Nach 53 Jahren schloss kürzlich das Traditionsrestaurant „In´t Veerhues“ auf Juist endgültig seine Pforten. Jack Heiken und seine Ehefrau Nena, die das Restaurant in dritter Generation seit 2010 führten, haben sich Altersbedingt zu diesem Schritt entschlossen. Allerdings geht die auf der Insel dringend benötigte Gastronomie nicht verloren, im kommenden Frühjahr wird das Lokal unter neuer Regie und neuem Namen wieder geöffnet.
Das Haus in der Warmbadstraße 4, direkt gegenüber vom Alten Warmbad, wurde bereits 1898 von Johann Hook aus Norden erbaut, dieser verkaufte es später weiter, vom Käufer ist nur der Nachname Müller bekannt. Müller betrieb darin ein Milchgeschäft. Im Jahr 1937 erwarb Daniel Heiken das Haus und führte das Milchgeschäft weiter. Heiken entstammte einer Juister Familie und er hatte noch weitere zehn Geschwister. Verheiratet war er ebenfalls mit einer Juisterin, seine Frau Johanna gehört zur Familie Wäcken. An die Zeit des Milchgeschäftes erinnert heute noch der Bürgersteig, in einem Teilbereich hatte man nämlich die roten Pflastersteine hochkant gesetzt, um Beschädigungen zu vermeiden, denn hier wurden die schweren Milchkannen von den damals noch hohen Pferdewagen der Spedition abgesetzt.
1966 übernahm Sohn Jacob Heiken, den alle nur „Jacky“ nannten, und Ehefrau Karin das Milchgeschäft. Übrigens führte gleich um die Ecke dessen Bruder Heinrich das Haus „Seemannstreu“ und nicht weit entfernt der dritte Bruder Johann das Haus „Daniela“. Neben dem Milchladen wurde eine Pension betrieben, ab 1966 unter dem Namen „Haus Karin“. Karin Heiken, geborene Timmer, stammt eigentlich aus Berlin, in dem Wirren am Kriegsende kam sie nach Ostfriesland, nämlich nach Nordgeorgsfehn im Landkreis Leer. Schließlich arbeitete sie als Zimmermädchen im Hotel „Worch“ auf Juist und lernte hier Jacob kennen und lieben. Im August 1958 kam Sohn Jack zur Welt, da waren beide noch nicht verheiratet. Am 11. Dezember 1958 wurde Vater Jacob 21 Jahre alt und einen Tag später wurde geheiratet. Ein Jahr später wurde Sohn Jörg geboren.
1968 kam eine Neuerung, neben dem Milchgeschäft entstand eine Milch-Bar. Diese bestand indes nicht allzu lange, denn im Winter 1970/71 standen umfangreiche Bauarbeiten an, aus der Milchbar wurde nun die Gaststätte/Restaurant „In´t Veerhues“, und am 1. April 1971 fand die Eröffnung statt. Da man jetzt auch Personalzimmer benötigte, gab es die Pension „Haus Karin“ nun nicht mehr.
Fünf Jahre lang wurden Milchgeschäft und Restaurant parallel betrieben, dann schlossen Jacky und Karin das Milchgeschäft, dort entstand nun die Gaststätte „Plicht“, die mit den Räumlichkeiten vom „Veerhues“ verbunden waren. Wieder standen Umbauarbeiten an, am 1. April 1976 wurde auch die „Pflicht“ (darunter versteht man den hinteren Bereich eines Segelschiffes, von wo aus gesteuert und die Segel gesetzt werden, und da die Bierkneipe auch „hinten“ war, bekam sie diesen Namen) eröffnet.
Besonders die ersten Jahren waren sehr erfolgreich, damals hatte die Insel noch eine andere Struktur. Es gab wenig Ferienwohnungen, aber viele Pensionen mit Frühstück oder Halbpension. Abends gingen die Gäste raus und die Tresen der Gaststätten waren jeden Abend voll, ebenso wie die drei Tanzgaststätten der Insel.
