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Rat und Verwaltung: Reederei hatte Gemeinde rechtzeitig über Coronafahrplan informiert

Beigetragen von S.Erdmann am 30. Jul 2021 - 21:44 Uhr

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Da es gestern einige Unstimmigkeiten hinsichtlich der nur knappen und leider unrichtigen Berichterstattung über einen Punkt der letzten Ratssitzung gab (siehe hierzu JNN-Artikel „Kein Platz für Heinis Kombüse“), wollen wir heute noch einmal ausführlich darauf eingehen. Es geht um den eigentlich recht trocken klingenden Punkt „1. Nachtrag zur Änderung der Satzung der Inselgemeinde Juist über den Betrieb des Inselversorgungshafens vom 21. März 2018“. Diese Änderung wurde mit vier Ja-Stimmen abgesegnet, die anderen drei anwesenden Ratsmitglieder stimmten dagegen.

Worum geht es? - Dazu blicken wir mal etwas in die Vergangenheit: Im Gegensatz zu den anderen Häfen, die vom Land Niedersachsen betrieben werden, hat sich der damalige Rat auf Juist vom Land Niedersachsen den Hafen aufschwatzen lassen. Das vermeidlich attraktive Angebot: Übernahme der kompletten Baukosten (damals 10 Millionen DM) durch das Land, anschließend ging dieser in das Eigentum der Kommune über. 1984 wurde der Hafen fertig gestellt, die Gemeinde erhielt den Hafen und damit alle Rechte und Pflichten. Erst verpachtete diese den Hafen an die AG Reederei Norden-Frisia, doch schon bald mehrten sich die Probleme. Größter Juckelpunkt waren die Baggerkosten, die viel höher waren als ursprünglich angenommen und geradezu explodierten. Zudem gab es große Fragezeichen, wie lange eine Verklappung des Schlicks noch genehmigt wurde, denn die ursprünglich geplante Spülflächen an Land (Ostseite Hafen bis zur alten Mülldeponie) hatte sich die Kommune damals von der Nationalparkverwaltung wegnehmen lassen, welche sie zur Schutzzone hinzugefügt hatten. Nach Ablauf der Vertragsdauer zog die Reederei daher die Notbremse und gab den Hafen an die Gemeinde zurück.

Stand heute ist somit, dass die Frisia und auch alle anderen Berufsschiffe bei der Inselgemeinde Anlege- und Liegegebühren zahlt, die sich in der Regel nach der Schiffsgröße und Typ (Frachtschiffe, Fahrgastschiffe usw.) richtet. Die Gebühren wurden in einer Betriebssatzung festgelegt. Sie wurde damals unter Federführung von Herbert Braun erarbeitet, der die speziellen Juister Belange sehr kompetent und klug mit eingebaut hatte. So gibt es unter anderem Ermäßigungen für Betriebe, die ganzjährigen Versorgungsbetrieb durchführen, oder aber für die, welche eine bestimmte Anzahl von BRZ (Bruttoregisterzahl, hieß früher Bruttoregistertonne und gibt die Größe des Schiffsraumes an) im Laufe eines Jahres sammelt (damit sollte vermieden werden, dass aus Kostengründen nur kleine Schiffe mit weniger BRZ eingesetzt werden).

So heißt es in der Satzung unter § 3 Absatz 3: „Wird der Hafengeldtarif für den Einsatz im ganzjährigen Inselversorgungsdienst in Anspruch genommen, ist eine schriftliche Verpflichtung zur Durchführung eines ganzjährigen Inselverkehr vor Beginn des Kalenderjahres, in dem dieser Tarif in Anspruch genommen werden soll, abzugeben. Ganzjähriger Inselversorgungsverkehr mit Fahrgastschiffen ist gegeben, wenn zwischen Juist und Norddeich fahrplanmäßig mit geeigneten Fahrgastschiffen täglich mindestens eine Hin- und Rückfahrt, unabhängig vom Verkehrsaufkommen, durchführt und ausreichend Schiffsraum für Personentransporte bereitgestellt wird.“

Das wurde seitdem von der AG Reederei Norden-Frisia, die in diesem Jahr übrigens seit 150 Jahren im Inselversorgungsverkehr tätig ist, so gehandhabt und hat auch gut funktioniert, bis etwas eintrat, mit dem man bei Satzungserstellung nicht rechnen konnte – eine pandemiebedingte Schließung der Insel, wie sie im Frühjahr vergangenen Jahres gab.

Bei diesem ersten Lockdown mussten die Gäste die Insel verlassen, nur Insulaner durften fahren, auch die Festlandshandwerker durften nicht mehr auf ihre Inselbaustellen. Teilweise änderten sich die Bestimmungen sehr schnell und kurzfristig (Z. B. wurde an einem Sonntag um 18 Uhr bekannt gegeben, dass Handwerker am Tag darauf bereits nicht mehr auf die Inseln durften, am Montagmorgen stand die Norddeicher Mole voller rat- und ahnungsloser Handwerker, die nach Juist und Norderney wollten)

Die Reederei reagierte entsprechend und teilte der Gemeinde mit, dass sie am Wochenende wegen kaum vorhandener Fahrgäste – wovon dann auch oft noch der größte Teil mit dem Töwi fuhr - den Betrieb einstellen würde, zudem wurde oftmals während der Woche nur ein Frachtschiff eingesetzt, welches ebenfalls für 12 Fahrgäste zugelassen ist (meistens fuhren eh weniger als die Hälfte dieser zugelassenen Personen).

