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Rat und Verwaltung: Podiumsdiskussion gab keinen Sieger und keinen Verlierer
Rund 280 Zuhörer machten sich am Samstagabend auf den Weg in das "Haus des Kurgastes", wo im großen Saal eine Podiumsdiskussion mit den drei Kandidaten stattfand, die sich um das Amt des Inselbürgermeisters bewerben. Rund zwei Stunden lang beantworteten Stefan Siedelmann, Jörg Möllenbrock und Dr. Tjark Goerges alle Fragen, die vorher zusammengestellt wurden.
Das Verfahren, die Fragen vorher in einer Box bei der Kurverwaltung zu sammeln, wurde vorher kontrovers diskutiert, erwies sich aber im Nachhinein aber als gute Lösung, die für einen informativen Abend sorgte. Großen Anteil daran hatte auch Michael Bockelmann, der als Moderator die Veranstaltung sehr souverän und neutral durchzog und dafür sorgte, dass alle drei Teilnehmer die vereinbarten Redezeiten einhielten. Insgesamt 52 Fragen fanden sich in der Sammelbox; da sich viele Dinge überschnitten, wurden daraus am Nachmittag zuvor zwölf Fragen erarbeitet.
Lediglich Inselarzt Dr. Paul Okot-Opiro wollte – da er zuvor nicht auf der Insel war – seine Fragen noch in einer kurzen Pause während der Veranstaltung abgeben, was Bockelmann indes ablehnte, denn es gab auch noch die Möglichkeit, im letzten Teil der Veranstaltung spontane Frage zu stellen. Wie der Inselarzt in einem Gespräch mit der Inselzeitung JNN ausführte, ging es ihm besonders darum, dass das Thema medizinische Versorgung angesprochen wurde, denn er sieht die vernünftige Unterbringung von Ärzten und dem Rettungsdienst als nicht gegeben. Da Okto-Opiro aber an dem Abend wegen eines medizinischen Notfalls die Veranstaltung wieder verlassen musste, konnte er das Thema später nicht mehr anschneiden. Unabhängig davon hörte man aber bei allen drei Kandidaten im Laufe der Veranstaltung heraus, dass bei ihnen der Bau einer neuen Rettungsstation/Feuerwehrgerätehaus höchste Priorität haben würde. Bockelmann regte zudem an, die drei Bewerber sollten noch ein privates Gespräch mit dem Insel- und Badearzt führen.
Zu Beginn gab Bockelmann dann den drei Bürgermeister-Bewerbern je fünf Minuten Zeit, um sich vorzustellen und darzulegen, warum der Wähler sich für sie entscheiden sollte, wobei die Reihenfolge ausgelost wurde. Jörg Möllenbrock, den die CDU ins Rennen geschickt hatte, möchte auf der Insel das "Wirgefühl" stärken und sah sich als den einzigen Kandidaten, der auch die entsprechende Vorausbildung für die Aufgabe habe. Stefan Siedelmann, der seit zwölf Jahren auf Juist lebt und als Einzelbewerber antrat, will dem weiteren Ausverkauf der Insel entgegenwirken um sieht die derzeitige Ratsarbeit als uneffektiv. Tjark Goerges, der als Wunschkandidat der Ratsgruppe Bündnis Juist gilt, will ebenfalls, das weggezogene Insulaner wieder Anreize finden, zurück auf die Insel zu kommen. Er sieht seine Vorteile darin, dass der privatwirtschaftliche Perspektiven mit der Politik verbinden kann.
Dann folgten die zwölf Fragen, bei deren Antworten mal der eine, mal der andere Kandidat punkten konnte, aber auch viele Gemeinsamkeiten zu finden waren. Auf die Frage, was verstehen sie unter Wirgefühl, antworteten alle drei, dass Bürger, Rat und Verwaltung mehr zusammenarbeiten müssten, Siedelmann sorgte hier für etwas Heiterkeit mit der vielsagenden Ergänzung "für das Handeln von Rat und Parteien kann ein Bürgermeister nicht verantwortlich sein, aber es wird von mir eine klare Ansage kommen."