Sohn Jack hatte die Gastronomie ebenfalls im Blut. Er lernte die Berufe des Kellners und Koch im Jagdschlösschen Ascheberg bei Münster, danach arbeitete er im Parkhaus Kaiserau Gelsenkirchen, dann im elterlichen Betrieb auf Juist. 1980 reizten ihn neue Aufgaben auf der Insel Wangerooge. Hier lernte er seine spätere Frau Nena kennen, die gebürtig aus Kroatien stammt und seit 1993 in Deutschland lebt. Und die auch vom Fach war, denn sie hatte den Beruf der Hotelfachfrau gelernt. Von Wangerooge aus ging es für die beiden noch drei Jahre nach Bremen, dann nach 1998 nach Juist und wieder ins „Veerhues“.
Im Dezember 2010 gingen Jacob und Karin Heiken in den Ruhestand, den sie in Bad Zwischenahn verbringen, und übergaben den Betrieb an Sohn Jack und Nena, womit die dritte Generation jetzt das Haus führte.
Der 22. Mai 2018 war dann der schlimmste Tag in der langen Geschichte vom „Verhues“. Es kam zu einem Brand in der Wohnung von Jack und Nena über dem Restaurant. Die Feuerwehr war schnell zur Stelle und konnte den Brand schnell unter Kontrolle bringen, allerdings ließ es sich nicht vermeiden, dass größere Mengen Löschwasser dem Restaurant erheblichen Schaden zufügte. So war im Anschluss eine große Sanierung unumgänglich, wobei dieses genutzt wurde, um die Inneneinrichtung moderner und heller zu gestalten.
Das „Veerhues“ genoss immer einen sehr guten Ruf, denn Jack brachte als Koch überwiegend deutsche und wohlschmeckende Gerichte auf den Tisch. Und der Tresen war sehr bei den Kollegen beliebt, wenn in den großen Hotels Feierabend war, dann fanden sich nach 22:00 Uhr immer zahlreiche Mitarbeiter aus den Häusern zum Feierabendbier und gemütlichem Klönschnack im „Veerhues“ ein. Aber auch Juister trafen sich dort, es gab einen Dienstagsstammtisch von zumeist älteren Juister Männern, und auch der Shanty-Chor kehrte nach den Übungsabenden dort gerne ein.
„Ich denke, wir haben mit unserem Laden viele Menschen glücklich gemacht,“ so Jack Heiken jetzt. Er ist nun 66 Jahre alt, das richtige Alter, um aufzuhören. Er sei nun ganz froh, denn die Zeiten würden nicht besser. „Neben gesundheitlichen Einschränkungen ist es auch immer schwieriger, Personal zu bekommen,“ so Jack Heiken, zudem seien die Einkaufspreise in den letzten Jahren stark gestiegen und „die Preise für Energie gingen durch die Decke“.
Das Haus wurde von den Eltern an einen Investor aus Krefeld verkauft, Jack und Nena können auf Lebenszeit dort wohnen, und dem neuen Besitzer ist es wichtig, dass weiterhin Gastronomie betrieben wird. Mit Ercan Sendil, der seit vielen Jahren auf der Insel in der Gastronomie tätig ist und bis zum Jahresende noch das Café/Restaurant „2. Aufschlag“ (früher „Tennis-Café“) führt, ist man guter Dinge, einen würdigen Nachfolger gefunden zu haben.
Da die Zukunft vom „2. Aufschlag“ wegen dem Verkauf an einen neuen Besitzer eher ungewiss ist, hatte er das Angebot, dass „Veerhues“ als neuer Pächter zu übernehmen, gerne angenommen. Schon jetzt sind die Umbauarbeiten im vollen Gang, und im kommenden Frühjahr will er dann neu eröffnen.
TEXT: STEFAN ERDMANN
FOTOS: PRIVATARCHIV JACK HEIKEN