Mehr als drei Monate ist Juist nun ohne die beliebte Kellerbar „Welle“, die sich bis Ende 2022 unten im Hotel „Atlantic“ befand. Wirt Manfred Bone, eigentlich im Ruhestand, ist nun zusammen mit zwei Partnern im neuen „Juistart“ im „Haus des Kurgastes“ tätig, und kümmert sich nun verstärkt um den Verkauf seiner Fotografieartikel. Leider zerschlugen sich auf der Insel alle Hoffnungen, dass in den Räumen der „Welle“ weiterhin eine Abendgastronomie betrieben wird, das Hotel „Atlantic“ baut es derzeit für eigene Zwecke (Fitnessräume für Hausgäste) um.
Mit dem Beginn des Ruhestandes von Manni Bone ging eine genau vierzigjährige Gastronomiegeschichte auf Juist zu Ende, denn so lange wirkte er erfolgreich als Wirt und galt auf der Insel als feste und kontinuierliche Größe. Bone, Jahrgang 1959, wuchs in Velen, einer Stadt mit 13.200 Einwohnern im Landkreis Borken, auf und und lerne den Beruf des Fotografen. Als Strandfotograf bei Foto Brunke kam er 1981 als Saisonkraft nach Juist. Ein halbes Jahr Juist, das war der Plan.
Doch es kam anders, zwar ging er im Herbst wieder zum Festland zurück, bei einem Brunke-Mitarbeitertreffen zu Silvester in Oldenburg lernte er Theo Konzertz, damals kaufmännischer Geschäftsführer bei der Jugendbildungsstätte Theodor Wuppermann am Flugplatz, kennen. Er wollte gerne dem ehemaligen Lokal „Kajüte“ im Hotel „Kurhaus“ neues Leben einhauchen und fragte Manni, ob er mitmachen wollen, denn er habe Ahnung und Gespür für Musik, die bei Kneipenbesuchern ankommt.
Manni wollte, im Sommer 1982 arbeitete er tagsüber bei „Foto Rhenania“ und nachts in der „Kajüte“. Konertz zog sich im Laufe der Zeit immer mehr aus dem Kneipen-Betrieb raus, Manni gab den Fotografenjob auf und führte ab 1985 die vor allem bei jungen Leuten äußerste beliebte „Kajüte“ alleine.
Doch es fingen unruhige Zeiten für das „Kurhaus“ an, es gab eine Insolvenz, Eigentümerwechsel, die Fassade verfiel langsam, und als dann die Commerzbank das Haus notgedrungen übernahm, um nicht noch höhere Verluste einzufahren, kam ein Sanierungskonzept auf den Tisch. Betriebe wie die „Kajüte“ oder auch die „Pilotbar/Cockpit“ fielen dort durchs Raster und das Ende war besiegelt. Nach zehn Jahren „Kajüte“ war am 3. Oktober 1992 Schluss.
Zwanzig Tage später, am 23. Oktober ging es dann weiter, denn Manni eröffnete die „Welle“ unten im Hotel „Bracht“. Hier gab es schon immer eine Gaststätte, die von unterschiedlichen Wirten betrieben wurde, unter anderem von „Onkel Meint“ Habbinga oder Harry Mrotzeck, dem Bruder des legendären „Kuperkannen-Helmut“. Zuletzt wurde es viele Jahre unter dem Namen „Laterne im Tunnel“ von Thomas Buja (1944 – November 1991) und seiner Frau Christel (1942 bis September 1992) geführt. Nach dem plötzlichen Tod von Thomas Buja wurde der „Tunnel“ nicht mehr geöffnet und schließlich an Bone neu verpachtet.
Die „Welle“ wurde innen komplett umgestaltet, so kam der Tresen auf die gegenüberliegende Seite, zuvor lief man darauf zu, wenn man reinkam. Manfred Bone begründete das bei der Eröffnung so: „Hätte ich es so belassen, dann wäre ich immer Manni hinter Thomas seinem Tresen gewesen.“ Wie schon in der „Kajüte“ bildeten auch hier die großformatigen Farbfotos, die Manni selbst aufgenommen hatte, interessante Hingucker.
Die „Welle“ fand von Anfang an viel Anklang, viele werden sich noch an die Konzerte dort erinnern, beispielsweise die „Les Ossis“ zu den Musikfestivals. Auch die Dartturniere zogen immer viele Teilnehmer in das Lokal. Doch ab 2004 begann erst einmal eine schwere Zeit, denn über Mannis Kopf wurde das Hotel „Bracht“ abgerissen, zum Schluss war nur noch das Lokal in der riesigen Baugrube. Trotz Dachpappe standen bei Regenwetter überall im Lokal Auffangeimer, im Winter war es trotz Notheizung immer kalt, und mehrfach musste auch die Feuerwehr anrücken, um die Überschwemmungen abzupumpen. Doch Manni hatte ein treues Publikum, das ihm trotzdem die Treue hielt. Irgendwann nach langer und zäher Bauzeit war das Hotel „Atlantic“ fertig, ab jetzt war die „Welle“ der letzte verbliebene Teil vom alten Hotel „Bracht“, das ganz früher Hotel „Itzen“ hieß.
