Auch auf der Insel Juist stand der diesjährige Volkstrauertag – auch Friedenssonntag genannt - ganz im Zeichen des Krieges in der Ukraine. Allerdings hielt sich die Zahl der an der Gedenkstunde Interessierten in sehr engen Grenzen. Vor der Kranzniederlegung am Ehremal an der evangelischen Inselkirche, ging Juists Bürgermeister Dr. Tjark Georges explizit auf das Thema ein: „Leider sind wir von unserem Ziel „Nie wieder Krieg“, was nach zwei schweren Weltkriegen immer unsere Divise war, heute wieder sehr weit entfernt.“
Nur rund 30 Personen fanden sich in der Kirche zur Gedenkfeier ein. Nachdem der DRK-Ortsverein mangels Mitgliedern schon seit einigen Jahren nicht mehr dabei war und die Zahl der teilnehmenden Feuerwehrleute und Schützen ebenfalls stark gesunken war, wurde nun auf die Teilnahme durch die Inselvereine ganz verzichtet. (Anmerkung: Der Verfasser als Mitglied der Feuerwehr erinnert sich noch daran, dass in den 70er und 80er Jahren noch am Volkstrauertag siebzig bis achtzig Mitglieder der drei Vereine/Institutionen vor dem Hotel „Bracht“ antraten, um gemeinsam zur Kirche und Kranzniederlegung zu marschieren). Von der Gemeinde waren so heute nur Bürgermeister Dr. Tjark Goerges, dessen Stellvertreter im Amt, Thomas Vodde, und der stellvertretende Bürgermeister Meint Habbinga anwesend.
Die Gedenkstunde begann wie in jedem Jahr mit dem Gottesdienst, der in diesem Jahr von dem jungen Kurprediger Thorsten Schreiweis unter der musikalischen Begleitung von Kantor Stephan Reiß abgehalten wurde. Auch hier war dessen Predigt dem Thema angepasst, wobei der Wochenspruch gut passte: „Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi“. Leider gäbe es auch heute noch Richter auf dieser Welt, die sich über Gerechtigkeit hinweg setzen und Unrecht sprechen. Als aktuelles Beispiel führte Schreiweis das Regieme im Iran an, das sich dort als Richter präsentiert und behauptet, die Demonstranten „führen einen Krieg gegen Gott.“ Vor diesem und allen anderen aktuellen Konflikten sei es ein Gebot der Stunde, „gemeinsam und mit Liebe, Glaube und Hoffung heute Frieden zu schaffen.“
Der Volkstrauertag, an dem früher in erster Linie an die Opfer dieser Weltkriege erinnert würde, habe durch die Invasion der Russen in der Ukraine in diesem Jahr eine andere Bedeutung, so Goerges in seiner Ansprache. „Der Krieg ist plötzlich so nah. Die Entfernung Berlin – Brüssel ist nicht größer als die Distanz Berlin – Grenze zur Ukraine.“ Auf Juist würde viel getan, denn 97 Flüchtlinge aus der Ukraine wären dank privater Initiativen auf der Insel, hätten Unterkünfte und Arbeit. Er sprach allen den Dank aus, die das möglich machten. Die Zahl der Flüchtlinge aus der Ukraine nehme jetzt im Winter noch zu, und die Unterbringe stelle Kommunen und Kreise vor große Herausforderungen. Juist brauche sich aber nicht zu verstecken, denn gemäß dem Verteilercode, dem sogenannten „Königssteiner Schlüssel“, habe die Insel die Zahl deren, die sie aufnehmen müsste, bereits doppelt erfüllt. „Doch wo man kann, muss man weiter helfen im Kampf für Frieden und Demokratie,“ so Goerges weiter, der die Gedenkfeier auf der Insel mit den Worten von Willy Brandt schloß, der im November 1981 sagte „Frieden ist nicht alles, aber alles ist ohne Frieden nichts“.
Unser Foto zeigt Bürgermeister Dr. Tjark Goerges vor dem Ehrenmal, nachdem er gemeinsam mit Thomas Vodde den Kranz vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge abgelegt hatte. Die direkte Nähe zu den Namen der im 1. und 2. Weltkrieg gefallenen Juister nahm er zum Anlass, auch nochmal an das große Leid zu erinnern, welches die beiden Weltkriege verursacht hatten. Auch auf Juist gab es wohl keine Familie, die vom Verlust von – meist männlichen -Angehörigen verschont geblieben war.
JNN-FOTOS: STEFAN ERDMANN