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News: Kämpfer gegen Seevogel-Schießen und Robbenjagd

Beigetragen von JNN am 22. Feb 2012 - 22:15 Uhr

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Am 21. Februar, jährte sich der Geburtstag von Dr. h.c. Otto Leege zum 150. Mal. Dies ist ein willkommener Anlass, eine Persönlichkeit zu würdigen, die für die gesamte norddeutsche Region und darüber hinaus, speziell aber für Ostfriesland und die Inseln Juist und Memmert, von weitreichender Bedeutung ist. Gemessen an dem, was er an Forschungsarbeit auf den Gebieten der Botanik und Pflanzensoziologie, der Zoologie, besonders der Ornithologie, der Volkstumskunde, des Natur-und Landschaftsschutzes geleistet hat, müsste ihm in seiner ostfriesischen Heimat ein ganzes Otto-Leege-Jahr gewidmet werden.

Alternativ dazu hat nun das Otto Leege Institut beschlossen, vom 28. bis 30. Juni 2012 die "Otto-Leege-Tage" auf Juist zuveranstalten. Das Otto Leege Institut wurde 1977 gegründet und bemüht sich seitdem, das Gedenken an den Menschen und das Werk Otto Leeges wachzuhalten. Im Juister Ortsteil Loog fanden damals erste Gespräche über eine Einrichtung dieses Instituts mit der Schwiegertochter Otto Leeges, Therese Leege, statt. Sie war erfreut, dass auf diesem Wege etwas gegen das Vergessen des Memmert-Vaters getan werden sollte.

Ein Meilenstein auf dem Weg, ihn wieder ins Bewusstsein und ins Gespräch zu bringen, war die Einweihung des Otto-Leege-Tores zu Pfingsten 2009. Inzwischen hat das Ehrentor seine aufreizende helle Holzfarbe verloren und sich seiner Umgebung optimal angepasst. Die langen Verzögerungen bei der Fertigstellung des Otto-Leege-Pfades durch verschiedene Institutionen scheinen aus heutiger Sicht bestens in die Gesamtplanung zu passen, da nun der Otto-Leege-Pfad innerhalb der Otto-Leege-Tage feierlich eingeweiht werden kann.

Wie erfährt nun der interessierte Leser Näheres über Leben und Werk des Jubilars, der 1951 im Alter von 89 Jahren starb? Als Otto Leege auf die 80 zuging, wurde er von Verwandten und Freunden immer wieder gedrängt, doch seine ungewöhnliche Lebensgeschichte aufzuschreiben, da er zudem die Gabe eines guten Erzählers besaß. Aber bei dem unbedingten Vorrang, den die Forschungsarbeit gegenüber der eigenen Person genoss, fand sich nicht die nötige Zeit. 1945 schrieb er: "Ich bin bei der Sichtung meiner Tagebücher, aber der Stoff ist so außerordentlich vielseitig, dass ich bis an mein Lebensende daran zu tun habe".

Erst 1946, mit 84 Jahren, begann er mit seinen Aufzeichnungen "Aus dem Leben eines Naturforschers". Dann aber kamen zu der Not der Nachkriegszeit die eigene Krankheit und der Tod seines Sohnes, der seit 1921 seine Arbeit auf Memmert als Inselvogt fortgesetzt hatte, hinzu und verhinderten eine zügige Niederschrift seiner Biographie. So kam Leege über die Schilderung der Kindheit und Jugend in Uelsen und die ersten Jahre als Lehrer auf Juist nicht hinaus. Leider sind diese Aufzeichnungen (40 eng beschriebene Schreibmaschinenseiten) noch nicht verlegt und somit interessierten Lesern nicht zugänglich.

Glücklicherweise gab die Ostfriesische Landschaft im Europäischen Naturschutzjahr 1970 das sorgfältig editierte "Otto-Leege-Buch" heraus. Es beinhaltet eine Sammlung von Aufsätzen über Otto Leege, seine Forschertätigkeit sowie ein Verzeichnis seiner gedruckten Arbeiten. Allerdings ist das Buch schon viele Jahre vergriffen.

In Uelsen (Grafschaft Bentheim) wurde Otto als Sohn des Zollbeamten Friedrich Andreas Leege und seiner Ehefrau Leonore in die Wiege gelegt. Schon früh lernte er durch seine Mutter die Natur mit ihren Blumen, Pflanzen und Tieren zu lieben. Sie nahm ihn oft mit in den Garten, auf die Felder, an die Teiche und Bäche; Höhepunkte aber bildeten die Besuche in der endlosen Heide mit ihrer geheimnisvollen Flora. Ihr kleiner Sohn begann, nach allem was am Boden krabbelte, Ausschau zu halten und ihr die kleinen Tierchen, die er fand, zu zeigen. Wenn seine Fundstücke dann auf dem Küchentisch herumkrochen, klatschte er vor Freude in die Hände. Selbst Spinnen, haarige Raupen oder glitschige Schnecken fanden sein ungeteiltes Interesse. Ihn begeisterten alle Tiere - nur lebendig mussten sie sein. Die Mutter erklärte ihm auch die Pflanzen, die sie im Gelände als Heilpflanzen suchte und die sie richtig anzuwenden verstand. So lernte er von klein auf die Namen von Pflanzen, Schmetterlingen und Vögeln, deren Rufe er bald unterscheiden konnte.

