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Rat und Verwaltung: Umstrittene Tourismusbeitragssatzung soll überarbeitet werden
Ratssitzung: 15 Minuten, Einwohnerfragestunde: 1 Stunde. Das war das Ergebnis der letzten öffentlichen Sitzung des Gemeinderates, die in dieser Woche im Dorfgemeinschaftshaus „Alte Schule“ stattfand. Thema der Einwohnerschaft, hier besonders den Vertretern der Hotellerie, war die Erhebung des Tourismusbeitrages (Fremdenverkehrsabgabe), welches auch auf der Tagesordnung stand.
Der Rat hatte im Dezember vergangenen Jahres eine neue Satzung beschlossen, wonach der Tourismusbeitrag zukünftig nicht mehr nach Anzahl von Gästebetten, Sitzplätzen in Gaststätten, vermieteten Fahrrädern oder Strandkörben usw. berechnet wird, sondern nach dem Umsatz der Betriebe zu ermitteln ist. Nachdem nun die ersten Bescheide raus waren, sorgte dieses überall für Unmut und es hagelte Fragen über Fragen von den Beitragszahlern an die Verwaltung und den Rat.
Bei der Erstellung der schriftlichen Erläuterungen kamen Kämmerer Peter Jansen Zweifel an der Korrektheit der Berechnungen. Nachdem er eine intensive Prüfung durchgeführt hatte, stellte er fest, dass die zur Berechnung des Beitrages durch einen Rechtsanwalt bereitgestellte Tabelle einen Formelfehler enthielt. Dieses hatte zu einem zu hoch dargestellten Beitragssatz geführt. Jansen: „Ich trage die Verantwortung dafür, weil ich es so in den Rat gegeben hatte. Nach Bekanntwerden des Fehlers wurden sofort der Bürgermeister und der Rat informiert. Der Beitragssatz soll heute von 4,75 % auf 3,69 % gesenkt werden. Es werden dann Änderungsbescheide erstellt und überzahlte Beträge erstattet.“
Der Rat stimmte dem Nachtrag zur Satzung zu, so dass der Beitrag rückwirkend zum 1. Januar 2018 gesenkt wurde, aber damit kehrt noch lange keine Ruhe bei diesem Thema ein. Insbesondere die großen Vermietbetriebe üben heftige Kritik an der Verfahrensweise, wie der Beitrag erhoben wird, da insbesondere die großen Hotels über Gebühr belastet werden. Johannes Pabst, Hotelier und Vorsitzender des DEHOGA (Hotel- und Gaststättenverband) Juist, stellte die Frage, warum alles klammheimlich und ohne Einbeziehung der betroffenen Betriebe auf den Weg gebracht und den Beitragszahlern jetzt „untergejubelt“ wurde. Pabst: „Wir fühlen uns schlecht behandelt. Außer der Aussage von Herrn Vodde, dass die Anzeigen im Gastgeberverzeichnis billiger werden, haben wir keinerlei Infos bekommen.“ Pabst hatte eine Erhöhung der Beiträge um 31 Prozent errechnet, die die Hotels nun zusätzlich aufbringen müssen.
Zur Berechnung dient ein sogeannnter Vorteilssatz, der den Anteil des Betriebes am Fremdenverkehr ausweist, und ein Gewinnsatz, der als Grundlage für die Erhebung dient. Während Hotelpensionen mit Halbpension bzw. Frühstück bei einem Vorteilssatz von 95 % mit einem Gewinnsatz von neun bzw. elf Prozent berechnet werden, sind Hotels, Ferienwohnungen usw. bei 100 Prozent Vorteilssatz mit sogar 19 Prozent bzw. 15 Prozent bei einem Umsatz von mehr als 30.000 Euro veranschlagt und zahlen entsprechend mehr.
