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Aus der Region: Wilhelm Loth: Sie laben sich am gedeckten Tisch

Beigetragen von JNN am 10. Mär 2022 - 14:26 Uhr

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JNN blickt immer gerne über den Tellerrand, wenn es Dinge auf den anderen Inseln gibt, die auch auf Juist von Interesse sind. Der fortschreitende Ausverkauf der Inseln und das Ausufern von Ferienwohnungen durch Geldanleger vom Festland ist ein solches Thema, das alle Insel betrifft. Wilhelm Loth (Foto), Kurdirektor unserer Nachbarinsel Norderney, sprach nun sehr deutliche Worte. Wir erhielten die Erlaubnis von unserer Partnerzeitungl „Norderneyer Zeitung“, den kompletten Beitrag übernehmen zu dürfen, Sie finden ihn unter „Weiterlesen“.

NORDERNEY – Norderneys Kurdirektor Wilhelm Loth hat die Jahrespressekonferenz des Staatsbads am Dienstag dazu genutzt, in Sachen Ausverkauf der Insel Klartext zu sprechen. Während seines Statements zum noch weitestgehend brachliegenden und mit viel öffentlichem Geld entworfenen Lebensraumkonzept betonte er, alles dafür zu tun, dieses Thema auf der Insel präsent zu halten, damit die ersten Schritte endlich in Angriff genommen werden könnten. „Wir nehmen das, was uns die Norderneyer hier mit auf den Weg gegeben haben, sehr ernst“, sagte Loth und forderte kategorisch: „Wir müssen endlich deutlich machen, dass wir den Ausverkauf dieser Insel nicht mehr wünschen.“

In dem Kontext sprach Loth vor lokalen Pressevertretern im Weißen Saal des Conversationshauses von einen´„fortschreitenden Ausverkauf“, bei dem für Grundstücke „traurige Summen“ bezahlt würden. Das ist nicht mehr unsere Insel und ich wundere mich immer mehr, dass dies immer noch so hingenommen wird“, betonte der Staatsbadchef. Dieser Ausverkauf bringe weder die Einheimischen noch den Tourismus auf Norderney weiter.

Viele, die jetzt kauften, sähen dies als eine reine Geldanlage an. „Sie laben sich am gedeckten Tisch“, kritisierte Loth die um sich greifende Besitzgier festländischer Geldanleger. „Wenn wir da nicht aufwachen, wird uns das alles böse auf die Füße fallen.“

Bei der Gelegenheit erinnerte Loth an den bereits seit vielen Jahren stattfindenden Ausverkauf der Insel Sylt, weshalb sich bei dem Thema bereits den Begriff „Versyltung“ etabliert habe. Natürlich führten solche Situationen zu Frust innerhalb der Bevölkerung. „Ich bin daher zutiefst davon überzeugt, dass der Gast genau spürt, wenn die Menschen hier nicht zufrieden sind.“ Dies könne deshalb nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Schon jetzt gebe es Anfeindungen. Dies sei äußerst problematisch.

„Leider ist es aber der Ausfluss einer sich breit machenden Entwicklung.“ Diese gelte es unbedingt zu stoppen, so der Kurdirektor. Und auch hier wollte die Kritik Loths nicht enden. Er fragte: „Müssen wir denn immer mehr Gäste einwerben?“ Und: „Wer wollen wir denn sein in den nächsten 20, 30 Jahren? Wie viele Betten haben wir überhaupt auf Norderney?“ Es sei schlicht nicht zu verstehen, dass diese Zahl noch immer nicht vorliege. Loth: „Das müssen wir doch hinkriegen.“ Das ständige „höher und mehr“ führe jedenfalls nur dazu, „Opfer des eigenen Erfolgs“ zu werden. Deshalb müsse jetzt ab sofort alles, was nicht gut für die Insel sei, klar formuliert werden.

In einem zweiten Themenkomplex beschrieb Loth den „personellen Notstand“ auf der Insel. Nicht nur Hotels, Restaurants und Gaststätten seien davon betroffen, sondern auch das Staatsbad selbst. In dem Zusammenhang forderte Loth eine gute gemeinsame Personalkampagne, vielleicht sogar für alle sieben Ostfriesischen Inseln zusammen.

Mit dem dritten Thema knöpfte sich der Kurdirektor die Digitalisierung vor. Hier betonte er, mit der Kurverwaltung auf einem guten Weg zu sein, beispielsweise auch durch die Erneuerung der Internetplattform, die in Kürze hochmodern als Webshop online gehe und den Gästen direkte Buchungen, auch für Veranstaltungstickets, ermögliche.

An der Stelle übte Loth geharnischte Kritik an der AG Reederei Norden-Frisia, die zurzeit mit einer neuen Flyer- und Broschürenkampagne daherkomme. „Das ist ein Rückfall in die Steinzeit“, sagte der Staatsbadchef und ergänzte, man müsse verstehen, dass es doch darum gehe, die Insel zukunftsfähig zu machen.