Die weiteren Fragen zeigten den Zuschauern, dass alle drei Bewerber, auch wenn zwei davon auf dem Festland leben, sich intensiv mit den Problemen der Insel bereits befasst und diese erkannt haben. Der Ausverkauf der Insel mit der immer geringer werdenden Zahl von Menschen, die dauerhaft auf Juist leben, verbunden mit der immer schlechter werdenden Infrastruktur (z. B. Vereinsleben, Schülerzahlen), wurde von ihnen wohl als das wichtigste Thema gesehen, wobei man mit den zurzeit eingeleiteten Maßnahmen einen ersten wichtigen Schritt unternommen hätte. Dennoch müsse hieran weiter gearbeitet werden; wichtig sei es, bezahlbaren Wohnraum für Mitarbeiter und Insulaner ohne Wohneigentum zu schaffen.
Neben der schon erwähnen Rettungsstation/Feuerwehrhaus wird auch die Sand- und Schlickproblematik des Hafens ein großes Thema für den neuen Bürgermeister werden. Einigkeit bestand, dass der neue Bürgermeister zuerst einmal dafür sorgen muss, dass es für die Saison 2017 ein Konzept gibt, damit Fähr- und Bootshafen anlaufbar sind. Dann müsse es einen "großen Tisch" geben, um eine dauerhafte Lösung zu erarbeiten. Dabei müsse auch der Wettbewerbsnachteil, den Juist gegenüber den Mitbewerbern hat, beseitigt werden, denn als einzige Inselgemeinde trägt sie selbst und alleine die Kosten für den Hafenbetrieb und –erhalt. Der vom derzeitigen Bürgermeister Dietmar Patron kürzlich gemachte Vorschlag eines Hafenneubaus an anderer Stelle wurde von keinem der drei Bewerber aufgenommen.
Einigkeit bestand auch bei den Bewerbern, die Verwaltungsstrukturen innerhalb des Rathauses prüfen und optimieren zu wollen, ebenso sollen die Einnahmen im Bereich der Kurverwaltung angehoben werden. Hier will man vor allem auf mehr Gäste außerhalb der Hauptsaison setzen. Weiter soll das Alleinstellungsmerkmal von Juist als autolose Pferdeinsel gepflegt werden.
Nur zwei Bürger meldeten sich noch bei den spontanen Fragen. Einer wies auf den Missstand an der Strandpromenade hin, wo seit zwei Sommern die Bandruine "Sturmklause" einen sehr unschönen Anblick darstellt. Diese werde schnell entfernt, sollten sie im Amt sein, so die Kandidaten. Doch hier wurden sie von Gerd Rinderhagen, Mitglied des Kreistages, ausgebremst. Er wies darauf hin, dass die Staatsanwaltschaft die Brandstelle immer noch nicht freigegeben hätte und solange würde dort nichts passieren. Rinderhagen: "Man kann hier nicht versprechen, wir entfernen das mal eben ganz schnell, denn man müsse dazu die Staatsanwaltschaft erst einmal dazu bewegen, eine Entscheidung zu treffen." Die Gründe für das Verhalten der Staatsanwaltschaft dürfe er hier nicht wiederholen, da er für diesen Fall eine Strafandrohung erhalten habe.
Zum Schluss mischten sich die drei Bewerber unter die Zuschauer und standen an Stehtischen noch zu persönlichen Gesprächen bereit, was auch von zahlreichen Insulanern gerne angenommen wurde. Dennoch ging an diesem Abend keiner der Bewerber als Sieger, aber auch keiner als Verlierer von dannen. Die Aussage eines Juisters, die dieser später in einer Gaststätte machte, stand wohl für viele: "Ik weet ümmer noch nee, well ik nu wähln schall."
JNN-FOTOS (3): STEFAN ERDMANN