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Aus der Region: Eine Ära in der Juister Frachtschifffahrt ist zu Ende

Beigetragen von S.Erdmann am 23. Sep 2019 - 15:45 Uhr

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Ende vergangener Woche verabschiedete sich ein langjähriger Frachtschifffahrer still und unauffällig aus der Fracht- und Versorgungsschifffahrt mit der Insel Juist. Der Greetsieler Kapitän Gerjet Gerjets scheidet Ende Oktober aus Altersgründen aus den Diensten der AG Reederei Norden-Frisia aus, er kann auf fast vierzig Jahre Inselversorgung – überwiegend zur Insel Juist – zurückblicken.

Gerjets, dessen Vorname allgemein mit Gerd abgekürzt wird, schätzt viel Aufhebens um seiner Person genauso wenig wie eine Kapitänsjacke mit vier Streifen auf der Schulter. So stand er letzte Woche wie immer in seinem blauen Seemannspullover und roter Schutzkleidung auf Juist am Kai, während seine Schiffsmechaniker und die Mitarbeiter vom Hafen die Versorgungsgüter von seiner „Frisia VIII“ entluden. Es war die letzte Fahrt, denn bis Ende Oktober muss er noch Resturlaub und Überstunden abfeiern. Es gab einen Präsentkorb von der Juister-Reedereigeschäftsstelle, einige Weggefährten wie z.B. der ehemalige „Wappen-von-Juist-Kapitän“ Gerhard Eilers waren zur Verabschiedung gekommen. In Reih und Glied aufgereihte Gabelstapler, ein letztes Winken des Kapitäns und „Dreimal lang“ aus dem Schiffshorn des Fahrgastschiffes „Frisia „IX“, als der Frachter wieder in Richtung Norddeich ablegte, damit ging ein wichtiges Kapitel und eine Ära in der Juister Frachtschifffahrt zu Ende.

Bei allen Inselversorgungsreedereien stehen die Kapitäne und Besatzungen der Frachtschiffe immer etwas im Hintergrund, sind sie doch bei Insulanern und Gästen nicht so präsent wie ihre Kollegen, die eben diese Menschen befördern. Doch kommt ihnen eine ebenso große Bedeutung zu, muss doch jeder Gegenstand, gleich welcher Art, auf der Insel mittels Frachtschiff erst einmal dorthin befördert werden. Damit fing Gerjet Gerjets im Jahr 1980 an, damals noch mit seinem gleichnamigen Vater und dem eigenen Frachtschiff „Flott“, dass von der Norden-Frisia für den Frachtverkehr in Dauercharter von Norddeich aus fuhr. 1980 ging es noch an den alten Anleger im Watt, die Waren in Paletten wurden per Kran auf die Anhänger der Inselbahn verladen und an Land gebracht. In der Umschlaghalle im Alten Bahnhof, dort, wo sich heute das Nationalparkhaus befindet, wurde die Ware dann erneut entladen, verteilt und auf die Pferdegespanne der damaligen Inselspedition Jüchter gesetzt.

Zwei Jahre später dann die erste große Veränderung, denn nun wurde der erste Teilbereich des neuen Inselhafens in Betrieb genommen. Fortan legte „Flott“ dort an, erst im Osthafen, wo jetzt das Ausflugsschiff „Wappen von Juist“ , das Rettungsboot „Hans Dittmer“ und der „Töwerland-E§xpress“ seinen Platz haben. Damit begann der Frachtumschlag ohne die zusätzliche Umladung auf die Bahn, hierfür wurde dann eine blaue Umschlaghalle aufgebaut. In dieser Zeit schied Vater Gerjet, der 2001 verstarb und auf dessen Grabstein auf dem Greetsieler Friedhof die „Flott“ mit eingraviert wurde, langsam aus dem Betrieb aus.

1995 kam dann die Umstellung des Frachtverkehrs von Paletten auf ein Roll-on-Roll-off System mittels Flachwagen. Hierzu wurde ein ehemaliges Schiff, das ursprünglich für die Nationale Volksarmee der DDR gebaut wurde, zu einem Ro-Ro-Frachter umgebaut. Nachdem schon lange der Frachtverkehr nach Norderney über die Autofähren mit abgewickelt wurde und auch der Chartervertrag mit dem Juister Frachter „Katharina Elisabeth“ ausgelaufen war sowie die eigenen Frachtschiffe „Frisia VII“ und „Frisia XIV“ verkauft wurden (letztgenanntes diente noch einige Zeit als Anleger für die „Wappen von Juist“ und liegt heute als Klubschiff im Greetsieler Yachthafen), war auch für die „Flott“ als letzter konventioneller Frachter die Zeit abgelaufen. Gerjets verkaufte sie ins niederländische Oostmahorn, wo sie etliche Jahre als schwimmende Servicestation im Yachthafen lag. Später ging das Schiff nach Rotterdam und wurde zum Segler für Gruppenreisen umgebaut.

