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Rat und Verwaltung: Bürgermeister Dr. Tjark Goerges schreibt an alle Bürger

Beigetragen von JNN am 04. Apr 2020 - 16:55 Uhr

Bild 0 von Bürgermeister Dr. Tjark Goerges schreibt an alle Bürger

Zur augenblicklichen Situation und der neuen Verfügung, die ab Montag Veränderungen bei den Ein- und Ausreisebestimmungen auf die Inseln des Landkreises Aurich mit sich bringt, hat Bürgermeister Dr. Tjark Goerges heute einen Brief an alle Bürger geschrieben. Selbstverständlich möchten wir dieses ebenfalls verbreiten und bekannt machen, Sie finden diesen jetzt unter „Weiterlesen“.

Liebe Juisterinnen und Juister,
Sehr geehrte Damen und Herren,

seit gestern häufen sich sowohl die negativen aber auch positiven Stellungnahmen und Unmutsbekundungen zu der aktualisierten Allgemeinverfügung des Landkreises hinsichtlich der Anbindung ans Festland, die ab Montag, den 06. April 2020, gelten soll.

Inzwischen sprach ich mit dem Landrat über diese Entscheidung. Er hebt mir gegenüber hervor, dass die Grundlage dieser Entscheidung auf rechtlich einzuhaltenden Rahmenbedingungen und einer Neueinschätzung der Lage basierte. Diese hat erstmal Bestand.

Obwohl ich nicht an den Entscheidungen des Krisenstabes des Landkreises beteiligt wurde und somit auch nicht an den terminlichen Vorgaben, möchte ich Ihnen erläutern welche Auswirkungen dies auf uns haben könnte.

Im Wesentlichen wird der Zugang zum Festland gelockert und auf das Niveau gebracht, welches wir auch auf dem Festland haben. Somit können wir wieder für notwendige Erledigungen zum Festland fahren. Dieser Schritt war notwendig, da nur die drei Inseln des Landkreises Aurich diese drastische Einschränkung der Bewegungsfreiheit erlebten.

Im gleichen Atemzug wird es denjenigen ermöglicht, die einen nachgewiesenen Arbeitsauftrag auf der Insel haben, diesen zu erledigen. Diese Entscheidung basiert auf dem Gleichheitsprinzip, da dadurch die Ausübung eines Gewerbes bzw. der Weg zur Arbeit, so wie auf dem Festland, ermöglicht wird.

Durch die Polizei und das Ordnungsamt werden alle ankommenden Passagiere überprüft, so dass keine „ungewollten“ Passagiere auf die Insel gelangen können. Außerdem werden wir Informationsblätter zu notwendigen Hygienemaßnahmen verteilen und auf der Insel entsprechende Kontrollgänge durchführen. Auch hier meine Bitte an diejenigen unter uns, die sich auf dem Festland bewegt haben, halten Sie die Hygieneregeln ein und meiden Sie unnötige Sozialkontakte.

Diese sicherlich nicht einfach zu treffende Entscheidung hat der Krisenstab des Landkreises, zu dem auch Mitglieder des Gesundheitsamtes gehören, unter Beachtung aller ihm vorliegenden Fakten getroffen.

Während die erste Allgemeinverfügung vom 22. März 2020 eindeutig als Reaktion auf die schwierigen Bedingungen auf Norderney zu betrachten ist und eine entsprechende Schärfe benötigte, soll uns die neue Allgemeinverfügung Schritt für Schritt an die Bedingungen des Festlandes anpassen. Rechtlich gilt das Prinzip der Gleichbehandlung.

Dieser Schritt stößt bei einer großen Anzahl von Ihnen auf Unverständnis. Wichtig ist es deshalb zu erläutern, warum dieser Schritt gemacht werden soll und warum das damit verbundene Risiko zu minimieren ist.

Die ursprüngliche Allgemeinverfügung wurde verfasst als noch eine große Anzahl von Gästen auf den Inseln verweilte und somit die medizinische Versorgung im Fall von akuten Corona-Infektionen unmöglich gewesen wäre. Die jetzige Einwohnerzahl und die vorhandene medizinische Infrastruktur können mit großer Wahrscheinlichkeit der Lage gerecht werden.

Sicherlich ist das Thema der potentiellen Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 eine sehr kritische Diskussion und wir wünschen uns, dass dieser Fall auf Juist solange bis ein Impfstoff vorhanden oder ein vollständig wirksames Gegenmittel verfügbar ist, keine kritischen Momente erzeugt. Ob wir bislang verschont geblieben sind, wissen wir nicht. Wir wissen nur, dass es keinen bestätigten Verdachtsfall gegeben hat.

Insbesondere diejenigen unter uns, die zu den Risikogruppen gehören, müssen wir schützen. Der wesentliche Schutz ist dabei die strikte Anwendung der Hygieneanforderungen und die Einhaltung entsprechender Verhaltensregeln und die Einschränkung der Sozialkontakte. Dass dabei die Betroffenen selbst bereits vorsichtig sind, gehört selbstverständlich dazu.

Während dieser Tage erhielt ich diverse Schreiben, die einerseits die Aufhebung der Fahrbeschränkungen für Juister zum Festland forderten als auch die Freigabe für fremde Beschäftigte, die auf der Insel Gewerke erledigen sollten. Es gab aber auch Forderungen, die Allgemeinverfügung möglichst aufrecht zu halten.

