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Rat und Verwaltung: Kaufen ist Wahnsinn, nicht Kaufen der größere Wahnsinn

Beigetragen von S.Erdmann am 10. Jan 2020 - 14:15 Uhr

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Nach der Bürgerinformationsversammlung am Dienstag ging es für das „Seeferienheim“ am Donnerstagabend in die nächste Runde. Der Bau- und Umweltausschuss behandelte das Thema als einzigen Punkt auf einer außerplanmäßig eingeschobenen öffentlichen Sitzung. Einstimmig votierten alle fünf stimmberechtigten Mitglieder dafür, dem Gemeinderat zu empfehlen, das Vorkaufsrecht für das Objekt auszuüben.

Gleich zweimal in zwei Tagen einen prall gefüllten Zuschauerbereich (Foto) im Dorfgemeinschaftshaus „Alte Schule“, das hatte es schon lange nicht mehr gegeben. Die rund sechzig Zuhörer sorgten gleich in der Einwohnerfragestunde für eine gereizte Stimmung, denn auf der Insel brodelt die Gerüchteküche, dass es im Rat Bedenken gegen den Kauf gibt. Ausschussvorsitzender Hans-Ludwig de Vries (CDU) führte diese Stimmung auch auf einen Brief der Gleichstellungsbeauftragten Sabine Doyen-Waldecker zurück, der eigentlich an Rat und Bürgermeister gerichtet war, aber dennoch sehr viel mehr Personen bekannt war. Darin hatte diese gefragt, ob sich ein Straftatbestand anbahnt, wenn Ratsmitglieder den Kauf ablehnen, weil der Gemeinde dadurch ein Schaden entstehen würde. De Vries nannte das Schreiben „eine Unverschämtheit, die Konsequenzen haben würde“, man könne ein ganzes Gremium wie den Rat nicht der Untreue bezichtigen.

Bürgermeister Dr. Tjark Goerges führte dazu beschwichtigend aus, dass die Fragestellung der Gleichstellungsbeauftragte etwas unglücklich und scharf formuliert sei, aber es gäbe in der Demokratie die Sicherheit für alle Beteiligten, den einen oder anderen Beschluss frei fassen zu können. Ausschussmitglied Gerhard Jacobs (CDU) brachte schließlich Ruhe in die Sache mit seinem Vorschlag, die Sitzung zu eröffnen, da dort viele Zuhörerfragen bereits erörtert würden, später würde er den Antrag auf Sitzungsunterbrechnung und Wiederaufnahme der Einwohnerfragestunde stellen.

Nun konnte Bauamtsleiterin Karoline Engel noch mal allen Beteiligten über den kompletten Sachverhalt und die rechtlichen Eckdaten informieren. Sie sprach auch an, dass der Rechtsanwalt des Käufers Moorkamp der Meinung sei, die Zweckfestsetzung im Bebauungsplan mit der Nutzung Jugendferienheim und kirchliche Zwecks sei nicht rechts, doch in der Begründung des B-Planes sei dieses hinreichend bestimmt und eine rechtliche Sicherheit sei gegeben.

„Es wird sie schockieren, aber wir können es kaufen“, mit diesen Worten umriss Kämmerer Peter Jansen den finanziellen Aspekt. Man käme sogar ohne die Erstellung eines zeitlich etwas aufwändigen Nachtragshaushaltes aus, denn zum einen wurden im Haushalt Mittel von 1 Mio. Euro zum Immobilienerwerb ohne nähere Grundstücksangabe eingestellt, denn Rest könne man von den ebenfalls eingeplanten Mitteln für die Neuerstellung der Druckrohrleitung vom Ort zur Kläranlage abzweigen, weil dieses Projekt aus diversen Gründen derzeit nicht ausgeführt werden kann. Das sei auch so mit der kommunalen Aufsicht abgesprochen, die auch keinen Notwendigkeit für einen Nachtragshaushalt sieht, allerdings müsse man eine schwarze Null nachweisen. Die jährlichen Aufwendungen für das „Seeferienheim“ würden sich – wenn es nicht genutzt werde – auf rund 60.000 Euro belaufen.

Dieses Problem sah der Bürgermeister nicht, denn während der Fachberater Horst Bötcher auf der Bürgerversammlung zwei interessierte Pächter parat hatte, hat sich diese Zahl inzwischen verdoppelt. Goerges: „Alles seriöse Pächter aus dem kirchlichen Bereich.“ Die Bauamtsleiterin ergänzte, dass diese teilweise schon erklärt hätten, den Betrieb noch in diesem Sommer wieder aufnehmen zu wollen, so dass gleich mit Einnahmen gerechnet werden könne. Zudem verwies sie darauf, wie reibungs- und problemlos die Verpachtung von gemeindeeigenen Objekten an externe Betreiber auf Juist seit vielen Jahre liefe, z.B. bei der Hohen Düne oder dem Hafenrestaurant.

