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Aus der Region: Reederei Frisia führt Testfahren mit Katamaran „Adler Rüm Hart“ durch
„Wie will der Kunde zu den Inseln reisen?“ - Seit 150 Jahren stellt sich nun die AG Reederei Norden-Frisia diese Frage, sie analysiert das Verhalten und die Wünsche ihrer Fahrgäste, prüft neue Schiffstypen und Antriebstechniken und versucht, ein optimales Ergebnis für die Inselanbindungen zu erzielen. Dieser Prozess wird stetig fortgesetzt, und deshalb wird im Moment ein Katamaran aus Schleswig-Holstein zu Testzwecken von Norddeich aus eingesetzt.
Normalerweise fährt die MS „Adler Rüm Hart“ der Reederei Adler-Schiffe sowie der „Wyker-Dampfschifffahrts-Reederei (W.D.R.) zwischen den nordfriesischen Inseln und Halligen – zwischen dem 12. und 14. Mai hat die AG Reederei Norden-Frisia den Katamaran für Testfahrten im Passagierverkehr zwischen Norddeich und Norderney gechartert. Aus ihnen möchte die Reederei Erkenntnisse darüber gewinnen, wie und ob ein solches Doppelrumpfschiff das Fährgeschäft ergänzen könnte. Im Vorwege erhofft sich die Reederei Norden-Frisia Fahrtzeiten von rund 30 Minuten vom Festland nach Norderney. Neben den 40 regulären Fährabfahrten an den drei Tagen ergänzen die Testfahrten der „Rüm Hart“ die Anbindung der Insel.
Katamarane könnten aufgrund ihres geringen Tiefgangs den Reisenden auf der Strecke größere zeitliche Flexibilität bieten. Außerdem ließe sich ein Katamaran bei der Reederei beispielsweise auch für den Fährverkehr mit der Insel Juist flexibel einsetzen. In diesem Zusammenhang verweist Carl-Ulfert Stegmann, Vorstand der Reederei, auf die Regulierungen durch die Behörden: „Katamarane dieser Größe müssen umfangreiche Genehmigungsprozesse durchlaufen. Das kommt der Sicherheit an Bord zugute, die auch dank unserer umfangreichen nautischen Expertise stets sehr hoch ist. Zudem können sie aus unserer Sicht eine nachhaltige Antwort auf häufigere Schiffsbewegungen im Wattenmeer sein. Denn sie nehmen auf einer Fahrt mehr Reisende an Bord als beispielsweise kleine Wassertaxis, die dadurch viel häufiger unterwegs sind.“ Damit vereinen Katamarane zwei große Vorteile gegenüber genehmigungsfreien Wassertaxis mit einer Länge unter acht Metern.
Frisia-Vertriebsleiter Rainer Sürken sagt über das Ziel der Testfahrten: „Primär möchten wir herausfinden, wie groß das Interesse der Reisenden an einem solchen Angebot ist. Wir beabsichtigen, verschiedene Schiffstypen und -größen auf unseren Routen zu testen, um unseren Kunden genau das Angebot zu machen, das sie sich wünschen.“
Bestätigt sich das erwartete Passagierinteresse, plant die Norden-Frisia, ihren eingeschlagenen Innovationspfad weiter zu beschreiten. „Zu unseren Unternehmenszielen gehört Nachhaltigkeit ebenso wie Innovation. Wenn unseren Gästen diese Fahrten gefallen, ist es unser Ziel, einen eigenen Katamaran zu entwickeln. Wünschenswert wäre aus heutiger Sicht ein Hybrid- oder sogar ein vollelektrischer Antrieb“, erläutert der Frisia-Prokurist Olaf Weddermann.
Das würde nicht nur zum Nationalpark Wattenmeer passen, sondern sich auch bestens ins Portfolio der Norden-Frisia einfügen. Denn neben der Vermietung von E-Rädern und -Rollern sowie elektrisch betriebenen Pkw, die die Unternehmensgruppe auf dem Festland anbietet, arbeitet die Inselfluggesellschaft FLN Frisia Luftverkehr bereits mit einem Joint-Venture-Partner an einem Elektroflugzeug. „Sollte sich eine weitere innovative Partnerschaft mit einem maritimen Experten entwickeln, wäre das ein schönes Resultat dieser Testfahrten“, so Reederei-Vorstand Carl-Ulfert Stegmann.
