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News: JNN-RÜCKBLICK: Die schwere Sturmflut von 1962

Beigetragen von S.Erdmann am 22. Feb 2022 - 17:32 Uhr

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Vor 60 Jahren gab es in der Nacht vom 16. auf den 17. Februar in derNordsee eine sehr schwere Sturmflut, die bis heute unvergessen ist. 347 Personen ertranken oder erfroren als Folge der Flut, davon 315 alleine in Hamburg. Zusammen mit der Nordwest-Zeitung erinnert JNN in einer mehrteiligen Serie in Wort und Bild an diese Flut, wobei wir uns darin mit den Ereignissen hier auf Juist beschäftigen. Hier nun der zweite Teil.

Außerhalb des Ortes stellte sich die Lage indes viel schlimmer dar. Zwischen Flugplatz und Ort war alles unter Wasser, die Bewohner des damaligen Segelflughorstes (heute Jugendbildungsstätte Theodor Wuppermann) waren auf sich alleine gestellt. Damals gab es dort noch keinen Deich, als die Häuser voll liefen und teilweise beschädigt wurden, verbrachten die dort lebenden Personen die Nacht im damaligen Tower, der aus Holz gebaut war.

Wo im Westen das Wasser zuerst einbrach, darüber gibt es widersprüchlich Angaben. Der damalige Schulleiter Willy Troltenier schreibt in seinem Buch „Juist – gestern und heute“, dass das Wasser zuerst im Dellert, dem Bereich, der sich gleich westlich vom Ort anschließt, eingeflossen sei. Schnell seien die damaligen „Cramers Gärten“ vollgelaufen. (In diesen tiefer gelegenen Gärten auf der Höhe zwischen dem späteren Hotel „Hultsch“ und dem jetzigen Bauhof war später unter anderem auch die Spedition Kannegieter angesiedelt, bevor diese anschließend an die Flugplatzstraße umzog. Heute stehen dort drei – mit dem Grundstück des ehemaligen Kinderheimes „Bergisches Land“ – vier große Häuser mit Eigentumswohnungen, die sogenannten Porsfeld-Häuser.) Auch durch die Veranda vom Hotel „Seeblick“ strömte 1962 das Wasser, hier stand das Wasser dann auf der Billstraße auch so hoch, dass kein Durchkommen mehr war.

Gerd Rose hingegen hat für das Jubiläumsbuch herausgefunden, dass das Wasser erst im Loog eingebrochen war und erst später die Billstraße. Da Zeitzeugen immer nur an einem Ort gewesen sein konnten, lässt es sich wohl nicht mehr genau klären. Der im Loog lebende Autor Jochen Büsing beschreibt in seinem Buch „Im Loog“ die Situation so: „Aufgrund des fehlenden Deiches….ergossen sich die Wassermassen über die Wege und zwischen die bereits stehenden Häuser an der Störtebekerstraße. Vor allem zwischen dem Haus „An´t Loogster Diek“ (früher Müller, zu der Zeit lebte der Juister Maler Hans Buss dort mit seiner Familie) und dem rechten Nachbarhaus (Schomburg) floss das Wasser ins Loog. Wie Warften auf einer Hallig standen diese Häuser von der aufgepeitschten See umringt auf den Dünen.“

Auch Christa Erdmann, die Mutter des Verfassers, erinnert sich noch gut an diese Nacht. Sie stand auf den höher gelegenen Dünen an der Jugendherberge und blickt von dort auf die Störtebekerstraße: „Es war unheimlich. Die Nacht war stockdunkel, man konnte nichts sehen, aber überall hörte man das Wasser.“ Gut erinnert sie sich aber noch daran, dass der wohl tiefste Punkt im Loog trocken blieb, nämlich die Gaststätte „Delfter Stuben“. Unten im Haus „Delft“ gelegen ging man vier Stufen runter die die Gaststube von Gesine und Siegfried Hollander. Hier war die „Einsatzzentrale“ für das Loog und die Männer sorgten dafür, dass ausreichend Sandsäcke zum Schutz verlegt und überwacht wurden.

Zu der Zeit begann gerade die Erschließung des Loogs, 1962 gab es die ersten Neubauten. Zwar liefen einige der Keller von den in Bau befindlichen Häusern voll, aber ansonsten entstanden nur kleinere Schäden.

Es gab auch einen Todesfall im Zusammenhang mit der Sturmflut. Ebenfalls in der Störtebekerstraße lebte Bernhard Schmaltz mit seiner Frau. Er war seit 1930 Pastor auf Juist, aber seit zwei Jahren im Ruhestand. An diesem Abend war er zum Essen bei Familie Paul, den damaligen Herbergseltern, eingeladen. Die Herbergseltern bewohnten damals immer ein Wohnhaus auf dem Gelände der Jugendherberge, direkt neben dem großen Fahnenmast auf einer Düne gelegen. Nach hinten war die Störtebekerstraße (die damals aber noch nicht so hieß) und davor noch ein tiefer Garten (dieser gehörte viele Jahre lang Inselarzt Dr. Heinz Kiefen, heute ist das Grundstück bebaut und im Eigentum von Gaby und Stefan Danzer). Auf der Südseite der Straße war das Haus von Schmaltz, eines der wenigen reedgedeckten Häusern auf Juist.