Pabst wies auch noch auf andere Ungereimtheiten hin, so z. B. beim Einzelhandel. So werden beim Bäcker sieben, beim Fleischer und Obst- und Gemüsehändler fünf Prozent angesetzt, beim Getränkeverkäufer hingegen nur vier Prozent. Nicht nachvollziehbar sei auch, warum der Betreiber einer Imbisshalle gleich fünf Prozent mehr zahlen muss als andere Schankwirtschaften. Zudem seien die Gebühren auch bei allen vergleichbaren Kommunen (Nachbarinseln und Küstenbadeorte) völlig unterschiedlich.
Auch Silvia Kaut, Inhaberin einer großen Pension und einer Gaststätte stellte fest, dass die Anbieter von Gästebetten über Gebühr belastet werden. Die ehemalige erste Bürgermeisterin der Stadt Wuppertal fragte zudem: „Warum wurde das alles vorher nicht kommuniziert?“
Kaut wies in einem anschließenden Pressegespräch darauf hin, dass es Betriebe gäbe, die doppelt belastet würden. Sie habe ihre Gaststätte/Restaurant „Köbes“ verpachtet, als Verpächterin müsse sie dafür Tourismusabgabe zahlen, allerdings würde zudem auch ihr Pächter zur Kasse gebeten.
Pabst führte noch einen anderen Aspekt ins Feld: „Vermietbetriebe haben hohe Werbeausgaben, um Gäste auf die Insel zu holen. In der Regel sind das rund zehn Prozent, die wir dafür ausgeben. Die Inhaber anderer Betriebsarten sind im Winter weg, kommen dann Ostern wieder zur Insel, schließen ihre Läden auf und kassieren weiter von den Gästen, die wir besorgt haben. Auch vor diesem Hintergrund ist die unverhältnismäßige Erhöhung bei den Vermietbetrieben nicht nachvollziehbar.“
Bürgermeister Dr. Tjark Goerges entgegnete, dass man sich der Thematik sehr wohl bewusst sei. Die Kommunalaufsicht dränge indes, alles auszuschöpfen. Insbesondere die Einnahmen aus dem Tourismusbeitrag verblieben auf der Insel, während von allen anderen Gebühren, Steuern und Abgaben prozentuale Anteile an Andere (Landkreis, Land usw.) abzuführen seien.
Ratsvorsitzender Björn Westermann (Pro Juist) konnte die Aussagen von Pabst und Kaut gut verstehen: „Mir wurde das auch anders verkauft. Ich zahle jetzt dreimal so viel, der Fehler in den Bescheiden hat mich stinksauer gemacht“.
Gerhard Jacobs (CDU) informierte darüber, dass den Ratsmitgliedern wohl die Gewinnsätze bekannt waren, nicht aber, wie sich das tatsächlich bei den einzelnen Betrieben auswirkt. Er hätte daher vorher gerne Modellberechnungen vorliegen gehabt.
Auf die Anmerkung von Silvia Kaut, der Rat solle nicht nur erhöhen, sondern sich mal Gedanken zu Einsparungen machen, wies Meint Habbinga (Pro Juist) darauf hin, dass der Rat dieses durchaus im Auge habe, so konnten z. B. durch Personaleinsparungen bei der Erstellung des Gastgeberverzeichnisses und Imageteil günstigere Anzeigenpreise angeboten werden. Er bedauerte, dass immer weniger Anzeigenkunden dort Werbung für sich und die Insel machen würden.
Einstimmig wurde vom Rat die Senkung des Beitragssatzes auf 3,69 Prozent beschlossen. Zudem stellte Hans-Ludwig de Vries (CDU) den Antrag, die Satzung für den Tourismusbeitrag noch mal völlig zu überarbeiten, dieses solle dem Rat bis zur vorletzten Ratssitzung in diesem Jahr zur Beratung vorgelegt werden. Dem Antrag stimmten alle Fraktionen und Gruppen zu, lediglich der Bürgermeister enthielt sich hierbei der Stimme.
Die großen Hotels – hier das Kurhaus - investieren viel in die Werbung und fühlen sich über Gebühr bei dem Tourismusbeitrag/Fremdenverkehrsabgabe benachteiligt.
JNN-ARCHIVFOTO: STEFAN ERDMANN