Feuerwehrgerätehaus auch mit anschieben“, freut sich Erdmann über diese Zeit. „Außerdem lag uns beiden sehr am Herzen, die lange Freundschaft mit der Inselwehr von Borkum weiter zu pflegen.“
An wie vielen Einsätzen er teilgenommen habe, könne er nicht einmal schätzen, so Erdmann. Die Zeit voller Einsätze, nachdem er das Amt des Vize-Gemeindebrand- meisters Anfang 2004 übernommen hat, wird er indes nie vergessen: „Wir hatten einen sogenannten Feuerteufel, einen Brandstifter, auf der Insel. Erst brannten nur Schuppen oder Strandzeltebuden, aber nachdem durch ein technischen Deffekt ein Keller in einem Hotel brannte, hatte er wohl Blut geleckt. Von nun an gab es bevorzugt an Wochenenden Brände in Juister Hotels. Die Nerven lagen in der Zeit bei allen Führungsmitgliedern der Wehr blank.“ Die Polizei leistete aber gute Arbeit und konnte den Täter schließlich überführen. Wie so oft in solchen Fällen, war es ein Feuerwehrmann aus den eigenen Reihen. Erdmann: „Das war wirklich schlimm. Zumal ich den Feuerwehrmann in der Jugendfeuerwehr ausgebildet hatte.“
Im Januar 2001 erhielt der Juister das niedersächsische Ehrenabzeichen für 25 Jahre Mitgliedschaft in der Freiwilligen Feuerwehr. Im Jahr 2016 folgte das Ehrenabzeichen für sein vierzigjähriges ehrenamtliches Engagement. Zudem wurde er 2019 mit der Ehrennadel des Ostfriesischen Feuerwehrverbandes ausgezeichnet. Am 21. März 2024 wurde Stefan Erdmann 67 Jahre alt. Das bedeutete den automatischen Übergang in die Altersabteilung. Ein Freund dieser Altersgrenze ist Erdmann nicht. „Früher lag die Altersgrenze bei 62, dann bei 63 Jahren, bis sie in Niedersachsen auf 67 Jahre angehoben wurde. Ich war der erste Aktive, der bis zu diesem Alter in der Juister Wehr dabei war.“
Aber ab 60 nehme die Leistungsfähigkeit und körperliche Fitness stark ab, so Erdmann, „daher trägt die Erhöhung der Altersgrenze wenig zur Stärkung der Schlagkraft einer Wehr bei, sondern dient lediglich dazu, die vorgeschriebene Mindestzahl vom Mitgliedern auf dem Papier zu haben.“ Eine schlagkräftige Wehr müsse darauf setzen, junge Menschen anzuwerben und auszubilden, fordert Erdmann. „Leider wird zur Förderung des Ehrenamtes vom Bund zu wenig getan. Die Gemeinden gehen teilweise schon einen guten Weg, wenn sie zum Beispiel freien Eintritt ins Hallenbad gewähren, aber es gäbe auch vom Bund Möglichkeiten, das Ehrenamt attraktiver zu machen, beispielsweise durch eine Anhebung der Werbekostenpauschale bei der Einkommenssteuer oder der Gewährung von zusätzlichen Rentenpunkten.“
Die Füße hochlegen wird der 67-Jährige trotzdem nicht: „Ich fühle mich noch gar nicht alt und werde weiterhin die Wehr als Alterskamerad unterstützen.“ Außerdem seien da noch seine Hobbys, allen voran sein Motorboot „Heimliche Liebe“, mit dem er im Sommer gerne unterwegs sei, bevorzugt in den Niederlanden. In der Theatergruppe „Antjemöh“, für die er seit 1981 auf der Bühne steht, bleibe er ebenfalls aktiv. Auch als Theaterautor wolle er noch viele Ideen umsetzen. Die platt- und hochdeutschen Stücke des Juisters wurden nicht nur in Ostfriesland, sondern auch in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein aufgeführt. Und nicht zuletzt fange er noch etwas ganz Neues an, lässt der scheidende Oberbrandmeister wissen: Im Monat seines Ausscheidens aus der aktiven Wehr wurde in den Kirchenvorstand der evangelischen Kirchengemeinde von Juist gewählt.
Unser Foto zeigt Stefan Erdmann, als er kürzlich seinen Haken für einen jüngeren Kameraden frei machte und die Einsatzkleidung abgab. Die Ausgehuniform behalten die Alterskameraden, denn bei festlichern Anlässen sind sie weiterhin dabei.
TEXT: THOMAS HÖNSCHEID
FOTO: KLAUS PETZKA