Die Kämmerei stellte fest: „Durch den angekündigten Wegfall des Schiffsverkehrs am Wochenende entfallen die Voraussetzungen für den ermäßigten Tarif……. von 30,80 Cent/BRZ. Das Hafengeld für Fahrgastschiffe ist somit für das gesamte Jahr 2020 nun mit 53,00 Cent/BRZ zuzüglich 2,65 Euro für die Hälfte der amtlich zugelassenen Fahrgastzahlen anzusetzen.“ Es gäbe im übrigen keine Ausnahmen und der Reederei sei der Sachverhalt nachweislich bekannt. Zur Beibehaltung des ermäßigten Tarifs sei ein Änderungsnachtrag zur Satzung erforderlich. Dieser Nachtrag könne auch rückwirkend erfolgen.

Zudem war die Kämmerei der Meinung, dass aus dessen Sicht insbesondere die einseitige Entscheidung der Reederei zur Aussetzung des Schiffsverkehrs bedenklich sei und dieses stand dann auch so in einer Beratungsvorlage vom 16. April 2021. Das stimmte indes so nicht, JNN liegt ein Schreiben von Reederei-Vorstand Carl-Ulfert Stegmann vor, dass dieser bereits am 25. März 2020 verfasst und an den Bürgermeister geschickt hatte. Darin heißt es „Die Reederei geht davon aus, dass die aktuelle Pandemie das Kriterium der „höheren Gewalt oder sonstige unabwendbare Umstände“ erfüllt und wir die Insel nicht mehr im Rahmen eines täglichen Fahrplanes (entgegen § 3 (3)) anzufahren haben.“

Umso unverständlicher wird der Vorgang, denn uns liegt das Antwortschreiben an die Frisia vor, welches vom Bürgermeister unterschrieben wurde, als auskunftsgebender Sachbearbeiter wird der Kämmerer genannt. Darin sieht die Gemeinde durch die Allgemeinverfügung des Landkreises wegen der Pandemiemaßnahmen ebenfalls den Tatbestand der höheren Gewalt gegeben und man sieht „…..die Voraussetzungen für die Gewährung des vergünstigten Tarifs als nicht gefährdet an.“

In diesem Jahr wurde nun eine Änderung bzw. Erweiterung der Hafenbetriebssatzung erarbeitet, mit Datum vom 26. April besagte Beratungsvorlage erstellt und an den Wirtschaftsförderungs- und Haushaltsausschuss zur Sitzung am 03. Mai gegeben.

Vonseiten der Reederei wurde die Verwaltung darauf hingewiesen, dass der Sachverhalt/Stellungnahme der Verwaltung in der Beratungsvorlage nicht richtig sei. Das wurde JNN auch auf Nachfrage von Ingo Steinkrauß, Fachbereichsleiter Ordnungsamt, gestern bestätigt. Dazu heißt es: „Es gab zu der betreffenden Beratungsvorlage weitere Anlagen in Form von Aktenvermerken, Email- und Schriftverkehr mit der Reederei. Diese waren für die Ratsmitglieder im Vorfeld der Sitzung ersichtlich. Für die Öffentlichkeit waren diese Anlagen jedoch nicht bestimmt und wurden daher auch nicht auf der Homepage angezeigt.“

Eine Stellungnahme vom Bürgermeister oder Kämmerei dazu liegt uns nicht vor. In jedem Fall ist für die Öffentlichkeit zum Zeitpunkt des Erscheinen dieses Beitrages immer noch die Beratungsvorlage auf der Homepage der Gemeinde zu sehen, wo von der einseitigen Entscheidung der Reederei im vergangenen Jahr gesprochen wird. Hierauf hatte sich JNN auch in seinem Bericht über die Ratssitzung bezogen. Dazu Jens Wellner, Geschäftsstellenleiter der Frisia-Geschäftsstelle Juist: „Wenn Herr Dr. Goerges, die Gemeindeverwaltung und der Rat untereinander Informationsdefizite haben, kann nicht die Reederei die leidtragende durch eine negative Berichterstattung sein.“

Für die Zukunft enthält die Hafensatzung nun nachfolgenden Text:

§ 3 Absatz 5 erhält folgende Fassung: Ganzjähriger Inselversorgungsverkehr mit Fahrgastschiffen ist auch dann gegeben, wenn abweichend von Absatz 3 an einzelnen Tagen aufgrund von Zugangsbeschränkungen zur Insel Juist in Folge erlassener Allgemeinverfügungen des Landkreises Aurich wegen der Corona-Pandemie der Verkehr mit Fahrgastschiffen ausgesetzt wird. II. Inkrafttreten: Dieser Nachtrag tritt rückwirkend zum 01.01.2020 in Kraft.

Unser Archivfoto entstand während des Frühjahrslockdowns 2020, als die Inseln quasi abgeriegelt waren. Die kleine „Frisia X“ wurde in der Zeit als Hauptschiff nach Juist eingesetzt und war damals mehr als ausreichend bemessen.

JNN-ARCHIVFOTO: STEFAN ERDMANN

 
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