„So etwas wie mit dem Haus Frerichs darf uns nicht nochmal passieren,“ ärgert sich Bürgermeister Dr. Tjark Goerges. Das Haus sei plötzlich verkauft gewesen und, so der Verwaltungschef bei einem Pressegespräch: „Wir als Kommune sind nicht gefragt worden, ob wir das Haus kaufen möchten. Rechtlich sehen wir keine Möglichkeiten, hier ein Vorkaufsrecht nach BauBG anwenden zu können.“
Wie JNN erfahren hat, wurde das Haus in der Gräfin-Theda-Straße, welches seit rund zehn Jahren leer steht, an die Firma Kuhlmann verkauft, ohne dass es vorher ein Signal an die Insel gab. Da es sich um ein attraktives Gebäude mit vielen Räumen handelt, gab es durchaus Interessenten in den Reihen der Juister.
Ein großes Hotel zum Bespiel hatte schon länger sein Interesse bekundet, da man dringend weitere Personalunterkünfte benötigt. „Wir wurden erst immer wieder vertröstet und sind zum Schluss bei Nachfragen gleich abgewimmelt worden“, ärgert sich die Hotelinhaberin (Name der Redaktion bekannt), deren Familie seit Generationen in der Beherbergung und Gastronomie tätig ist.
Und auch die Genossenschaft „Juist – Infrastruktur und Wohnen eG“, die sich für die Schaffung von Dauerwohnraum auf Juist einsetzt, blieb außen vor, so Vorstandsvorsitzender Gerhard Jacobs auf JNN-Nachfrage: „Unsere Genossenschaft hat durch die Presseanfrage vom Verkauf der Immobilie erfahren. Leider hatten wir im Vorfeld keine Gelegenheit, mit der Eigentümerfamilie über einen Erwerb der Immobilie zu verhandeln.“ Nicht das erste Mal. Auch bereits im letzten Jahr sei eine Immobilie im Ortszentrum scheinbar direkt an einen Erwerber vom Festland gegangen, ohne anderen Insulanern, der Gemeinde oder auch der Genossenschaft die Chance zu einem Gespräch einzuräumen, zeigt sich Jacobs enttäuscht. Und die Entwicklung geht weiter: „Gleiches dann offensichtlich auch kürzlich im Ostdorf.“
„Bisheriger Dauerwohnraum fällt dann meistens ersatzlos weg, was den Mangel an Dauerwohnraum weiter anheizt. Wir machen niemandem einen Vorwurf seine Immobilie zu verkaufen, aber es sollte obligatorisch sein, zumindest ein Angebot von der Insel einzuholen“, stellt der Genossenschaftsvorsitzende klar.
„Wir prüfen gegenwärtig die rechtlichen Rahmenbedingungen, wie wir in Zukunft eine Möglichkeit für andere Objekte schaffen könnten, was allerdings recht schwierig erscheint“, so der Bürgermeister. Eine solche Option sieht er in dem Wohnmobilierungsgesetz. Dazu muss das Land Orte oder Städte benennen, wo Wohnraum fehlt. Die Inseln würden in jedem Fall dazu gehören.Wenn es entsprechende Verordnungen gibt, müsse der Rat diese als Satzung für die Insel beschließen, am Ende wäre es dann so, dass bei jedem Objektverkauf zuerst die Gemeinde gefragt werden müsse. An diesem Projekt sei er dran, so Goerges: „Das werden wir dann dem Gemeinderat vortragen und über weitere Schritte beschließen.“
Zudem müsse man die bisherigen Eigentümer stärker in die Pflicht nehmen, so der Verwaltungschef weiter. Dieser Weg wird auch von der Wohnungsbaugenossenschaft beschritten. Gerhard Jacobs: „Grundsätzlich stehen wir mit unseren Vorstandsmitgliedern jederzeit für Gespräche zur Übernahme einer Immobilie auf der Insel zur Verfügung. Durch die bisher eingeworbenen Geschäftsguthaben sowie den Bürgschaftsrahmen der Inselgemeinde sind wir schnell in der Lage, ein verbindliches Feedback zu geben. Auch sind vielfältige Möglichkeiten vom einfachen Verkauf, über Wohn-, Nießbrauch- oder Rückkaufsrechte möglich.“
Auf Juist fehlt sehr viel Mietwohnraum, wie leider auf den anderen Inseln auch. Der Ausverkauf auf Juist, wo viele inhabergeführte Häuser verkauft wurden, hat die Situation weiter verschärft, bedauert Jacobs. Weiter heißt es: „Bisher konnte unsere Genossenschaft sechs Familien eine dauerhafte Wohnung vermieten in einem Gebäude, welches von einer Juister Familie erworben wurde. Vier weitere Wohnungen sind für das nächste Jahr in einem Neubau in der Gartenstraße geplant. Auch entwickeln Genossenschaft und Inselgemeinde weitere Ideen für zukünftige neue Projekte, die aber noch viel Zeit benötigen (z.B. Dauerwohnraum zwischen OT-Lager und Friedhofsweg). In den vergangen Jahren wurden zudem einige andere Objekte geprüft und Vorschläge ausgearbeitet, die aber leider nicht umgesetzt werden konnten.
„Wir bitten jeden, der gegen den Ausverkauf auf unserer Insel ist, um Mithilfe. Bei Fragen oder Wünschen zur Weiterführung des eigenen Hauses beraten wir gerne“, so Jacobs, „ebenfalls erarbeiten wir Lösungsansätze nach den Wünschen der Eigentümer, diskret und unverbindlich. Wenn Juist weiterhin lebenswert bleiben soll, brauchen wir zusätzlichen bezahlbaren Wohnraum. Gemeinsam müssen wir an diesem Ziel arbeiten.“
Die Genossenschaft „Juist – Infrastruktur und Wohnen eG“ wurde Anfang 2015 gegründet mit dem Ziel der Förderung und Verbesserung der Wohnraumsituation. Dabei ist es den Genossen aber auch wichtig, nicht in den Preiswettbewerb mit einheimischen Immobilieninteressenten zu treten. Jacobs: „Auch ist es schwierig, offensiv, auf Verdacht, Immobilieneigentümer auf mögliche Verkaufsabsichten anzusprechen. Schließlich handelt es sich oft um die eigene Altersvorsorge, Familienbetriebe über Generationen oder das aufgebaute Lebenswerk und damit sehr emotionale Themen. Gerne dürfen sich jedoch Verkaufswillige vertrauensvoll an unsere Vorstandsmitglieder wenden. Wir können eine diskrete Behandlung des Anliegens zusagen.“ Neben Gerhard Jacobs gehören auch Jens Heyken und Hauke Janssen-Visser zum Vorstand der Genossenschaft.
JNN-FOTO: STEFAN ERDMANN