Mit dem beabsichtigten Neubau eines Hotels auf dem sogenannten Sterne-Grundstück an der Weststrandstraße packte Loth ein weiteres heißes Eisen an. Grundsätzlich sei es wichtig, dass Norderney in der Hotellerie gut aufgestellt sei. Hier warnte er vor Stimmungsmache. Denn der Ausverkauf der Insel werde nicht verhindert, wenn ein neues Hotel käme. „Man muss das große Ganze sehen“, forderte Loth und machte klar, dass Norderney vielmehr keine weiteren Ferienwohnungen benötige. Hier nämlich würden sich die Käufer und Investoren – im Gegensatz zum Hotelpersonal – nicht um die Gäste kümmern. Ferienwohnungen, die nur noch Renditeobjekte seien, würden unter dem Strich der Insel nichts bringen.

Mit seiner aktuellen Kritik legte Kurdirektor Loth am Dienstag auch den Staatsbad-Jahresbericht 2021 vor. Wirtschaftlich sei Norderney mit einem blauen Auge aus der Corona-Pandemie hervorgegangen, schreibt er in seinem Vorwort. Vor allem die Sommermonate hätten für eine sehr gute Auslastung gesorgt. Das dürfe allerdings nicht über die anstehenden Herausforderungen hinwegtäuschen. Der bereits angesprochene und zunehmende Personalmangel, das wirtschaftliche Leben mit dem Virus auf der Abgeschlossenheit einer Insel sowie die künftigen Anforderungen an das Lebensraumkonzept würden das Staatsbad als Unternehmen und auch den neu gewählten Stadtrat in den nächsten Jahren beschäftigen.

„Tourismus nachhaltig in Einklang mit Ökologie, Sozialem und Ökonomie zu bringen ist in Krisenzeiten wie diesen eine Aufgabe mit hohem Anspruch“, hebt Loth hervor. In diesen Tagen einen Blick in die Zukunft zu wagen, komme eher dem Blick in die Glaskugel gleich, fährt derKurdirektor fort. Inwieweit sich Corona und alle damit verbundenen Umstände in den Griff bekommen ließen, könne derzeit keiner sagen. Fakt sei, dass man lernen müsse, mit diesem Virus länger zu leben, als allen recht sein werde. Loth: „Wir alle müssen lernen, unsere Anspruchshaltung ein wenig zu reduzieren, Dienstleistung wieder besser zu wertschätzen und geduldig mit sich und anderen zu sein. In jeder Krise liegt immer auch eine Chance, und sei es der Aufbruch zu mehr Solidarität und Rücksichtnahme innerhalb unserer Gesellschaft.“

Diese Tugenden hätten im Übrigen noch nie einem Unternehmen geschadet und könnten auch hier ein gewisses Umdenken und eine neue Ära einer gerechteren und besseren Ausgewogenheit von Geben und Nehmen einläuten. Loth: „Der Unternehmenserfolg zeichnet sich am Ende nicht nur durch eine gute wirtschaftliche Zahl aus, sondern auch durch gemeinsames, zielgerichtetes Handeln – natürlich immer im Rahmen der personellen und wirtschaftlichen Möglichkeiten.“

Unterdessen liegt mit dem Jahresbericht 2021 nun auch das aktuelle Zahlenmaterial aus dem vergangenen Tourismusjahr vor. Demnach gab es 2021 420.186 Anreisen, rund 16.000 mehr als 2020. Die Zahl der Übernachtungen wird mit 2,966 Millionen angegeben, ein Jahr zuvor waren es 2,923 Millionen. Zum Vergleich: 2019, als Corona noch weit entfernt war, wurden auf Norderney 3,809 Millionen Übernachtungen gezählt. Unterdessen stieg die Zahl der Tagesgäste im vergangenen Jahr um knapp 60.000 auf 194.775. Im Jahr 2019 waren es 261.756.

Derweil sieht das Management des Staatsbads Norderney die Digitalisierung neben dem Klimaschutz als eines der wichtigen Zukunftsthemen unserer Zeit. Gerade durch Corona seien seitens der Kurverwaltung digitale Themen innerhalb kürzester Zeit vorangetrieben worden, heißt es im Jahresbericht ausdrücklich. Die neue e-commerce-Plattform zum Beispiel rage durch eine klare, einfache Struktur und hohe Nutzerfreundlichkeit heraus. „Es wurde die Möglichkeit geschaffen, alle Leistungen über einengemeinsamen Warenkorb zu beziehen. Der neue Internet-Auftritt soll Mitte März „scharfgeschaltet“ werden.

TEXT: MANFRED REUTER/NORDERNEYER ZEITUNG
JNN-FOTO: STEFAN ERDMANN

 
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