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News: Zeitalter des „Schweigens der Hörner“ beginnt auf Juist

Beigetragen von S.Erdmann am 18. Nov 2018 - 19:06 Uhr

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Die Insel Juist verabschiedete am Freitagnachmittag ihren Lieblingskapitän. Der Norder Kapitän Theodor Itzenga geht nach 38 Jahren Fahrzeit bei der Reederei Norden-Frisia zum Jahresende in den Ruhestand, am Freitag war sein letzter Arbeitstag auf seiner „Frisia IX“. Es ging natürlich Richtung Juist, wo ihm die Insulaner einen großen Abschied machten.

Bereits auf der Fahrt nach Juist bedankte sich „Theo Tuut“, wie er von Juistern und Gästen nur genannt wird, bei allen Stammgästen der Reederei, seinen Kollegen und den Insulanern. Sein Fazit: „Es war eine fantastische geile Zeit, es war mir eine Ehre, die Insel bedienen zu dürfen.“

Zur Verabschiedung hatten sich viele Juister am Hafen versammelt, die Geschäftsstelle Juist wurde festlich beflaggt und im elektronischen Fahrzeitenanzeiger war „Ein letztes Mal mit Theo Tuut nach Norddeich“ zu lesen. Die Freiwillige Feuerwehr hatte mit drei Löschfahrzeugen Stellung bezogen, um Theo mit Martinshörnern, Blaulichtern und einer Wasserfontäne zu ehren. Neben dem Juister Rettungsboot „Hans Dittmer“ kam auch der Norderneyer Seenotkreuzer „Eugen“ – unter dem Kommando von Vormann Gerhard „Taucher“ Schwips – in den Inselhafen, um den sichtlich bewegten Kultkapitän lautstark mit ihren Schiffshörnern zu verabschieden.

Bereits Ende Oktober hatte Theo sich von seinen Freunden, Arbeits- und Berufskollegen verabschiedet und einen Abend zum Ausstand auf die „Frisia IX“ geladen. Da die „Frisia II“ und „IX“ in den letzten Jahren sehr oft an Wochenende gemeinsam auf Juist lagen, hatte er den Termin so gewählt, dass zum letzten Mal in der abgelaufenen Saison diese Konstellation noch mal anlag und alle dran teilnehmen konnten. Zudem waren zahlreiche ehemalige Besatzungsmitglieder und Kollegen vom Festland für den Abend nach Juist gekommen.

Der aus Pilsum stammende Schiffsführer ist sein ganzes Leben zur See gefahren. Erst in der großen, also der weltweiten Fahrt, wobei er unter anderem als Schiffsoffizier auf einem Schwesterschiff der „Cap San Diego“ fuhr. Es gab damals sechs Schiffe dieses Typs, nur die Diego gibt es heute noch als Museumsschiff in Hamburg. Am 1. April 1980 tauschte er dann die weite Welt gegen das ostfriesische Wattenmeer ein und begann als Steuermann bei der Reederei Norden-Frisia.

Gerne erinnert sich Itzenga an die Anfänge dort, denn er kam erst einmal auf die Norderney-Fähre „Frisia I“ zum damaligen Kapitän Bernhard Eilers. Itzenga: „Wer bei Berni Eilers als Steuermann fuhr, der konnte anschließend fahren“. Eilers gehörte zu den Kapitänen, die immer bemüht waren, neue Leute „an die Hebel“ zu lassen, damit sie das Fahren und Manövrieren anschließend beherrschten. Schon sehr schnell konnte er die Fähre problemlos alleine fahren, und so hielt Theo es auch in seinem weiteren Berufsleben. Heute sind junge Steuermänner, die auf der „Frisia IX“ waren, ebenfalls in der Fahrpraxis fit.

Schon bald wurde er zum sogenannten Ablöse-Kapitän, das sind Schiffsführer ohne eigenes Stammschiff, diese werden als Vertreter jeweils auf die Einheiten geschickt, wo der Stammkapitän auf Freitörn ist. Hier lernte er alle Schiffe der Reederei kennen, neben den Norderney-Fähren auch die vier Juist-Schiffe, zudem machte er einen Sommer Dienst auf dem damaligen Helgoland-Schiff „Frisia III“.

Zunehmend legte Itzenga sein Augenmerk auf den Juist-Verkehr, neben seinem zukünftigen Stammschiff „Frisia IX“ war er auch auf der „Frisia II“ und „Frisia VI“ zuhause. Auch die „Frisia X“, die gerne bei extremen Wetterlagen eingesetzt wird, lernte er kennen. „Die Juist-Fahrt ist jeden Tag anders, es wird nie langweilig“, hatte er mal als Begründung für sein Juist-Faible gesagt. Als im Sommer 1997 der Norder Kapitän Gerhard Thomas in den Ruhestand ging, erhielt er das Kommando auf der „Frisia IX“, dass er bis vergangenen Freitag nicht mehr abgegeben hatte.

Von den Juistern wurde Theo Itzenga sehr dafür geschätzt, dass er sich immer und besonders auch bei schlechten Wetterlagen mit Sturm, Ostwind und Niedrigwasser oder bei Eisgang um die Anbindung der Insel sehr bemühte. Sein Motto war hier immer „Wir fahren erst mal los und probieren es, umdrehen kann man immer noch.“ Auch wurde es ihm immer hoch angerechnet, dass er sich bei den Fahrplankonferenzen immer sehr für die Belange der Insel stark machte.