Nach Beendigung der Schulzeit hätte er am liebsten einen Beruf ergriffen, "der mit Tieren oder Blumen zu tun hat". Da aber keine Aussicht bestand, einmal eine Gärtnerei oder Landwirtschaft zu betreiben, folgte er dem Rat der Eltern und wurde Schulmeister. Bei einem Ausflug nach Norderney war er von der Blütenpracht in den Dünen so tief beeindruckt, dass es seither sein sehnlichster Wunsch war, einmal als Lehrer auf eine Insel zu kommen. 1882 ging für den 20-Jährigen dieser Wunsch in Erfüllung: Er bekam eine Lehrerstelle auf Juist.

Die Überfahrt zu seiner neuen Wirkungsstätte war natürlich nicht so bequem wie heute mit den Frisia-Fährschiffen. Fünf Stunden kreuzte das segelnde Fährboot auf dem Watt, ehe es vor Anker gehen konnte. Ein seekranker junger Lehrer musste vom Boot im noch überfluteten Watt auf einen Ackerwagen umsteigen, um seine Arbeitsstelle auf Juist zu erreichen.

Es fällt schwer, den anschaulichen Schilderungen Leeges hier nicht weiter folgen zu können. Man kann sich jedoch leicht vorstellen, dass die acht Juister Schüler einen engagierten, tatkräftigen Lehrer bekommen hatten, der seine Naturliebe auch ihnen beibrachte. Der Morsetisch im Wohnzimmer, durch dessen Mauerfugen der Bocksdorn hineinrankte, sowie die primitiven Lebensbedingungen mit Petroleumlampe und Torfofen hielten ihn nicht davon ab, sich begierig an die Erforschung der neuen Heimat zu machen.

Die fremdartige Meeresfauna, das reiche Pflanzenleben in den Dünen - Leege hat später 600 wildwachsende Blumen auf Juist festgestellt - sowie die Welt der Seevögel, dazu die vielen Arten von Gastvögeln begeisterten den werdenden Naturforscher. Er begann naturwissenschaftliche Abhandlungen zu schreiben, die mehr und mehr Beachtung fanden. Er trug zudem alles zusammen, was über die Geschichte der Insel zu erfahren war. Er sammelte plattdeutsche Sprichwörter und Redensarten sowie Begebenheiten, die ihm die Insulaner erzählten, in einem dicken Folioband.

Doch als er 1907 an die Schule nach Ostermarsch versetzt wurde, hatte er diesen Band zusammen mit zahlreichen Niederschriften zunächst auf dem Dachboden der Schule zurückgelassen. Sein Nachfolger konnte die Schätze leider nicht würdigen. Beim Abriss der alten Schule gingen diese einzigartigen Aufzeichnungen mit dem Bauschutt auf den Müll. Ein ähnliches Schicksal wurde vielen seiner Abhandlungen zuteil, und bis heute sind seine Tagebücher und noch vorhandenen Aufzeichnungen nicht an einem Ort gesammelt und zu Studienzwecken benutzbar.

Seit sechs Jahren war Otto Leege auf Juist, als sich ihm erstmals am 19. September 1888 die Gelegenheit bot, an einer Fahrt nach Memmert teilzunehmen ("Die erste Fahrt nach Memmert" - Otto Leege berichtet selbst darüber im Ostfriesischen KURIER vom 25. Februar 1950). Während die übrigen Fahrgäste ihre Gewehrläufe auf Robben und Seevögel richteten, sah der Naturfreund vor seinem inneren Auge ein Bild, das ihn bis an sein Lebensende begleiten sollte: Die "öde Sandbank" mit zwei niedrigen, kaum bewachsenen Sandanhäufungen im Südwesten würde mit menschlicher Unterstützung zu einer Insel werden. Busch und Schilfzäune könnten den stäubenden Sand auffangen und die sich bildenden Dünen könnten mit Strandhaferpflanzungen befestigt werden.

Und es müsste gelingen, aus der werdenden Insel eine Freistätte für Seevögel zu schaffen, auf der die sinnlose Vogelabschießerei der Kurgäste verboten wäre. Der Gedanke daran machte ihn glücklich; aber er dachte wohl noch nicht daran, dass dieser Besuch auf Memmert der Anfang seines Lebenswerkes sein würde. Vom ersten Tage an führte er sorgfältig Tagebuch über Pflanzen und Tiere, die er angetroffen hatte und über alle Veränderungen, die er bemerkte. Erst nach 20 Jahren harter Arbeit und vielen Rückschlägen sollte es gelingen, die ersehnte Vogelfreistätte einzurichten.