Ab nun lief alles in geregelten Bahnen, die Wilhelmstraße war eine attraktive Kneipenstraße, angefangen bei „Börnie“, „Bant Eyland“, „Welle“, „Spelunke“ und der „Frischen Brise“ an der Kirche. Wirt Bone hat in den vierzig Jahren alles richtig gemacht, während andere Juister Gastwirte körperlich am eigenen Betrieb scheiterten oder sogar dran verstarben, hat Manni immer so gelebt, dass er unbeschadet in den Ruhestand gehen konnte. Zudem hatte er sich beizeiten eine Wohnung auf Juist gekauft und während seines Berufslebens abgezahlt, so dass er nun im Ruhestand weiterhin auf Juist leben kann. Den Wechsel vom Fotografen zum Wirt hatte er nie bedauert, wobei die Fotografie zeitlebens sein Hobby blieb, denn auf die entsprechende Frage, antwortete er nur: „Wir haben immer sehr viel Spaß gehabt.“
Es ist auch davon auszugehen, dass Manfred Bone uns unter Umständen noch sehr lange erhalten bleibt. Er ist bekennender Fan von Schalke 04, diese waren 1958, also ein Jahr vor seiner Geburt, Deutscher Meister. Manni sagt immer, er will es auf jeden noch erleben, dass Schalke auch zu seinen Lebzeiten Deutscher Meister wird. Beim aktuellen Abstiegsplatz Nr. 18 und damit Tabellenschlusslicht wird er sich wohl noch etwas länger gedulden müssen.
„Ich bedanke mich bei all meinen langjährigen Freunden und Gäste für ihre jahrelange Unterstützung“, sagt Manfred Bone zum Ende des letzten Welle-Abends am Neujahrsmorgen. Die „Welle“ war nun Juister Geschichte, es gab wohl noch einen Vorstoß des Bürgermeisters, die Gaststätte erhalten zu wollen, doch konnte keine Einigkeit darüber mit dem Atlantic-Eigentümer erzielt werden. Bone vermutet, dass auch sehr ambitionierten Pachtforderungen ein Grund dafür sein könnten.
In jedem Fall fehlt beim gastronomischen Angebot die „Welle“, nicht nur für Gäste, sondern vor allem für Insulaner und Mitarbeitern. Juist hat eine sehr gute Gastronomie mit hervorragenden Restaurants, aber keine Insel hat nun weniger einfache Bier- und auch Raucherkneipen als Juist. Selbst auf der kleinsten Insel Baltrum sind die Möglichkeiten vielfältiger.
Im „Bant Eyland“ ist der Lebensmittelmarkt Gillet & Söhne, aus „Börnie“ wurde das „Land unter“, was mehr von Gästen angenommen wird, aus der „Frischen Brise“ wurden Personalwohnungen und aus der „Wunder-Bar“ sind Lagerräume für das Hotel „Strandburg“ geworden. Insulaner-Stammtische wie früher im „Kompass“ (jetzt „Carl-Steakmann“) oder „Westend“ (jetzt Deichhotel Rose“) fehlen ebenso wie der gemütliche Insulanertresen im „Kiebitzeck“ (jetzt Kiebitzeck-Ferienwohnungen) im Loog, und jetzt eben die „Welle“, die nicht mehr da ist. Bones letzter Mitarbeiter konnte glücklicherweise sofort in der „Spelunke“ anfangen, doch schon jetzt ist abzusehen, dass dieses eine Kneipe in der Hauptsaison die fehlende „Welle“ nicht auffangen kann.
Unser aktuelles Foto auf der Startseite wurde vor einigen Tagen aufgenommen und zeigt Manfred Bone in den neuen Geschäftsräumen vom „Juistart“ im „Haus des Kurgastes.“
Alle anderen Bilder sind ältere Archivfotos:
Bild Nr. 2 zeigt einen Blick in die „Kajüte“ im Kurhaus, wo Manni die ersten zehn Jahre als Wirt tätig war. Noch heute gibt es eine Facebook-Gruppe, wo sich die damaligen Kneipenbesucher versammelt haben und wo ab und an nochmal alte Bilder auftauchen.
Bild Nr. 3 zeigt den (heute dichtgemauerten) Eingang zur „Kajüte“
Bilder Nr. 4 und 5: Der junge Manni während der Kajüten-Jahre.
Bild Nr. 6: Aufkleber wurden zum letzten Kajüten-Tag aufgelegt
Bild Nr. 7: Blick auf das Hotel „Bracht“ im Winter mit dem Zugang zur „Welle“.
Bilder Nr. 8: Foto aus dem Winter 2004/2005 – Abriss vom Hotel Bracht, nur die „Welle“ bleibt stehen.
Bild Nr. 9: Die Kellerplatte vom Hotel „Atlantic“ ist gegossen, ab nun war die „Welle“ wieder etwas besser vor der Witterung geschützt.
Bild Nr. 10: Blick in die „Welle“, deren Räumlichkeiten jetzt total entkernt wurden.
JNN-FOTOS/ARCHIVFOTOS: STEFAN ERDMANN, RAINER KOLBE, PRIVAT MANFRED BONE