Bei einer Fahrt mit Pressevertretern, an der auch JNN teilgenommen hatte, konnte der Katamaran zeigen, dass er die im Wattenmeer erlaubten 16 Knoten problemlos erreicht und die angestrebte Fahrzeit von 30 Minuten nach Norderney einzuhalten ist. Die großen Fähren laufen rund 11 bis 12 Knoten und benötigen – je nach Wasserstand – zwischen 50 und 60 Minuten. Die Fahrgäste werden auf digitalem Weg nach ihren Wünschen befragt. „Will man lieber kleinere Einheiten wie die Wassertaxis oder favorisiert man wenige und dafür größere Einheiten,“ diese Frage wolle die Reederei klären, so Stegmann. Dazu will man im Sommer gerne weitere kleinere Einheiten ggf. über einen längeren Zeitraum chartern und testen.
Ein eventuelles Schwesterschiff der „Rüm Hart“ wird es aber nicht geben, denn mit einer Zulassung von 250 Personen sei es recht groß und mit 1,5 Meter Tiefgang zudem nach Juist kaum einsetzbar. „Auch wenn wir jetzt Norderney testen, haben wir bei allen Planungen auch Juist stets im Focus“, so der Reedereichef weiter. Ihm schwebt daher ein flachgehendes Fahrzeug – was wohl von der Bauart ein Katamaran sein würde – mit einer Zulassung von 50 bis 80 Personen vor. Wo es nun schon „Wassertaxis“ gibt, spricht Stegmann bei der Neuentwicklung gerne von einem „Wasserbus“.
Will der Gast mehr Geld ausgeben für kürzere Fahrzeiten (man rechnet grob mit Aufschlägen von rund 30 Prozent zum normalen Fährenfahrpreis) oder lieber für nachhaltige und umweltschonende Antriebe? Auch diese Fragen gilt es zu klären, wie überhaupt der Antrieb eine wichtige Komponente sein wird. Den Gasantrieb, auf den zahlreiche Reedereien wie z.B. AG Ems (Borkum), Cassen Eils (Helgoland) Doeksen (Vlieland/Terschelling) oder die TESO (Texel) setzen, hält man bei der Norden-Frisia nur für eine Übergangslösung. Man arbeite an andere Lösungen, so werde in Hamburg eine Hybrid-Doppelendfähre für den Norderneyverkehr gebaut, zudem teste man gemeinsam mit der Seefahrtschule Leer ein Wassertaxi mit Elektroantrieb. Für den neuen Wasserbus will man in jedem Fall einen umweltverträglichen Antrieb finden, man hofft auch, dass unter Umständen weitere Reedereien Interesse an diesem Schiffstyp haben werden, weil die Entwicklungs- und Baukosten für ein Einzelschiff höher sein werden als wenn mehrere Einheiten davon entstehen. Wegen der komplexen Thematik gibt es noch keinerlei Zeitpläne für die Umsetzung des Projektes, so Stegmann auf Nachfrage.
