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News: „Der gute Fritz“ stand im Mittelpunkt vom Terrassensaal

Beigetragen von S.Erdmann am 05. Okt 2022 - 14:08 Uhr

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Ist Friedrich Schiller (1759 – 1805) heute noch aktuell? Eine Frage, mit der sich der Juister Inselkantor Stephan Reiß schon rund zehnmal in diesem Jahr beschäftigt hat, wenn der seinen unterhaltsamen Abend „Schiller – Gedichte hören, sehen und schmecken“ im Terrassensaal der evangelischen Kirchengemeinde zum Besten gab. Das Interesse an Schiller, einem der größten deutschen Dichter, ist ungebrochen, denn der Saal war meistens bis auf den letzten Platz gefüllt.

„Schiller war immer mein Herzensprojekt,“ so Reiß zu dieser Veranstaltung. Auslöser sei „Die Glocke“ (Originalton Reiß: „Der Albtraum ganzer Schülergenerationen“) gewesen, die er als Schüler innerhalb einer Woche auswendig gelernt hatte um seinem Lehrer zu beweisen, ich kann das. Und das kann er heute noch, seine Darstellung der Ballade bildete den Schlusshöhepunkt des Abends. Der Kantor bewies dabei, dass er nicht nur Musik machen kann, sondern auch die Schauspielerei beherrscht. Mal laut, mal ganz leise, mal vorne auf der Bühne, dann hinterm Publikum am Ausgang, wieder hinter einen altertümlichen Stehpult, wechselt er ans Klavier und brachte Absätze musikalisch zu Gehör. Der Schlussapplaus war mehr als verdient.

Reiß schaffte es aber auch, den großen Dichter mit viel Humor darzubringen. „Die Glocke“ sei ihm auch teilweise ein Rätsel: „Warum müssen sich die Pfeifen bräunen, welche Stäbchen tauche ich ein und warum muss der Bruch schön gezackt sein, wenn ich eine Glocke gieße, das erschließt sich einem nicht.“ Man müsse es halt so hinnehmen.

Aus dem großen Schatz, den – so Stephan Reiß – „der gute Fritz“ uns hinterlassen hat, ging er näher auf „Kabale und Liebe“ ein, was „keine barrierefrei Literatur“ sei und wobei er von der Handlung plötzlich auf Luke Skywalker aus Star Wars (Krieg der Sterne) kam. Überhaupt ging es Reiß nicht darum, hier eine Bildungsveranstaltung oder penible Biografie von Schiller zu erstellen, sondern vielmehr um „eine Bühnenshow, die einfach nur Spaß machen soll.“

Auch seine Darstellung von „Die Bürgschaft“, die auf die antike Erzählung „Damon und Phintias“ aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. Zurück zurückgeht und Schiller inspirierte, zog das Publikum bei der letzten Aufführung Anfang dieser Woche in seinen Bann. Und die „Ode an die Freude“ durfte nicht fehlen, denn diese sei – so Reiß – auch von Schiller und nicht von Beethoven: „Beethoven hat sie nur, wie andere Komponisten auch, vertont. Aber er war der einzige, der sie dann an eine Symphonie angehängt hat, womit diese Version bekannt wurde.“

Zum Schluß versöhnte sich Reiß noch mit den weiblichen Zuschauerinnen, denn Schiller sei „schrecklich männerlastig“. In der Zeit des aufstrebenden Bürgertums hatten Frau ihren Platz im Haus und am Herd, daher kämen sie in Schillers Werken immer nur am Rande und meistens ohne Namen vor. Daher verlas er noch zwei Briefe von Schillers Frau Charlotte, geborene von Lengefeld (1766 – 1826), die sie vor ihrer Hochzeit und nach dem frühen Tode ihres Mannes geschrieben hatte. Hätte sie zu einer anderen Zeit gelebt, wäre auch sie sicher eine bekannte Dichterin und Schriftstellerin geworden. Fazit des Abends: Die eingangs gestellte Frage, ob Schiller noch aktuell ist, muss mit einem klaren Ja beantwortet werden.

Die Saison auf Juist geht nun zu Ende, es war der letzten Schiller-Abend hier. Aber in der ruhigen Jahreszeit geht Stephan Reiß mit seinem guten Fritz aufs Festland. Schon jetzt stehen als Aufführungsorte Lilienthal (LK Osterholz bei Bremen), Harsefeld (LK Stade) und sogar Wien fest, wenn alles klappt vielleicht sogar auch Dresden.

