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Heimatverein e.V.: Erde kommt mit Meerespegelanstieg klar – wir Menschen nicht
Das erste Mal nach Corona gab es am Sonntag endlich wieder einen der beliebten „Klönnachmittage“ vom Heimatverein Juist e.V. im Hotel „Friesenhof“. Während es sonst meistens über Juist, aber auch über die anderen Inseln, Ostfriesland oder die benachbarten Niederlande ging, stand diesmal ein ganz anderes Ziel an, nämlich der Südkontinent unserer Erde, die Antarktis. Zu einem Vortrag mit Fotos und Videos war die Geowissenschaftlerin Dr. Sabine Hanisch zur Insel gekommen, um über eine mehrmonatige Forschungsfahrt in 2019 mit dem Forschungseisbrecher „Polarstern“ zu berichten.
Das Thema ist aktuell, denn am Dienstag (22. November) wurde von der Nordwest-Zeitung (NWZ) berichtet, dass das Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven durch die hohen Energiepreise stark belastet ist. Dennoch geht das Forschungszentrum davon aus, dass die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im kommenden Jahr auf Expeditionen gehen. Sollte die aktuelle Lage bei den Hochpreisen für Schiffsdiesel aber über mehrere Jahre halten, sieht das AWI seinen Expeditonsbetrieb gefährdet, teilte das Institut nach NWZ-Nachfrage mit. Das AWI betreibt das 40 Jahre alte Forschungsschiff „Polarstern“, das durchschnittlich an mehr als 300 Tagen im Jahr im Einsatz ist, sowie weitere Schiffe und Polarflugzeuge.
Bevor es aber los ging, begrüßte Hans-Georg Peters nicht nur als Hausherr, sondern vor allem als stellvertretender Vorsitzender vom Heimatverein die zahlreich erschienenden Zuschauer. Er freute sich, dass es nunmehr mit den „Klönnachmittagen“ wieder anlaufe und das gleich mit einem hochinteressanten Thema.
Andreas Arneke, Heimatvereins-Archivar und Chef der Gruppe „Alt Juist“, hatte den Nachmittag organisiert und erklärte, dass dieser persönliche Reisebericht kein Vortrag sei, der überall gezeigt werde, sondern speziell für diesen Nachmittag zusammengestellt wurde. Dr. Sabine Hanisch, die aus Hessen stammt und in Bremerhaven lebt, ist bereits seit 50 Jahren Juist-Gast, und als Arneke 1989 den Betrieb „Foto Brunke“ übernahm, war sie die erste Saisonmitarbeiterin. Daraus ist eine jahrzehntelange Freundschaft entstanden, denn der Kontakt zu seiner „ersten Muschelkästchenfachverkäuferin“ riß nie ab. So entstand bereits vor drei Jahren die Idee zu dem Vortag auf Juist, jedoch musste das Projekt coronabedingt "erst einmal auf Eis gelegt werden".
Hanisch verstand es nicht nur, den Juistern ein Gefühl zu vermitteln, wie es da unten im ewigen Eis ist, sondern auch, die Frage nach dem Warum für diese kostspieligen und aufwändigen Forschungsfahrten zu beantworten. Gerade in Zeiten des Klimawandelns seien solche Forschungen, unverzichtbar. Das AWI gehöre dabei weltweit zu den führenden Instituten für Polar- und Meeresforschung, zusammen mit zehn weiteren Ländern würde es viele Cooperationen geben. Was am Südpol passiert, habe Auswirkungen auf die Meeresströmungen, die sich über alle Weltmeere erstrecken und großen Einfluß auf das Klima in der ganzen Welt haben. Hanisch: „Ohne den Golfstrom wäre es bei uns in Nordeuropa kalt wie im nördlichen Kanada.“
Die Erkenntnisse der Wissenschaft sollen als Grundlagen für die Politik dienen, aber die Geowissenschaftlerin bedauert, dass die Politiker viel zu wenig auf die Forscher hört: „Es gibt zwar in Berlin einen wissenschaftlichen Beraterstab, aber was er rät, wird einfach nicht umgesetzt.“
Sabine Hanisch erklärte das 118 Meter lange Schiff, dass mit einem Tiefgang von 11,20 Metern sehr viel mehr als ein Meyer-Kreuzfahrer hat und daher als sehr seetüchtig gilt, berichtete von den Sturmfahrten von Argentinien am Kap Hoorn vorbei in das ewige Eis. Wobei sie die Unterschiede zwischen Inlandeis, Meereis und Schelfeis erklärte und was sicher vielen nicht bewußt war, dass es auch sogenannte Eisbergfriedhöfe gibt.
Das Fahren mit der „Polarstern“ im meterdicken Eis, der Abbruch, weil man vor dem Eismassen kapitulieren und das eigentliche Ziel nicht anlaufen konnte, der sorgsam erarbeitete „Plan B“, damit dennoch Forschungsergebnisse gewonnen werden konnten – immerhin kostet der Betrieb des Schiffes rund 70.000 Euro pro Tag – all das konnte Sabine Hanisch ohne viele Fachausdrücke und so, dass es für jeden verständlich wurde, rüberbringen.
So entwickelte sich auch am Ende noch ein intenstives Gespräch zwischen ihr und den Zuhörern, wo Fragen gestellt und Meinungen ausgetauscht wurden. Unter anderem kam hier die Frage nach dem Für und Wider von Kreuzfahrten in die Antarktis. „Man muss diese Schiffe von zwei Seiten sehen“, so Sabine Hanisch, „zwar verbrennen sie Diesel, haben aber ansonsten hohe Umweltauflagen. Und Menschen neigen dazu, das auch schützen zu wollen, was sie mit eigenen Augen gesehen haben.“ Zudem würden diese Schiffe auch nur ganz am Rande fahren, wo nicht so viel Eis ist: „Da wo die Polarstern war, trauen die sich nicht hin.“
Was Kreuzfahrer und Forschungsschiff verbindet, seien hingegen motivierte Besatzungen, die an Bord auch kulinarisch viel leisten. Hanisch: „Auch auf der Polarstern kann ein Wissenschaftler oder eine Wissenschaftlerin schon mal ein Kilo pro Woche zunehmen.“
Und an der Küste durfte natürlich auch die dazugehörige Thematik des Meeresspiegelanstiegs nicht fehlen. Hanisch: "Vor 125.000 Jahren gab es ebenfalls eine wärmere Zeit mit einem erhöhten Meeresspiegel von mehr als 6 Metern. Der Anstieg des Meeres nach einer Temperaturerhöhung lässt sich schwer berechnen, es kann Jahrhunderte dauern, bis das Meer so hoch ansteigt. Vor mehr als 5 Mio Jahren gab es eine Periode in der Erdgeschichte, in der es sogar viel wärmer als heute war, aber halb Deutschland von Wasser bedeckt und im Mainzer Becken aus dieser Zeit sogar Haifischzähne gefunden werden. Nur hat es damals niemanden gestört, weil es keine menschliche Zivilisation gab." Eines muss man heute bedenken, so Sabine Hanisch am Ende: „Die Erde selbst kommt mit einem Anstieg des Meeresspiegels problemlos klar, nur wir Menschen mit unserer Zivilisation nicht.“
Unser Foto auf der Startseite zeigt die Geowissenschaftlerin Dr. Sabine Hanisch während ihres Vortrages auf Juist.
Das zweite Foto zeigt den Forschungseisbrecher „Polarstern“.
JNN-FOTOS: STEFAN ERDMANN (1), ALFRED-WEGENER-INSTITUT (1)