Als das Wasser kam, wurde dem Pastor nahegelegt, nach Hause zu gehen, bevor das Wasser den Rückweg abschnitt, was er dann auch tat. Ob er direkt nach Hause und dann zur Nachbarsfamilie Lang oder direkt dorthin ging, ist nicht bekannt. In jedem Fall erlitt er dort im Haus einen Herzanfall oder Herzinfakt, als die Flutwelle ins Loog einbrach. Da die Billstraße als einzige Verbindung zum Loog zu dem Zeitpunkt auch für Feuerwehrfahrzeuge und dem DRK-Bulli unpassierbar war, mussten eine andere Lösung her. Es gab indes noch die alte fahrbare Transporttrage auf zwei großen Rädern, die man im Volksmund nur „Pestkarre“ nannte.

Gerrit Riepen, damals 16 Jahre alt, war bei der Aktion, den Pastor aus dem Loog zu holen, dabei und erinnert sich. Er kam damals spät nach Hause, weil der an der Wilhelmshöhe seinem Onkel half, eine Kuh aus dem Wasser zu holen und ins höher gelegene Pumpenhaus zu bringen, ebenso half er beim Abdichten des Jaguarpads, zudem wurde ein Damm aus Sandsäcken auf dem Dünenweg von der Flugplatzstraße zum Wohnhaus der Familie Bittorf/Reinhardt gebaut.(Das Haus gibt es nicht mehr, es stand damals östlich des Schießstands in den Dünen). Riepen: „ Als ich nach Hause kam, war meine Mutter total aufgeregt und sagte: "Der Papa kommt nicht wieder, der ist mit Ernst Brandt den Pastor Schmaltz zum Doktor holen. Der hat aus seinem Haus geguckt, rundum Wasser, und hat einen Schlag gekriegt!"

Gerrit hat dann seine große Taschenlampe genommen und los. Die Männer waren mit der „Pestkarre“ noch ins Loog gekommen. Der Wagen hatte auf jeder Seite Griffe und eine Segeltuchhaube mit einer Glasscheibe oben im Deckel. Zurück ging es damit aber nicht mehr, denn ab dem Haus „Wega“ (das östlichste Haus im Loog, heute steht dort ein großes Haus im englischen Landhausstil) gab es nur noch den Weg durch die Dünen. „Mit vier Mann, jeder einen Griff auf der Schulter, ab Siedlung sogar in die Norddünen und bis zur Inselschule“, so erinnert sich Gerrit Riepen weiter. „Dünen hoch, Dünen runter. Ich habe mit meiner Stablampe geleuchtet, damit das überhaupt ging. Karl Heiken hatte bei Hotel „Seeblick“ mit seinen Fuchsbagger einen Damm gebaut, mit den Dünen südlich der Billstraße.“ So kamen sie schließlich im Dorf beim damaligen Inselarzt Dr. Hero van Lessen an. Leider verstarb Pastor Schmaltz am Tag nach der Sturmflut.

Weitere Todesfälle im Zusammenhang mit der Sturmflut gab es auf Juist glücklicherweise nicht. Es entstand sogar neues Leben in dieser Nacht, davon mehr im dritten Teil.

Zu unseren Fotos:

Die erste Foto zeigt das Hotel „Seeblick“ (später Hultsch) am Tag danach, gut zu erkennen der Deich, den Bauunternehmer Heiken mit seinem Bagger noch aufgeschichtet hatte.

Bild 2 wurde von dem Hotel in der Nacht aufgenommen.

Bild 3 – auch heute noch gut zu erkennen – das Seeferienheim. Auch hier ist die Billstaße sehr tief und das Wasser drang hier ein.

Bild 4 – ebenfalls an der Billstraße, nach der Flut aufgenommen. (v.l.n.r.) Haus "Gerh. Kleen" (heute „Haus ohne Namen“), Pension "Meyenburg" (auch heute noch im Besitz der Familie Meyenburg), "Haus in der Sonne" (heute Ferienwohnungen eines Arztes aus Hannover), Müttergenesungsheim (heute Kurzentrum Die Insel).

Bild 5 – Störtebekerstraße im Loog, ganz links oben ist das Haus der Herbergseltern der Jugendherberge zu sehen.

Bild 6 – nochmal die Störtebekerstraße, Blick auf den Fuhrbetrieb von Herbert Munier.

Bild 7 – Zwischen dem schiefergedeckten Haus von Dr. Ulrich und dem gelben Haus von Schomburg (damals Imhaber von Wittekind-Fahrräder) lief das Wasser in die damals noch unbefestigte Störtebekerstraße.

Bild 8 – Auch zwischen Schomburg und dem Haus "An´t Loogster Diek" (Müller) floss das Wasser, ein Haus weiter wohnte Pastor Schmaltz.

Bild 9 – Das Haus „Neufundland“ von Familie Buss stand damals mit dem Nachbarhaus „Memmert“ von Familie Leege ziemlich alleine am östlichen Loogster Pad. Die gegenüberliegenden Häuser, von wo dieses Bild gemacht wurde, gab es noch nicht. In der Sturmflutnacht stand das Wasser bis kurz vor der Haustür.

Bild 10 – Dieses Bild ist nicht von der Sturmflut, es zeigt aber die früher zum Krankentransport verwendete fahrbare Krankentrage, sie sogenannte „Pestkarre“.

JNN-ARCHIVFOTOS: HEIMATVEREIN JUIST/FOTO BRUNKE, JOHANN ERDMANN, SAMMLUNG JOACHIM RUST

 
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