Seit acht Jahren ist Kantor Stephan Reiß auf Juist, und er liebt Veranstaltungen und vor Publikum aufzutreten. Neben der Kurverwaltung und dem Nationalparkhaus gehören auch die Kirchengemeinden zu den Anbietern von Veranstaltungen mit einer hohen Veranstaltungsdichte, die gerne von Gästen, aber auch von Juistern oder Mitarbeitern , besucht werden. Musikalische Unterhaltung und Kleinkunst wechseln dabei mit bildenen oder auch helfenden Vorträgen ab. Zudem gibt es immer noch die vom früheren Kantor Carl Haxsen eingeführten Sonntagskonzerte in der Inselkirche von Pfingsten bis Ende September.

In diesem Jahr finden indes noch zwei Konzerte im Oktober statt, so am 16. Oktober um 20.15 Uhr ein Abend mit dem Allround-Pianisten Christian Schällert mit einem Mix aus Pop-Kassikern, Soul, eignen Kompositionen und Gospel, ebenso am Sonntag, den 31. Oktober – dann aber schon um 19.00 Uhr – ein Konzert mit dem Klezmer Duo Martin Kratzsch (Klarinette) und Susanne Sasse (Akkordeon) mit traditionellen Klezmermelodien (Klezmer ist eine aus dem aschkenasischen Judentum stammende Volksmusiktradition, die sich etwa ab dem 15. Jahrhundert entwickelte). Die Oktoberkonzerte sind entstanden, weil der Aufführungsplan im Vorjahr durch Corona stark eingeschränkt werden musste.

Viel Anklang und fast immer einen vollen Saal fand die Konzert- und Kleinkunstreihe, die jeweils montags im Terrassensaal stattfand. Sie bestand aus drei Veranstaltungen, so wechselte sich der Schiller-Abend mit „Wir machen Musik“, einer Revue mit dem Juister Trio Uda Haars, Dirk Weeken und Stephan Reiß und mit „Träumen“, einer weiteren Revue mit Reiß und Birgit Krone-Lohmann, ab.

Bis vor der Coronapause konnten 125 Zuhörer in den Sitzreihen vom Terrassensaal den Veranstaltungen beiwohnen, doch wollte man danach die Menschen nicht mehr so dicht zusammensetzen, so wurden kleine runde Tische angeschaft und die Stühle darum locker platziert. Das hat sich bewährt. „Man kann nun seine Getränke abstellen und insgesamt hat sich die Atmosphäre bei den Aufführungen sehr verbessert“, freut sich Stephan Reiß.

Auch wenn Reiß als hauptamtliche Kirchenkraft als Hauptoranisator tätig ist, ist er sehr dankbar für ein Team von sechs bis acht ehrenamtlichen Helferinnen (in der Überzahl) und Helfern, die sich um die Einlasskontrolle, Getränkeverkauf und -einkauf, Aufräumen, Gläserspülen usw. kümmern. Es klappt hervorragend, so Reiß: „Ohne das Team und dessen großes Engagement wären solche Veranstaltungen gar nicht möglich.“ Zum Schillerabend präsentiert sich das Helfer-Team sogar in historischen Perücken aus jener Zeit.

Wer jetzt Lust bekommen hat und gerne mal im Terrassensaal dabei sein will, am Montag, den 10.Oktober, gibt es um 20:15 Uhr noch einmal „Wir machen Musik“ mit Musik von den Comedian Harmonists über die französische Chansontradition bis hin zu eigenen Liedern und Ensemblenummern. Da die Zahl der Sitzplätze begrenzt ist, sollte man sich vorher unter der Rufnummer 04935-910913 anmelden.

Und wer sich gerne einen Eindruck vom Schiller-Abend machen will, auch das ist möglich, denn auf YouTube gibt es ein etwa zehnminütiges Promovideo. Entweder dort unter „Musik rund um die Juister Inselkirche“ sehen oder direkt unter: https://www.youtube.com/watch?v=JioC3T4Fc_M

Das Foto oben auf der Startseite zeigt Stephan Reiß auf den Schößen seines Mitarbeiterteams, (v.l.n.r.) Dirk Weeken, Uda Haars, Petra Wagner, Heike Westkott und die ehemalige Inselpastorin Elisabeth Tobaben.

Das zweite Foto ist das Plakat/Eintrittskarte zur Veranstaltung, auf der Rückseite übrigens zum gemeinsamen Singen der Text der „Ode an die Freude“.

Die Aufnahmen drei und vier zeigen Stephan Reiß während seiner Vorstellung von Friedrich Schiller.

Auf dem Bild fünf sind Heike Westkott (links) und Elisabeth Tobaben zu sehen, die sich beim Vortragenden bedanken und auf den Ausklang des Abends vorbereiten.

Foto Nr. Sechs zeigt Petra Wagner mit historischer Haartracht beim Ausschank der im Terrassensaal angebotenen Kaltgetränke.

JNN-FOTOS: STEFAN ERDMANN

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