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Nationalparkverwaltung: Wer zu spät kommt ...

Beigetragen von JNN am 17. Jun 2018 - 10:29 Uhr

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In diesem Herbst finden die Zugvogeltage im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer bereits zum 10. Mal statt. In einem Countdown stellen wir monatlich einen typischen Wattenmeer-Zugvogel vor. Der Juni-Beitrag widmet sich dem Knutt - und seinen Problemen mit dem Klimawandel.

Anfang Juni wird es für die noch im Wattenmeer rastenden Knutts höchste Zeit, sich in ihre Brutgebiete hoch im Norden aufzumachen. Die Sommer dort oben sind kurz, da gilt es rechtzeitig anzukommen.

Dieser gedrungene, etwa amselgroße Watvogel brütet in der Arktis, soweit nördlich wie kaum eine andere Vogelart. Außerhalb der Brutzeit lebt er an flachen Küsten mit ausgedehnten Wattbereichen, wo er im Schlick nach Nahrung, vor allem Muscheln, sucht.

Knutts, die sich Anfang Juni noch im Wattenmeer aufhalten, sind auf der Taimyr-Halbinsel im äußersten Norden Sibiriens „zuhause“. Sie haben den Winter entlang der Küste von Mauretanien und Guinea-Bissau, dem Partnerland der 10. Zugvogeltage, verbracht und sind dort Ende April / Anfang Mai aufgebrochen, um im Nonstop-Flug 4000 bis 5000 km ins Wattenmeer zu fliegen – eine unglaubliche Leistung! Dafür haben sie ab März im Winterquartier so viel gefressen, dass sich ihr Gewicht innerhalb weniger Wochen fast verdoppelt hat. Die Vögel sind schließlich so fett, dass sie kaum noch fliegen können. Um wieder leichter zu werden, bilden sie deshalb alle für den Flug entbehrlichen inneren Organe zurück. Dann, bei entsprechenden Witterungsverhältnissen, geht es los. Etwa fünf Tage brauchen die Vögel für den Flug.

Im Wattenmeer wiederholt sich das Spiel. Das Fettpolster, welches sie hier anlegen, übertrifft das vor ihrer Abreise aus dem Winterquartier - schließlich wartet auf die Vögel in der Arktis eine harte Zeit. Wenn die Vögel dort im Juni eintreffen, liegt meist noch Schnee. Insekten, in der Arktis die Hauptnahrung der Knutts, fliegen zu dieser Zeit noch nicht und die anstehenden Aufgaben – Partnersuche, Eiablage, Brüten – kosten viel Kraft. Vorteil für die „Fetten“: Wer im Wattenmeer viel Fett anlegen konnte, ist ausgezehrten Vögeln überlegen. Dieser Umstand verdeutlicht, wie wichtig das Wattenmeer für viele Zugvögel ist.

Der Bruterfolg hängt allerdings auch von anderen Faktoren ab, vom Wetter, dem Vorkommen von Räubern und vor allem dem Nahrungsangebot. Damit die Jungvögel im kurzen Sommer schnell wachsen können, brauchen sie Insekten, viele Insekten. Wer sich schon einmal im Sommer hoch im Norden aufgehalten hat, weiß, dass es dort an Insekten nicht gerade mangelt. Allerdings nur in einem begrenzten Zeitraum: Mit der Schneeschmelze explodiert ihr Bestand, sinkt dann im Verlauf des Sommers aber schnell wieder ab. Am besten ist es, wenn die Küken genau zum Höhepunkt des Insektenvorkommens schlüpfen. Deshalb legen Knutts ihre Eier in der Regel bereits, bevor der Schnee weggetaut ist. Bei einem späteren Brutbeginn erblicken die Jungvögel das Licht der Welt erst, wenn die Insekten schon wieder weniger werden. Aber genau das geschieht zurzeit: Knutts sind immer häufiger zu spät dran! Schuld daran ist der Klimawandel.

Der Frühling beginnt in der Arktis mittlerweile zwei Wochen früher als vor 30 Jahren. Entsprechend hat sich der Höhepunkt des Insektenvorkommens nach vorne verschoben – nicht aber das Eintreffen der Knutts. Ihr Aufbruch im Winterquartier ist genetisch fixiert, sie kommen deshalb mittlerweile oft zu spät im Brutgebiet an. Für die „verspäteten“ Küken steht dann nur noch relativ wenig Nahrung zur Verfügung. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass diese Jungvögel kleiner bleiben und kürzere Schnäbel haben. Das ist im Brutgebiet noch kein großes Problem, Insekten lassen sich mit einem kürzeren Schnabel so gut erwischen wie mit einem normalen. Im Winterquartier aber, wo viele Vögel um begrenzte Nahrung kämpfen, ist der kürzere Schnabel von Nachteil: Die Vögel kommen an die tiefer im Boden lebenden Muscheln nicht mehr heran und müssen sich mit den direkt unter der Oberfläche liegenden Muscheln begnügen, die kleiner sind. Die Sterblichkeit ist bei den kurzschnäbligen Vögeln deshalb merklich höher als bei voll entwickelten. Ein deutlicher Nachweis, dass der Klimawandel sich auf den Bestand einer Vogelart auswirken kann. Die Zukunft wird zeigen, ob der Knutt in der Lage ist, seinen Zeitplan noch rechtzeitig umzustellen. Für Knutts, die sich Anfang Juni noch im Wattenmeer aufhalten, wird es in Zukunft jedenfalls kaum noch Aussichten auf eine erfolgreiche Brut geben.

Wenn die Knutts im Herbst, auf dem Rückweg ins Winterquartier, im Wattenmeer rasten, bringen sie uns diese Geschichte vom Klimawandel in der Arktis mit. Bei den 10. Zugvogeltagen können Sie daran Anteil nehmen und mehr darüber erfahren.

TEXT: RENO LOTTMANN
JNN-FOTO: MARKUS SÄFKEN

Reno Lottmann, Künstler und Ornithologe, ist von Anfang an maßgeblich an der Ausgestaltung der Zugvogeltage im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer beteiligt.

 
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  1. http://juistnews.de/artikel/view/Main/Nationalparkverwaltung/
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