Auch auf die Zukunft der Wassertaxis, von denen die Reederei derzeit drei Schiffe betreibt, ging Stegmann aufgrund verschiedener Fragen der Pressevertreter ein. Dabei ist er sicher, dass es neue Regularien geben wird. Derzeit könne man die kleinen Schiffe unter acht Meter Länge noch nahezu ohne Auflagen fahren, das würde nach Ansicht des Frisia-Vorstandes wahrscheinlich geändert werden. Derzeit werden diese Schiffe von einer Person gefahren, sollten neue Vorschriften zwei Mann Besatzung vorschreiben, käme es zu einer Verteuerung. Der Wasserbus käme wahrscheinlich auch mit zwei Personen aus, allerdings für dann 50 bis 80 Fahrgäste, während das Wassertaxi dann zwei Besatzungsmitglieder für nur zehn Personen benötige. Hinzu kommt, dass der Benzinantrieb dieser Schiffe keine Dauerlösung sei, weshalb man auch den E-Antrieb teste. „Kann es sein, dass ein Wasserbus die Taxis überflüssig macht und diese wieder verschwinden lässt“, diese Frage bewegte Kurier-Redakteurin Elisabeth Arends. Hierzu kam ein klares „Nein“ vom Frisia-Chef. Das Angebot der individuellen Überfahrt habe sich sehr gut etabliert und werde sicher auch zukünftig von einem gewissen Kundenkreis gewünscht. Stegmann: „Die Familie, die zum Beispiel Freitagabends erst um 23 Uhr in Norddeich ist und dann noch nach Juist oder Norderney rüber will, wird es immer geben.“
Hier noch ein paar Technische Daten zur „Adler Rüm Hart“: Das Schiff wurde 2019 von der TB Shipyards Werft in Harlingen/NL erbaut. Es ist 34,4 Meter lang, 10,8 Meter breit und hat einen Tiefgang von 1,50 Metern. Vermessen ist es mit 247 BRZ, als Antrieb dienen zwei Volvo-Penta Diesel mit je 478 kW, die dem Schiff eine Höchstgeschwindigkeit von 18,5 Knoten ermöglicht. Im Gegensatz zu den meisten anderen Katamaranen verfügt das Schiff nicht über zwei Wasserstrahlantriebe, sondern wird konventionell über Welle und Propeller angetrieben. Für den Betrieb werden drei Besatzungsmitglieder benötigt, während der Charterzeit bei der Frisia ist mit Gero Schipper, dem Steuermann der „Frisia IV“, aber eine vierte Person dabei, die den Frisia-Betrieb genau kennt. Schipper wurde zudem ausgewählt, weil er sich mit Doppelrumpfschiffen auskennt, war er doch schon als Steuermann auf dem Katamaran „Cat No. 1“ (1999 bis 2006 bei der Norden-Frisia im Einsatz) unterwegs.
Nach dem Anlegen in Norderney traf dann die neue „Rüm Hart“ auf die alte „Rüm Hart“. Hier nämlich liegt die „Frisia XI“, sie wurde als "Baltrum IV" im Jahr 1969 gebaut und zwischen Norddeich und Baltrum eingesetzt, 1982 dann von der W.D.R. für Ausflugsfahrten gekauft und in "Rüm Hart" umbenannt, 2014 kaufe die Reederei Norden-Frisia das Schiff und taufte es in "Frisia XI" um. Auch die neue „Adler Rüm Hart“ wird wie ihr Vorgängerschiff in der Saison für Ausflugsfahrten zwischen dem Festland und den Nordfriesischen Inseln und Halligen eingesetzt.
Zu unseren Fotos:
Das Foto 1 (oben auf der Startseite) zeigt die „Adler Rüm Hart“ vor der Abfahrt am Molenkopf in Norddeich.
Foto 2 das Heckwasser der beiden Antriebe,
Foto 3 ist ein Blick auf die moderne Brücke,
Auf dem vierten Bild begegnen sich Kat und Fähre „Frisia VI“ kurz vor Norderney,
Foto 5 entstand im Hafen von Norderney, vor der „Rüm Hart“ liegt die „Wappen von Juist“ (und wartet auf den Saisonbeginn), dahinter die „Frisia XI“, die frühere „Rüm Hart“.
Für das Foto 6 erklommen die Pressevertreter die zweite Autobrücke. (V.l.n.r.) Frisia-Prokurist Olaf Weddermann, Vertriebsleiter Rainer Sürken und Reedereichef Carl-Ulfert Stegmann auf der Brücke der „Rüm Hart“.
Die Fotos 7 und 8 zeigen die „Adler Rüm Hart“ von vorne und hinten im Norderneyer Hafen.
Auf dem Foto 9, welches von Bord eines Inseltaxis vom Wasser aus aufgenommen wurde, kann man das gesamte Schiff an der Norddeicher Mole sehen.
TEXT: STEFAN ERDMANN/AG REEDEREI NORDEN-FRISIA
JNN-FOTOS: STEFAN ERDMANN