Ein bis heute sichtbares Zeichen für die Arbeit des Schulmeisters Otto Leege mit seinen Juister Schülern ist der Goldfischteich im Ostdorf der Insel. Der Teich verdankt seine Entstehung der Initiative Leeges. "Tüchtige Schuljungen unterstützten mich in meinem Vorhaben und sie gruben ein metertiefes Loch in Stubengröße, das sich bald mit Süßwasser füllte. Schon nach wenigen Wochen wurde die Mühe reichlich belohnt, und die ersten Ansiedler stellten sich ein", so schreibt Leege im Ostfriesischen KURIER am 26. Juli 1950 und weiter: "Ohne menschliche Hilfe entwickelte sich die Tierwelt des Wassers." Eine Entwicklung, die nicht nur der naturforschende Lehrer, sondern auch seine Schüler mit Interesse verfolgten.

Obwohl der Schwerpunkt der Tätigkeit Otto Leeges auf Juist nicht im Ostdorf lag, sondern an der Bill, war es sinnvoll, wie auch die Enkelin Leeges, Leonore de Boer, ausdrücklich betont, den Otto-Leege-Pfad, ein ökologisch-künsterlischer Inselpfad, in die Nähe des Goldfischteiches zu legen. Durch die Ortsnähe werden viel mehr Gäste und Insulaner an den Naturschutzgedanken und an das Naturerleben im Sinne Otto Leeges herangeführt. Bei seinen Studien auf der Insel hatte es ihm das Billgebiet besonders angetan; fast täglich wanderte er vom Dorf dorthin. Aufgrund von Gutachten - vor allem von Leege - wurde die Bill 1899 zum Schutzgebiet erklärt. Doch auch danach musste unaufhörlich um den Erhalt gekämpft werden. 1908 schreibt Leege: "Es erfüllt den Naturfreund mit Wehmut, wenn er sieht, wie ein schönes Dünental nach dem anderen der "Kultur" zum Opfer fällt" - indem allen Badegästen und Besuchern ungehinderter Zugang gestattet wird. "In der Tat, es tut bitter not, dass man daran denkt, einzelne besonders charakteristische Täler in ihrer ursprünglichen Gestalt der Nachwelt zu erhalten, ehe es zu spät ist", oder noch direkter:" Die Badeverwaltungen sollten darauf bedacht sein, einzelne interessante Teile kommenden Geschlechtern als Naturdenkmäler zu reservieren".

Unermüdlich und unerschrocken kämpft Otto Leege über Jahrzehnte gegen vielerlei Vorstöße, die eine Aufhebung des Schutzgebietes Bill zum Ziel haben. 1926 wird Leege zum Kommissar zur Förderung der Naturdenkmalpflege im Regierungsbezirk Aurich ernannt und hat damit mehr Einflussmöglichkeiten, den Naturschutzgedanken voranzubringen. Als er nach seiner Pensionierung 1924 nach Norden übersiedelte, ging der Juister Brutvogelbestand so stark zurück, dass die Regierung das Schutzgebiet aufheben wollte. Da erbot sich Leege gegen Überlassung des Wärterhäuschens, die Überwachung der Kolonie kostenlos zu übernehmen. Hier in seinem "Dünenschlösschen" fühlte er sich Jahrzehnte glücklich, bis ihm durch seine Krankheit ein Verbleiben auf der Insel nicht mehr möglich war. Um 1940 zog er dann endgültig nach Norden, wo er 1951 starb.

Das ganze Ausmaß dessen, was Otto Leege durch sein zähes Durchhalten, trotz aller Rückschläge und persönlicher Opfer erreicht hat, lässt sich erst in unseren Tagen so recht erkennen und würdigen. Heute wäre der Gedanke unvorstellbar, die Juister Kurverwaltung könnte mit der Aussicht auf Seevogelschießen und Kegelrobbenjagd auf Memmert oder der Kachelotplate werben. Das war vor 100 Jahren noch Normalität. Man erkennt daran den großen Fortschritt in der von Leege angestrebten Richtung.

Leeges Bemühungen um den Naturschutz ist es zu verdanken, dass im Wettstreit zwischen wirtschaftlichen Interessen und dem Interesse am Erhalt der Natur die Natur eine immer gößere Gewichtung erfährt. Die Einsicht, dass ein umfassender Schutz der Natur einmal für unsere Nachkommen überlebenswichtig sein wird, ist nicht mehr nur Gedankengut einiger weniger Außenseiter. Heute sind es jedoch nicht mehr schießwütige Jäger oder habgierige Fischer, die großen Schaden anrichten, sondern es lauern unsichtbare Gefahren. Sie bestehen zum Beispiel in Umweltschädigungen durch industrielle und landwirtschaftliche Einleitungen in die Nordsee oder durch Schiffsunfälle. Dr. Otto Leege kann mit Recht als Wegbereiter der Nationalparkidee und der Anerkennung zum Weltnaturerbe Wattenmeer gelten, was anlässlich seines 150. Geburtstages zu großem Dank verpflichtet.

(Aus dem Ostfriesischen Kurier vom 21. Februar 2012)

 
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