In die Inselgeschichte eingegangen ist dabei auch eine Begebenheit, als die Juister Vereine zum alljährlichen Treffen „Insulaner unner sück“ wollten. Dazu musste man innerhalb einer Tide nach Norddeich, mit dem Bus nach Harlesiel und per Schiff nach Wangerooge. Bei dem herrschenden starkem Ostwind und niedrigem Wasserstand fast unmöglich. Damals war das Nordlandfahrwasser zwar weiter, aber tiefer, so das Itzenga diesen Weg als einzig mögliche Option sah. Doch auch hier kam die „Frisia IX“ fest, da die Flut noch nicht weit genug aufgelaufen war. Der Kapitän forderte per Lautsprecher alle Fahrgäste auf, sich auf das Vordeck zu begeben, damit sich das Schiff hinten weiter aus dem Wasser hob. Da das auch kaum half, ließ der die Personen auf dem Vordeck auf Kommando gemeinsam auf- und abspringen. Mit Erfolg, Meter für Meter schob sich die Neun bei jedem Sprung weiter über die flache Stelle in tieferes Wasser. Die Juister kamen zwar auf die allerletzte Minute, aber doch noch rechtzeitig in Harlesiel an.

Nicht unerwähnt bleiben sollte auch die Freundschaft zwischen dem Kapitän und dem vor zehn Jahren verstorbenen Juister Bürgermeister Karl-Josef Wederhake. Dieser war trotz seiner Tätigkeit auf Juist weiterhin im Karneval in seiner Heimatstadt Beverungen aktiv. Beide organisierten so mehrere Jahre lang gemeinsame Fahrten mit den Besatzungsmitgliedern, anderen Reedereikollegen oder befreundeten Juistern zur jährlichen Prunksitzung des Karnevalsvereins „Weserbrücke“ in Beverungen. Wer daran einmal teilnehmen durfte, vergaß diese Wochenenden nicht mehr.

Markenzeichen von Itzenga war das lange Achtung-Signal, welches er immer bei der Einfahrt in den Juister Hafen mit dem Schiffshorn gab. Hier kommt auch der Name Theo Tuut her. Wer zur Schiffsankunft musste, setzte sich nach dem Signalton auf das Rad und war pünktlich am Hafen. Noch vor einem halben Jahr musste das abgängige Typhon der „Frisia IX“ erneuert werden.

Auch für die Gäste gehörte das Ritual mit dem Horn ebenso dazu wie das Musikstück „Biskaya“ von James Last beim An- oder Ablegen. Und auch das Fernsehen rückte gerne und öfters mit Kameras und Mikrophonen auf der Brücke der „Frisia IX“ an, wenn sie etwas aus der Region filmen wollten. Der große bärtige Seebär verkörperte für die TV-Macher immer den „Bilderbuchkapitän“, den man den Zuschauern glaubhaft anbieten konnte.

Nach Gerhard Thomas und Theodor Itzenga wird nun Markus Laupichler der dritte Stammkapitän der 1980 gebauten „Frisia IX“ werden. So lief das Schiff am Samstag dann auch ganz ruhig in den Juister Hafen ein. Ein Juister formulierte es so: „Nun beginnt hier das Zeitalter vom Schweigen der Hörner“.

Die ersten fünf Fotos entstanden beim letzten Ablegen der „Frisia IX“ unter dem Kommando von Theo Tuut.
JNN-FOTOS: STEFAN ERDMANN (4), NICOLE KATTWINKEL (1)

Die vier letzten Fotos sind Archivfotos, das erste und älteste Bild zeigt Theo Tuut auf der (damals noch offenen) Brückennock der „Frisia II“. Das Foto entstand im Januar 1996, als starker Eisgang den Juist-Verkehr zum Erliegen gebracht hatte. Norderney konnte nur während der Hochwasserzeit angelaufen werden, dieses geschah mit „der Zwei“, wo Theo in dem Winter das Kommando hatte, da Stammkapitän Edelt Peters Freitörn hatte.

Ein weiteres Foto wurde vor einigen Jahren auf der „Frisia X“, aufgenommen, als Theo bei starkem Eisgang damit nach Juist fuhr und unterwegs gleichzeitig ein Interview mit einem Redakteur von Radio Bremen führte.

Das vorletzte Bild entstand 2004 in Beverungen bei einer der Karnevalstouren in die Heimatstadt des früheren Juister Bürgermeisters Wederhake. Abendessen vor der Prunksitzung. Von links nach rechts: Theo Itzenga, der bereits verstorbene Schiffsmechaniker Menno Frölich, Steuermann Dieter Oltmanns, Bürgermeister Karl-Josef Wederhake sowie Klaus Baumgart und Claas Vogt, die besser unter dem Namen „Klaus & Klaus“ bekannt sind.

Die letzte Aufnahme ist vom Sommer 1997 und bei der Kommandoübergabe der „Frisia IX“ entstanden. Es zeigt (v.l.n.r.) den damals neuen Kapitän Theodor Itzenga, seinen Vorgänger Gerhard Thomas, den damaligen Reedereichef Dr. Carl-Ulfert Stegmann und Hinrich Wirdemann, der zu der Zeit Steuermann auf der Neun war.

JNN-ARCHIVFOTOS (4): STEFAN ERDMANN

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