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Aus der Region: Verhandlung vor Gericht wegen Erdgasbohrungen vor Borkum vertagt

Beigetragen von S.Erdmann am 29. Sep 2023 - 18:10 Uhr

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Es waren anstrengende acht Stunden am Donnerstag (28. Sept. 2023) für die Inselbürgermeister und Delegationen von Juist und Borkum, als vor der Rechtbank in der Niederländischen Hauptstadt Den Haag die Hauptverhandlung des Verfahrens gegen die vom niederländischen Konzern One-Dyas geplanten Erdgasförderungen vor Borkum und Schiermonnikoog mit einer ersten Anhörung gestartet wurde.

Ein Urteil wurde am Donnerstag noch nicht erwartet, vielmehr wurde die Sache vertagt, da es unter anderem bei den Stickstoffwerten noch Klärungsbedarf gibt, und zumal schon zu Sitzungsbeginn festgestellt wurde, dass nicht alle Beteiligten die vollständigen Unterlagen dazu erhalten hatten. Als möglichen Fortsetzungstermin nannte der Vorsitzende Richter R.H. Smits Ende Januar/Anfang Februar 2024.

Bereits im April 2023 konnten sich die Klagenden mit einem Eilantrag vor dem Gericht durchsetzen und ein Verbot der Errichtung einer Bohrplattform erreichen. Das niederländische Gericht hat jetzt auch nochmal klargestellt, dass auch weiterhin keine Bohrplattform vom niederländischen Konzern One-Dyas errichtet werden darf. Die Vertreter von One-Dyas hatten versucht, zumindest für die Vorarbeiten der Plattform schon eine Vorabgenehmigung zu erhalten.

Die Stadt Borkum und Inselgemeinde Juist klagen gegen die geplanten Erdgasbohrungen – wobei die anderen ostfriesischen Inseln wegen der Entfernung nicht klageberechtigt sind, die Klage selbst aber unterstützen - gemeinsam mit einem Bündnis rund um die Deutschen Umwelthilfe wozu auch Bürgerinitiative Saubere Luft Ostfriesland gehört, und der niederländischen Umweltorganisation Mobilisation for the Environment. Auke Wouda, der mehrere Umweltverbände und die Interessen der Insel Schiermonnikoog vertrat, wollte auch geklärt wissen, ob die Werkgroup Vrije Horizont Schiermonnikoog klageberechtigt ist. Zusätzlich demonstrierten solidarisch zahlreiche weitere deutsche und niederländische Umweltorganisationen vor der Verhandlung am Eingang des „Paleis van Justitie“

Während diese die Folgen für die Umwelt allgemein betrachten - das fossile Bohrprojekt direkt vor dem UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer steht in deren Augen im gravierenden Gegensatz zum Klima- und Meeresschutz – sehen die Inseln mehr ihre Heimat bedroht, wie deren Rechtsanwalt Joachim Musch vor Gericht ausführte: „60 Jahre Gasförderung in Groningen, seit 30 Jahren Erdbeben in Groningen. Warum wurde hier heute nicht über Erd- bzw. Seebeben gesprochen, die das Projekt unter Umständen – auch mit zeitlichen Verzögerungen - mit sich bringen kann? Warum hat One-Dyas bis heute noch keine Untersuchungen dazu durchführen lassen?“ Zudem wies der Anwalt auf die insularen Trinkwasserversorgungen hin, die über empfindliche Süßwasserlinsen unterhalb der Inseln erfolge. Was passiere damit bei einem durch die Förderung ausgelösten Seebeben oder Bodenabsenkungen? Musch: „Ich bemängel hier, dass das Gericht auf diese Fragen nicht tiefer drauf eingegangen ist.“

Auch der Borkumer Karsten Schönbeck konnte sich zur Sache äußern. Er zeigte sich vor allem erschüttert über die Aussage des Staatssekretärs Tieleman vom Ministerium van Economische Zaken en Klimaat (Wirtschaft und Klima), welcher der Meinung war, im Gegensatz zu Groningen würde man jetzt auch auf der Nordsee fördern, weil dort keine Menschen leben. Schönbeck: „Das ist ja fast beleidigend. Wo leben wir Borkumer, Juister, Schiermonnikooger und die Insulaner der anderen Inseln denn?“ Auch wies er auf den Qualitätsverlust für den Fremdenverkehr hin, wenn wegen solcher Maßnahmen Inseln und Wattenmeer nicht mehr zum UNESCO-Weltnaturerbe gehören würden. Sein Appell: „Ich bitte das Gericht, keine Bohrungen dort zuzulassen, damit kein Schaden für Borkum und die anderen Inseln entsteht!“

