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News: Annemarie Schmidt feiert ihren 100.ten Geburtstag

Beigetragen von S.Erdmann am 20. Dez 2019 - 00:03 Uhr

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Am heutigen Tag (Freitag, den 20. Dezember 2019) feiert Annemarie Schmidt, die in der Gräfin-Theda-Straße 1 („Inseltöpferei“) wohnt, ihren hundertsten Geburtstag. 1919 wurde sie als zweite Tochter von May und Friederich Tummeley in Köln geboren. Der Vater wurde als Banker bald nach Düsseldorf versetzt, wo sie aufwuchs. Die Jubilarin begann nach dem Krieg eine Lehre, wechselt bald an die Keramikfachschule in Höhr-Grenzhausen, wo sie ihren späteren Mann Werner Schmidt kennenlernte.

Hier kamen auch Stephan und Urban Thiersch an die Schule. Sie waren auf der Suche nach einem Töpferpaar, das sie für eine Werkstättengemeinschaft gewinnen wollten. Beide waren Nachfahren von Paul Thiersch, dem Gründer der bekannten Kunstgewerbeschule Burg Giebichenstein in Halle, nach dem Vorbild des Bauhauses.

Auf Juist wollen sie die Werkstättengemeinschaft im „Weberhof“, der damals noch ein Kinderheim war, ansiedeln. Mit dabei war übrigens auch Gerhard Nieter als Silberschmied. Dessen Ehefrau Renates lebt ebenfalls noch heute im hohen Alter auf Juist. Leider kam dann die Währungsreform, und da sich Deutschland erst vom Krieg erholte, gab es noch keine große Kaufkraft für die schönen und besonderen Dinge des täglichen Lebens. Die Werkstättengemeinschaft musste ihre Tore schon alsbald wieder schließen.

Und so waren die Schmidts arbeitslos, aber voller Elan und dem Willen, die Tätigkeit selbstständig auf Juist fortzusetzen. Und das, obwohl die ansässigen Banken ihnen keinen Kredit geben wollten, weil die sich nicht vorstellen konnten, das sich eine Töpferei hier rentierte. 1949 heirateten Annemarie und Werner, und zwar am ersten Weihnachtstag, dem 25. Dezember. (Das war damals möglich.)

Waren dann die 50/60er Jahre für alle die Aufschwungsjahre, so gab es für die Töpfereien im Zuge der Phase: „zurück aufs Land“ regelrechte Boomjahre. Im ganzen Land expandierten die Töpfereien. Aber auf Juist blieben die „Inseltöpferei“, wie sie war, nicht weil es dort nicht so lief, sondern es gab räumliche Grenzen.

Im Winter gingen sie auf die Frankfurter Messe, und in den Jahren gab es Arbeit für damals meist zwei Lehrlinge, eine ganzjährige Gesellin, im Sommer noch eine/n Gesellen/in und meist fanden auch noch ein Praktikant oder eine Praktikantin Arbeit. Auch konnte das Haus weiter ausgebaut werden, so dass zeitweise noch zwei Ferienwohnungen vermietet werden konnte.

Bereits in der Fachschule hatten Annemarie Schmidt sich spezialisiert: Werner kümmerte sich um die Glasuren und um den Technischen Ablauf, sie um die Formen, die Mitarbeiter und um den Verkauf. Sie bestimmte, welche Glasuren weiterverfolgt werden und verkäuflich waren. Dafür hatte der Meister kein Gefühl. Der Höhepunkt in beruflichen Leben des künstlerisch-kreativen Ehepaares war die Verleihung des Niedersächsischen Staatspreises für Kunsthandwerk Ende der 60er Jahre.

Annemaries Hobby war ihr Beruf, aber ihre große Leidenschaft, die sie mit ihrem Mann teilte, war das Reisen, vornehmlich in die Mittelmeerländer. 1958 wurde das erste Auto gekauft, ein Käfer (noch der mit geteilter Heckscheibe). Mindestens einmal im Jahr fuhren sie damit ans Mittelmeer. Griechenland, Italien, Türkei, Spanien, Marokko, Algerien. Die größte Reise führte sie 1968 mit einem alten VW-Bulli, den sie von einem Norder Bauunternehmer gekauft hatten, nach Persien. Der Bus wurde zuvor nach Juist transportiert, am Hafen mit einem Pferd abgeholt, weil er dort ja nicht fahren durfte. Und dann wurde er im Winter zu einem Wohnmobil ausgebaut, das war damals auf Juist die Attraktion. Besonderes Interesse im damaligen Persien galt den Moscheen, die besonders dort über und über mit unglaublichen Keramiken gestaltet waren.

In den 70er Jahren erbten sie ein Haus im Westerwald, in dem sie dann bis zum Tod von Werner Schmidt im Jahr 1996 die Winter verbrachten. Als dieser starb, waren auch die Boomjahre vorbei. In der Töpferei gab es damals aber immer noch zwei Mitarbeiter im Sommer.

2009 übergab Annemarie Schmidt die Geschicke der Töpferei an die nächste Generation. Zwei Töchter gingen aus der Ehe hervor, beide wurden Keramikerinnen. Während sich Andrea nach Bielefeld orientierte und eine Töpferei betreibt, blieb Nele auf Juist und übernahm die „Inseltöpferei“. Trotzdem arbeitete sie noch mit, soweit es ging. Noch mit 96 Jahren hatte sie Keramiken bemalt.

1980 wurde sie zum ersten Mal Großmutter von Jana, die Zwillinge Inga und Julika folgten zwei Jahre später, alle drei Kinder von Tochter Andrea. Henk, der Sohn von Nele, ließ sich mehr Zeit, er wurde 1994 geboren, womit Annemarie insgesamt vier Enkelkinder hat.

Dann wurden aber auch diese Enkel fleißig, Julikas Kinder ,Joschua kam 2009 und Merle 2011 zur Welt, Janas Zwillinge Lotta und Milla kamen vor gut 2 Jahren zur Welt. Leider will keines der Enkel Keramiker/in werden. Wenn eines der Urenkel später dazu das Bedürfnis hat, wird es auf Juist keine Töpferei mehr geben.

War sie früher streng, diszipliniert, sehr selbstständig, gradlinig, so wird sie von Tochter Nele heute schlicht und einfach als lieb bezeichnet. Zwar schwerhörig und dement, sie erkennt ihre Kinder und Enkel, aber sie vergisst, dass sie Ur-Enkel hat, das ist aber auch nicht verwunderlich, denn sie sieht die teilweise auch nur alle Schaltjahre. Übrigens ist es für die Urenkel sehr wichtig, sagen zu können, dass sie auf dem 100. Geburtstag ihrer Ur-Großmutter waren.

Diese erfreut sich relativ guter Gesundheit (Ihr Motto: „Wenn man nicht zum Arzt will, hat man auch nichts“), zieht sich selbst an und aus und kann auch noch die Treppe zur Wohnung rauf und runter laufen. Am wohlsten fühlt sie sich, wenn ihre Bezugsperson, das ist meistens Tochter Nele, neben ihr sitzt.

JNN-FOTO: STEFAN ERDMANN

 
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