In einem internen Bericht an den Landkreis hatte ich letzte Woche auf unsere Lage hingewiesen. Der Bericht enthielt eine Allgemeinbeschreibung der Situation auf Juist sowie den Hinweis, dass Gewerbemüll nicht entsorgt werden könne, die Reisefreiheit zu drastisch eingeschränkt worden sei und die Bauaktivitäten der Fremdfirmen zum Erliegen gekommen seien. Ich bat den Landkreis während der nächsten Lagebeurteilung diese Aspekte zu berücksichtigen. Eine Reaktion erhielt ich nicht. Der Landrat hat mir jetzt bestätigt, dass dieses Schreiben keinen Einfluß auf die Entscheidung des Krisenstabes gehabt hat.

Das Reizthema Bauen mit Fremdfirmen auf der Insel und die damit einhergehende Notwendigkeit Handwerker auf die Insel zu lassen, scheint jetzt der wirkliche Streitpunkt zu sein. Eines sollte doch allen klar sein: Es geht hier darum, dass die Baustellen gesichert werden, sowie Gewerke oder Bauabschnitte zu vollenden. Einerseits haben wir „fremde“ Großbaustellen sowie eine Reihe von Kleinbaustellen, die für unsere Tourismusbetriebe wichtig sind und nicht zuletzt Baustellen im öffentlichen Interesse, wie die Verbreiterung der Hafenzugangsstraße, der Leichtathletikanlage und dem Austausch von Fenstern in der Schule.

Die benötigte Anzahl von „Fremdarbeitern“ stammt überwiegend aus dem nahen ostfriesischem Raum und ist mit ca. 50-80 Handwerkern überschaubar. Diesen sollte im Rahmen der Gleichbehandlung die Möglichkeit gegeben werden, ihrer Arbeit nachzugehen, solange diese die notwendigen Hygieneanforderungen erfüllen. Das muss eine Selbstverständlichkeit sein. Die Befürchtung einiger von Ihnen, dass speziell von den Handwerkern ein Infektionsrisiko ausginge, kann nach Einführung der kompletten Hygieneanforderungen meines Erachtens so nicht bestätigt werden. Nach Gerüchten zufolge sollen auf Norderney der Coronavirus SARS-CoV-2 auch von dortigen „Fremdhandwerkern“ übertragen worden sein. Wenn überhaupt, kann dies nur vor der Einführung der drastischen Hygieneregeln stattgefunden haben. Dieser Ansatz muss deshalb für die jetzige Situation entkräftet werden. Hierzu werden die Polizei und das Ordnungsamt die Baustellen besuchen und darauf achten, dass auch dort die Hygieneregeln eingehalten werden. Ich diesem Kontext möchte ich Sie bitten, jedem, der die Insel aus gewerblichen Gründen besucht, mit Respekt und Anstand zu begegnen.

Ich weise diejenigen unter Ihnen darauf hin, die den gewerblich Aktiven eine Übernachtung ermöglichen möchten, dass Sie die „Allgemeinverfügung zu Hygienevorschriften im Hinblick auf soziale Kontakte und bei Unterbringung aus gewerblichen Gründen“ strikt befolgen müssen. Prüfen Sie bitte, ob Sie die Bedingungen erfüllen. Die Unterlagen können Sie unter https://www.landkreis-aurich.de/aktuelles/bekanntmachungen/ einsehen. Wir werden auf Bedarf diese Allgemeinverfügung ausgedruckt zur Verfügung stellen.

Gerade die oben genannten Aspekte wird der Landkreis für die Entscheidung, die Allgemeinverfügung anzupassen, berücksichtigt haben. Ergänzt werden sollte außerdem, dass nicht nur der LK Aurich, sondern auch der LK Wittmund die gleichen Anforderungen ab Montag für seine Inseln anwenden wird. Dies scheint übergeordnet abgestimmt worden zu sein. Somit ist eine Gleichbehandlung dieser Inseln gegeben. Auf Borkum wird in diesem Rahmen bereits seit zwei Wochen gearbeitet.

Sicher ist auch, dass sich der Landkreis Aurich die Entwicklungen täglich anschaut und spontan in der Lage ist, die Einschränkungen wieder zu verschärfen. Die Corona-Krise und die Reaktion auf die Lagebeurteilung kann nicht stur nach einem Schema-F abgewickelt werden, sondern erfordert Flexibilität von allen Beteiligten.

Ich kann natürlich verstehen, dass das Bedürfnis besteht, den Coronavirus SARS-CoV-2 gefühlt möglichst lange von der Insel fernzuhalten. Gleichzeitig muss aber auch hervorgehoben werden, dass dies durch Isolation auf Dauer nicht möglich sein wird. Hierfür müssen wir uns aufstellen und gewappnet sein.

Aus diesem Grund wird der Landkreis Aurich gemeinsam mit allen Beteiligten das Bestmögliche für die Insel tun und während der nächsten Monate immer wieder neue Entscheidungen treffen müssen.

Ich weiß, dass wir uns in einer sehr schwierigen Zeit befinden. Das belastet uns alle. Wichtig ist dabei, dass wir uns solidarisch verhalten und auch Entscheidungen vertrauen, die wir so nicht gewohnt sind.

Ich werde mich weiterhin bemühen, Ihnen neue Informationen so rechtzeitig wie möglich zur Verfügung zu stellen.

Bleiben Sie gesund. Helfen Sie anderen.

Dr. Tjark Goerges
Bürgermeister und Kurdirektor
Inselgemeinde Juist