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Rat und Verwaltung: Kann Zweckentfremdungsgesetz den Bauwildwuchs auf Juist eindämmen?
„Warum wird denn in der Wilhelmstraße (Anmerkung der Redaktion: Es geht um das ehemalige Haus „Albert Freese“) ein ehemaliges Einzelhandelsgeschäft zu einer Wohnung umgebaut, obwohl im neuen Bebauungsplan im Ortskern gerade solche Gewerberäume in Teilbereichen des Untergeschoß festgelegt wurden?“ - Diese Frage in der Einwohnerfragestunde auf der letzten Sitzung des Bau- und Umweltausschusses, die am Montagabend im Dorfgemeinschaftshaus stattfand, führte zu einer Grundsatzdiskussion, welchen Kurs man zukünftig fahren will, um den Bauwildwuchs durch überwiegend auswärtige Bauherren wirksamer einzudämmen.
Der spezielle Fall sei sehr unglücklich gelaufen, so Bauamtsleiterin Karoline Engel, sie selbst sei sehr verwundert gewesen, dass der Landkreis die Baugenehmigung erteilt hatte und habe dieses dort auch kundgetan. Man habe mit dem neuen Eigentümer des Hauses eine interne Einigung erzielen wollen, auch davor seien schon bei Bauanfragen mittels städtebaulichen Verträgen die neuen Regelungen dort eingeflossen. Hieran will sich beim Landkreis trotz der Aufzählung von Beispielen niemand mehr erinnern, lapidar wurde der Inselgemeinde erklärt, die Vorzeit gilt nicht, es gelte nur das aktuelle Baugesetzbuch.
Danach ist der alte Bebauungsplan weiterhin gültig, weil die Unterlagen für den Plan Nr. 1 (Ortsmitte) noch nicht vollständig seien. Rechtskräftig seien derzeit nur die neuen Bebauungspläne für die Baumaßnahmen Rettungswache und Minigolfplatz im Zwischendeichgelände.
Ausschussmitglied Jan Doyen-Waldecker (Pro Juist) nannte die Zeitlücke, die seit dem Ende der Veränderungssperre und dem tatsächlichen Inkrafttreten der neuen Pläne entstanden ist, das Schlupfloch, das Bauwillige zurzeit nutzen können. Dieses müsse unbedingt geschlossen werden. Er bemängelte ebenfalls, dass der Landkreis Aurich der Gemeinde immer wieder Knüppel zwischen die Beine werfe und die Sache unnötig verzögere.
„Wie wird es eigentlich kontrolliert, ob tatsächlich Dauerwohnraum entstanden ist, wenn es in städtebaulichen Verträgen vereinbart wurde“, wollte Ratsfrau Heike Heiken (Grüne) wissen. „Die Inselgemeinde hat da keine Möglichkeit, sondern nur der Landkreis, und der hat kein Personal dafür“, antwortete die Bauamtsleiterin. In dem Zusammenhang sprach sie das sogenannte Zweckentfremdungsgesetz an, auf das die Nachbarinsel Norderney setzt: „Das Gesetz muss als Ortssatzung beschlossen werden, dann kann die Gemeinde sehr viel mehr tun und selbst tätig werden.“
Norderney sei da schon sehr viel weiter als Juist, stellte Engel fest. Sie freue sich aber, dass man dort bereit sei, die erarbeiteten Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Sie selbst will diese dann durcharbeiten und ein Ratsinfogespräch vorbereiten, wo man gemeinschaftlich Überlegungen anstellen sollte, ob das auch für Juist passt. Als Termin für ein solches Gespräch fasste sie den Januar kommenden Jahres ins Auge.
Wie auf allen Inseln leidet Juist unter der stetigen Zunahme von Ferienwohnungen, die in der Regel als Geldanlage von auswärtigen Bauherrn gebaut und genutzt werden. Dadurch wird Wohnraum für Insulaner unerschwinglich, ebenso die Mieten, worunter auch Menschen leiden, die auf die Inseln zum Arbeiten kommen. Zudem verschwinden dadurch anderen Betriebe, welche die Inseln dringend benötigen, wie Einzelhandelsgeschäfte oder Gastronomiebetriebe. Juist hat deshalb im Bebauungsplan diese Betriebe im Ortskern festgeschrieben. Norderney geht den Weg über ein sogenanntes Zweckentfremdungsgesetz, wonach kein Dauerwohnraum mehr in Ferienunterkünfte umgewandelt werden darf. Das Gesetz gibt der Kommune verstärkte Möglichkeiten der Durchsetzung, so dürfen dann auch Mitarbeiter der Gemeinde oder Stadt zwecks Kontrollen in die Wohnungen. Das Beispiel Norderney, wo der Stadtrat kürzlich die Einführung des Zweckentfremdungsgesetzes als Ortssatzung beschlossen hat, machte große Runde und ging deutschlandweit durch die Medien.
Bürgermeister Dr. Tjark Goerges wies darauf hin, dass es auf Norderney das Verbot zur Schaffung von Bruchteilseigentum nicht gäbe, dieses habe sich auf Juist teilweise gut bewährt. Die jetzt noch laufenden Objekte hätten hingegen noch Bestandsschutz. Auch er bedauerte das lange und komplizierte Verfahren bei der Erstellung der neuen Bebauungspläne: „Wenn diese aber erst mal in Stein gemeißelt sind, gibt es diese Schlupflöcher wie in der Wilhelmstraße nicht mehr“.
Wie wichtig die Sache ist, zeigte sich im Punkt „Kenntnisgaben der Verwaltung“, wo die Bauamtsleiterin mitteilte, dass ein Bauantrag für die Dellertstraße 1 (Haus Im Sonnenwinkel) im Rathaus vorliegt, mit dem Abriss des derzeitigen Gebäudes soll in Kürze begonnen werden. Erfreulich hingegen, dass auch ein Bauantrag für den Wiederaufbau des Cafes/Restaurants „Sturmklause“ auf der Strandpromenade frisch reingekommen war. Im Januar 2015 brannte die alte „Sturmklause“ bis auf die Grundmauern nieder.
Über die anderen Punkte der Sitzung wird JNN noch berichten.
Unser Foto zeigt den Bereich am Haus Albert Freese, wo aus dem früheren Einzelhandelsladen (Erdbeerfisch, die letzten Jahre Parfümerie Jaap) jetzt eine Wohnung entstanden ist.
JNN-FOTO: STEFAN ERDMANN