Es war schon ein besonderes Erlebnis, das die rund 200 beigeisterten Zuhörer im "Haus des Kurgastes" am Freitagabend genießen konnten: Zum zweiten Mal präsentierte das "Juister Gästeorchester" ihr Können in einer Konzert-Gala. Allerdings musste zuvor die komplette Planung und das vorgesehene Musikprogramm geändert werden, damit das Experiment auch in diesem Jahr gelang.
Grund dafür war, dass statt 38 Musiker in diesem Jahr nur elf ihre Teilnahme zugesagt hatten. Damit ließ sich kein Symphonie-Orchester aufbauen. Deshalb wurde die Bezeichnung kurzerhand in "Juister Kammermusik-Orchester" geändert und ein Programm zusammengestellt, welches mit weniger Musikern machbar war. Auch Oliver Wedler, Chefdirigent der Thüringer Symphoniker Saalfeld, hielt seine Anwesenheit deshalb nicht für erforderlich, weil der für die Betreuung der Bläser zuständige Otis Klöber zugleich als Dirigent ausgebildet ist.
Veranstaltungsleiter Thomas Vodde bedankte sich mit einem kleinen Präsent besonders bei Ramón Jaffé, der nicht nur die Cellisten betreute, sondern es überhaupt möglich gemacht hatte, dass die Veranstaltung in dieser veränderten Form noch stattfinden konnte. Weitere Dankesworte fand er für die Juist-Stiftung, welche die Veranstaltung wieder finanziell unterstützte und für Annegret Coordes, die sich immer sehr für diese musikalische Woche einsetzt und unter anderem für die drei Profimusiker Unterkunft und Verpflegung stellte. Aber auch den Hausmeistern des Hauses und Martina Poppinga von der Kurverwaltung, die sich um die Organisation kümmerte, galten Worte des Dankes.
Ramón Jaffé sprach besonders den Teilnehmern seine Anerkennung für ihre Flexibilität aus. Immerhin kamen hier Hobbymusiker nach Juist, um in einem Symphonieorchester gemeinsam zu spielen. Jetzt aber mussten sie auf Kammermusik umschwenken, die jeden einzelnen Musiker sehr viel stärker fordert. Michael Bockelmann vom Vorstand der Juist-Stiftung sprach von einem der Höhepunkte im Veranstaltungskalender der Insel; er freue sich, dass es auch im kommenden Jahr (27.10. bis 01.11.2013) wieder ein Gästeorchester geben soll.
Fünf Tage lang hatten die Teilnehmer, allesamt keine Berufsmusiker, zusammen mit ihren drei Betreuern und Leitern eine Reihe von hochkarätigen Werken der Kammermusik einstudiert. Neben Jaffé und Klöber wirkte Stephan Picard, Professor für Violine an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin, mit. Zudem konnte man von einem Deutsch-Niederländischen Gästeorchester sprechen, denn fünf der elf Teilnehmer kamen aus unserem Nachbarland. Dieses ist vielleicht auf Otis Klöber zurück zu führen, der zwar in Essen geboren wurde, aber gerade in den Niederlanden seit vielen Jahren verstärkt als Dirigent wirkt. Den Abschluss und Höhepunkt der Woche bildete schließlich das öffentliche Konzert.
Werke der bekannten Komponisten Mozart, Haydn und Bach standen auf dem Programm; man begann mit Mozarts Quartett für Flöte, Violine, Viola & Violoncello in D-Dur (KV 285). Eine reife Leistung für die drei Amateure zusammen mit Ramón Jaffé am Cello. Besonders die Flötistin Annie Vaandrager sollte nicht unerwähnt bleiben, spielte ihr Instrument doch die tragende Rolle in dem Werk. Sehr schön auch der zweite Satz - ein Adagio - wo die Streicher als Kontrast ein sehr gelungenes Pizzicato spielten. Sehr viel Beifall war den Interpreten nach diesem Stück sicher.