Verhandelt wurde vor allem über Klimaschutz, die Beeinträchtigung von Schutzgebieten, Auswirkungen auf Flora und Fauna, die drohende Zerstörung von Riffen am geplanten Bauplatz. Vorsitzender Smits und seine beiden Richterkollegen fragten hier viel nach. „Leider verbeißt man sich hier oft in Kleinigkeiten, die nachher bei der Entscheidung eh keinen Einfluss haben,“ so Anwalt Münch in einer Sitzungspause. Die Sache liegt zwar auf deutsch-niederländischen Grenzgebiet, aber niederländischen Richter beschäftigen sich ungern mit den Inselbelangen, so der Anwalt aus langjährigen Erfahren, vor allem hinter der Grenze. Aber selbst Schiermonnikoog habe hier keinen einfachen Stand.

Umweltanwältin Bondine Kloostra als Vertreterin der Deutschen Umwelthilfe ging nochmal in einem Pressegespräch darauf ein, warum es so wichtig sei, dass die kompletten Unterlagen und Messergebnisse allen Beteiligten vorliegen müssen und deshalb eine Vertagung notwendig sei: „Der Bau einer Plattform wird die Stickstoffbelastung der geschützten Natur in den Niederlanden und Deutschland weiter erhöhen. Diese zusätzliche Belastung verstößt in den Niederlanden gegen das Naturschutzrecht.“

„Ich habe nicht mit einem Urteil heute gerechnet, hätte aber gerne eine Tendenz des Gerichtes erkennen wollen, war aber unmöglich,“ so Borkums Bürgermeister Jürgen Akkermann (parteilos). Auch Juists Bürgermeister Dr. Tjark Goerges (parteilos) meinte, man müsse nun erst mal abwarten: „Aber ich bin froh, dass es erst mal vollständig vertagt und Vorabentscheidungen zu einzelnen Punkten abgelehnt wurden.“ Sandra Franke, die Umweltbeauftragte der Stadt Borkum ergänzt: „Die Anwälte von One-Dyas haben zwar gesagt, die Zeit rennt und das kostet Geld, aber das Gericht hat sich davon nicht beeindrucken lassen.“ Auch Juists Ratsfrau Heike Heiken (Grüne) verfolgte die Verhandlung und hofft, dass Anfang kommenden Jahres dann ein klares „Nein“ vom niederländischen Gericht kommt.

Bei One-Dyas verstehe man die Besorgnis der Insulaner, so deren Anwalt vor Gericht. Aber ein Szenario wie in der Provinz Groningen würde es nicht geben, ebenso bestehe keine Gefahr für das Trinkwasser, denn das Bohrfeld sei insgesamt betrachtet recht klein. Chris de Rutyter van Steveninck von One-Dyas zeigt sich weiter optimistisch: „Wir sind zuversichtlich, dass das Gericht dem zuständigen Ministerium für Wirtschaft und Klima die Genehmigung dieses Gasförderprojektes geben wird.“ Solange man nicht vollständig auf erneuerbare Energie umsteigen könne, bleibe Nordsee-Erdgas in den Augen von One-Dyas die beste Option. Rund 500 Millionen Euro will das Unternehmen in das Projekt investieren.

Auch auf deutscher Seite gibt es noch kein grünes Licht für das Projekt: Weiterhin steht die Entscheidung des zuständigen Landesamts für Bergbau, Energie und Geologie in Niedersachsen aus. Auch in diesem Verfahren haben die Umweltverbände bereits Einwendung erhoben und bereiten weitere rechtliche Schritte vor.

FOTOS: STEFAN ERDMANN
PLANZEICHNUNG: NIEDERS. LANDESAMT f. BERGBAU, ENERGIE u. GEOLOGIE

 
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