Gerd Gerjets selbst ging nun als angestellter Kapitän zur Frisia, übernahm das neue Frachtschiff und machte so die Umstellung zum neuen Umschlagsystem mit. Gut bewährt hat sich hier bei der „Frisia VII“ die Konstruktion der Heckklappe, welche es erlaubte, überall und ohne eine entsprechende Hubbrücke anzulegen und auch schwere Dinge zu entladen. Daher wurde die „Frisia VII“ gerne bei größeren Baumaßnahmen auf den anderen Inseln von den ausführenden Firmen gechartert, um z. B. Betonmischer oder große Mengen Steine und Kies auf Anhängern dort anzulanden.

Eine weitere Veränderung kam durch die neue Umschlaghalle im Juister Hafen, jetzt wurde die Abfertigung der Frachtschiffe in den Südhafen verlegt, ebenso machte der Greetsieler einige Verlegungen der Umschlagplätze in Norddeich während der Neugestaltungsphase der Mole mit. Die letzte große Veränderung erlebte Gerjets dann im Sommer 2010, als er einige Monate nach Hamburg ging, um Bauaufsicht auf der Sietas-Werft zu führen, wo die Reederei einen neuen Frachter bauen ließ. Die vielen zusätzlichen Charterfahrten zu den anderen Inseln ließen die Investition von rund 6,5 Millionen Euro für ein zweites Schiff sinnvoll erscheinen. Zahlreiche Ideen und Verbesserungen aufgrund der Erfahrungen mit der „Frisia VII“ ließ Gerjets beim Neubau mit einfließen, im Oktober 2010 brachte er die neue „Frisia VIII“ von Hamburg aus nach Norddeich.

Auf Juist hatte der Greetsieler Kapitän einen hervorragenden Ruf, weil er viel für die Anbindung auch bei ungünstigen Wetter- und Wasserlagen getan hatte. Aus seiner „Flott“-Zeit blieb das unternehmerische Denken immer in seinem Hinterkopf, Geld wird eben nur verdient, wenn die Fracht dort ankommt, wo sie hin soll. Daher sein Motto „erst mal versuchen, umdrehen können wir immer noch“. So war er der erste, der bei Eisgang neue Wege beschritt. Während sonst immer die schlanke und kräftige „Frisia X“ das Eis aufbrechen musste, ließ Gerjets schwere Anhänger mit Steinen und Kies vorne auf den Bug der Frachtschiffe verladen, fuhr auf das Eis, welches dann durch das Gewicht nach unten aufbrach.

In Greetsiel wurde er durch seine Mitwirkung bei den „Wochenenden der Vereine“ immer sehr geschätzt, zu dieser Veranstaltung kam er immer mit seinem Frachtschiff in den Greetsieler Hafen. Die Schiffe sind dort immer ein Hingucker und das große Frachtdeck bietet sich für Veranstaltungen an.

Jetzt geniest er seinen Ruhestand in seinem Haus am Schatthauser Weg in Greetsiel, dem Wasser bleibt er aber treu. Er wechselt in das Lager der Sportbootschiffer: „Schon vor zwei Jahren habe ich ein Motorboot gekauft und auch im Urlaub schon einige Touren durch die Niederlande damit unternommen.“ Derzeit liege sein Boot noch in Emden, im kommenden Sommer wird es dann in Greetsiel seinen Liegeplatz bekommen. Und dann soll es auch wieder auf einen bekannten Kurs gehen, nämlich zur Insel Juist.

Unsere Fotos entstanden am Juister Hafen am letzten Arbeitstag von Gerd Gerjets. Das Bild auf der Brücke ist ein älteres Archivfoto, es wurde noch auf der „Frisia VII“ gemacht, wo der Greetsieler bis zur Indienststellung der neuen „Frisia VIII“ in 2010 das Kommando hatte.
JNN-FOTOS (5): HARM ENDELMANN
JNN-ARCHIVFOTO: STEFAN ERDMANN

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