Das galt gleichermaßen für Mozarts Klarinettenquintett A Dur (KV 581), von dem das Larghetto und Menuet zu Gehör gebracht wurde. Mit den beiden Violinen stehen der exponierten Klarinette zwei weitere Melodieträger gegenüber, während in der tieferen Lage Bratsche und Cello für einen ausgewogenen Gesamtklang zu sorgen haben. Der Klarinettistin Petra Nawratil gelang es bestens, ihr Instrument genau zwischen den beiden Klangfeldern der Streicher zu positionieren und zugleich auch das Streichquartett als solches zur Geltung kommen zu lassen.
Das weitere Programm bis zur Pause bestritten dann die Profis. Haydns Duo für
Violine und Violoncelle in D-Dur (Hob.VI: D1) wurde vom Cellisten Jaffé und dem Geiger Picard dargeboten. Für das Werk wurde den beiden Streichern große Virtuosität und Spielkultur abverlangt, was den beiden Vollblutmusikern aber keinerlei Probleme bereitete.
Beim Adagio aus der Bach-Sonate in g-moll (BWV 1001) stand Stephan Picard allein auf der Bühne. Für den Geiger eine Gelegenheit, künstlerisch zu brillieren und leidenschaftlich zu konzertieren, was das Publikum ebenfalls mit viel Beifall bedachte.
Musik einer ganz anderen Art gab es dann noch von Ramón Jaffé, dessen Leidenschaft der Flamenco ist. In dieser Richtung komponierte er selbst einige Stücke, so im Vorjahr auch seine "Cante de Pasión", die er dem Juister Publikum präsentierte. Mit Begeisterung und voller Inbrunst zeigte Jaffé, was man mit einem Cello alles machen kann: Da wurde gestrichen, gezupft, mit dem Bogen auf die Saiten oder auf die Seiten des Gehäuses geschlagen, mit den Händen auf den Klangkörper geklopft und dazu laut mit den Füßen im Takt getreten. Eine Meisterleistung, die den Zuhörern gefiel, denn der tosende Beifall und die "Bravo"-Rufe wollten gar nicht enden.
Nach der Pause ging es dann sehr viel ruhiger zu, obwohl jetzt das komplette Orchester auf der Bühne war. Man begann mit dem Adagio aus Mozarts Violinkonzert Nr. 1 in B-Dur (KV 207), wobei das Kammerorchester große Geschlossenheit und perfektes Zusammenspiel zeigte. Die Ruhe, die Dirigent Otis Klöber dabei ausstrahlte, übertrug sich auch auf die Spieler.
Nächster Höhepunkt war dann das Londoner Trio Nr. 1 in C-Dur von Hadyn. Die drei Musiker Annie Vaandrager (Flöte), Nico Max (Violine) und Andreas Pflüger (Violoncello) trugen daraus den Satz Allegro vor. Auch hier wieder eine gelungene Interpretation, denn im Ursprung sieht Hadyns Komposition zwei Flöten und ein Cello vor.
Viel Freude machte auch das Adagio aus Haydns Cellokonzert Nr. 2 in D-Dur (Hob. VIIb:2), wo wieder Ramón Jaffé mit seinem Instrument im Mittelpunkt des konzertanten Geschehens stand. Der krönende Abschluss fand dann mit dem gesamten Orchester statt: Johann-Sebastian Bach sein Brandenburgisches Konzert Nr. 3 G-Dur (BWV 1049) erlebte auf Juist eine gelungene Aufführung.
Alle sechs Konzerte weisen eine hohe stilistische und strukturelle Vielfalt auf. So wurden die viele Details der zugrunde liegenden Partituren - etwa die feine Differenzierung der einzelnen Instrumentenpartien - die Bach oft mit getrennten Stimmen bedachte, von den Musikern sehr klar herausgespielt. Der lang anhaltende Schlussbeifall war mehr als verdient, und über die wenigen und leichten Unebenheiten im Laufe des Abends konnte man getrost hinweg sehen.
Folgende Personen waren in diesem Jahr dabei: Otis Klöber (Dirigent), Petra de Rijke, Nico Max, Ekkehard Stammwitz, Prof. Stephan Picard (Violinen), Ursula Melz, Ernst von Schaper (Bratschen), Matty Cijsouw, Tonnie Hugens, Ramón Jaffé, Andreas Pflüger, Annia Röhl (Violoncello), Annie Vaandrager (Flöte) und Petra Nawratil (Klarinette).
JNN-Fotos (5): Stefan Erdmann