Hans-Ludwig de Vries wies darauf hin, dass er durchaus Anlass sieht, die Gründe für Kauf oder Nichtkauf genau abzuwägen und zu hinterfragen. Zum einen müssten in den nächsten Jahren laut Gutachten von Bötcher Mittel von acht bis zehn Millionen für die komplette Sanierung erwirtschaftet werden, außerdem befürchtet er einen unter Umständen jahrelangen Rechtsstreit mit der Firma Moorkamp.

Während der fortgesetzten Einwohnerfragestunde gab es noch einige Wortmeldungen, die sich allesamt für die Ausübung des Vorkaufsrechtes und den Kauf aussprachen. Ein junger Juister wunderte sich darüber, dass Investor Moorkamp noch keine Möglichkeit oder Plattform auf Juist genutzt hatte, um sich und seine Pläne für das Grundstück mal vorzustellen. Zum Erstaunen der Zuhörer berichtete Hans-Ludwig de Vries von einem privaten Gespräch zwischen Moorkamp und der CDU-Fraktion. Dort habe man ihm gesagt, dass man einer Umwidmung des Grundstückes (d.h. Aufhebung der Zweckbindung als Jugendferienheim) nur zustimmen könnte, wenn bestimmte Dinge wie Dauerwohnraum, ein Gastronomiebetrieb usw. mit einfließen würden. Das wurde von Gerhard Jacobs aber schnell revidiert, zum einen waren nur drei der fünf Fraktionsmitglieder dabei, zudem konnte der Investor nach dem Gespräch keinesfalls davon ausgehen, dass er nun eine Umwidmung sicher in der Tasche habe.

Dann ging es in Richtung Abstimmung. Die Meinung der Verwaltung/Bauamt war im letzten Satz einer dreiseitigen Stellungnahme zum Sachverhalt klar: „Zur Sicherung der Infrastruktur (Erhalt von Arbeitsplätzen und Wohnraum) sowie zur Erhaltung der Angebotsvielfalt und nachhaltiger, wirtschaftlicher Gästebindung schlägt die Verwaltung dem Rat vor, die Ausübung des Vorkaufsrechts gem. § 24 Abs. 23 BauGB zu beschließen.“

„Ich sehe das Risiko eines Rechtsstreites auch, aber ich habe Vertrauen in unseren Anwalt“, so Gerhard Jacobs, „die Kauf ist eine einmalige Chance, die positiven Effekte für die Insel überwiegen klar und deutlich.“ Da rund die Hälfte der Fläche nicht genutzt werde, sollte später über eine bauliche Erweiterung im Sinne des Allgemeinbedarfs nachgedacht werden.

„Wir bekommen nur Chancen dadurch, die Gefahr eines Verlustes sehe ich nicht“, so Jan Doyen-Waldecker (Pro Juist). „Ich sehe kein Argument, zum jetzigen Stand das Vorkaufsrecht nicht auszuüben“, sagte Meint Habbinga (Pro Juist). Oft habe die Insel dagestanden, ohne Einfluss nehmen zu können, wobei er an ein abgerissenes Hotel an der Billstraße erinnerte, jetzt habe man eine einmalige Chance. Auch er hält eine spätere Verdichtung auf dem Grundstück für möglich.

„Es zu kaufen ist Wahnsinn, aber es nicht zu kaufen, ist noch größerer Wahnsinn“, kommentierte es Arend Janssen-Visser (CDU). Spannend machte es Hans-Ludwig de Vries, der aufgrund der unterschwelligen Anfeindungen aus dem Zuschauerraum nur meinte „ihr erwartet doch wohl nicht, dass ich Euch jetzt eine Stellungnahme gebe“, dann aber zusammen mit den anderen Bauausschussmitgliedern seine Hand hob und ebenfalls dem Beschlussvorschlag zustimmte. Am kommenden Dienstag, den 14. Januar findet dann um 19.00 Uhr eine Sitzung des Gemeinderates statt, der dann endgültig über diesen Punkt zu entscheiden hat. Sicher ist schon jetzt, dass das Dorfgemeinschaftshaus dann zum dritten Mal in diesem Monat einen vollen Zuschauerraum haben wird.

JNN-FOTO: STEFAN ERDMANN

 
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