Mehr als zwanzig Zuhörer auf einer Ausschusssitzung auf Juist sind schon selten, so wie auf der öffentlichen Sitzung vom Bau- und Umweltausschuss, der am Dienstagabend im Dorfgemeinschaftshaus tagte. Das rund zwei Drittel dieser Zuhörer nach Behandlung des erstens Punktes der Tagesordnung während der Sitzung diese bereits verließen, zeigt deutlich, worum es ging, nämlich um das „Seeferienheim“ an der Billstraße.
Das neue Zukunftskonzept für den aus vier Häusern bestehenden Komplex der evangelischen Kirche Dortmund wurde vorgestellt, und neben dem wichtigen Werbeträger für Gästenachwuchs geht es dabei auch um fünf Ganzjahres- und acht Saisonarbeitsstellen auf der Insel.
Die stellvertretende Superintendin des Kirchenkreises Dortmund, Andrea Auras-Reiffen, und Heinrich Wilke von der Imentas Immobilienpartner GmbH waren hierzu nach Juist gekommen, um im Bauausschuss die Pläne vorzustellen und die Problematik zu erläutern. Das Haus ist seit über 90 Jahren im Besitz des Kirchenkreises Dortmund mit den Zielen, dass sich Kinder aus dem Ruhrgebiet in reiner und klarer Luft erholen sollten, zudem will man auf diesem Weg Kinder und Kirche zusammen bringen. Später wurde ein Haus für Familienfreizeiten umgebaut, in den Hochzeiten waren bis zu 300 Betten vorhanden.
Auras-Reiffen führte dazu aus, dass die Nutzung der Häuser in den letzten Jahren zurück ging. Während die Ferienfreizeiten immer noch gut laufen, kämen außerhalb der Ferien in erster Linie Schulklassen, die aber nur während der Woche da sind, was faktisch bedeutet, dass die Häuser an drei von sieben Wochentagen leer stehen. Nur über das Wochenende lohne sich aber eine Fahrt von Dortmund auf die zudem tidenabhängige Insel nicht.
Derzeit halte man in den zwei Häusern 50 Zimmer mit 177 Betten vor. „Das Haus hat nie wirklich schwarze Zahlen geschrieben, schwierig wurde es ab 2006, nachdem auch die Einnahmen aus der Kirchensteuer eingebrochen sind“, so die Superintendin. Zuvor flossen aus diesen Steuern Zuschüsse für die Fahrten. Derzeit sei die Auslastung beim kleineren Dünenhaus mit 56 Prozent zufriedenstellend, nicht aber die beim Dellerthaus mit nur knapp 28 Prozent.
Mit diesen Zahlen war zwar der normale Dienstbetrieb weiterhin möglich, aber es fanden keinerlei Investitionen oder Rückstellungen dafür mehr statt. Auras-Reiffen: „Da wurden sicher Fehler in der Vorzeit gemacht, aber jetzt stehen wir mit einem großen Investitionsrückstand, besonders beim Dellerthaus, da.“ Auch das sogenannte Wattenhaus, in dem sich die Verwaltung und Personalunterkünfte befinden, muss dringend saniert werden.
Bereits seit 1997 gab es mehrere Gutachten und zwei Machbarkeitsstudien zur Zukunft des Komplexes. Besonders ernüchternd wirkte für die Superintendin eine Aussage aus der letzten Studie, in der es wörtlich hieß „Sie reiten da seit Jahren auf einem toten Pferd.“
„Wir wollen als Kirchenkreis den Standort Juist erhalten, allerdings müssen wir uns dazu auf ein Gebäude mit rund 50 Betten konzentrieren“, so Auras-Reiffen weiter. Man möchte weiterhin in den Ferien Gruppen mit Kinder/Jugendlichen günstig Urlaub und Freizeit auf der Insel anbieten, ebenso Familienfreizeiten. Allerdings soll der Pensionsbetrieb mit der Vollverpflegung entfallen, die Gruppen sollen eigene Personen zur Selbstversorgung mitbringen, was in anderen Häusern sehr gut klappt. (Auf Juist z. B. im Kinderheim der Stadt Altena)
Heinrich Wilke von der Imentas Immobilienpartner GmbH führte dazu aus, dass das alte Dellerthaus zwingend kernsaniert werden muss. Wegen seiner Größe ist dieses aber das Haus, was der Kirchenkreis gerne behalten und weiter betreiben möchte. Am kleineren und vor einigen Jahren umgebauten Dünenhaus zeige der Träger der evangelische Kurklinik REGENESA (die auf Juist im Volksmund immer noch „Mütterheim“ genannt wird) großes Interesse, da es nur wenige hundert Meter vom ebenfalls an der Billstraße gelegenen Haupthaus entfernt ist. Hier könne man weitere Kurpatienten unterbringen, zudem fehlen dort Personalwohnungen. Für den Mittelteil des Grundstückes, wo sich das Watthaus und ein sehr altes Gebäude mit Speisesaal und Küche befindet, hat sich noch kein Interessent gefunden, hier sei der Kirchenkreis für alles offen. Wilke stellte lediglich fest, dass das gesamte Seeferienheim als Beherbergungsbetrieb einzustufen sei, es habe nie die Zweckbestimmung der im Bebauungsplan eingetragenen Gemeinschaftsfläche erfüllt.
Bürgermeister Dr. Tjark Goerges vertrat die Auffassung, dass die Planungen für das neue Konzept schon sehr weit und präzise seien, er würde vielmehr noch „gerne eine Runde drehen“ und zum Beispiel Gespräche mit anderen möglichen Beteiligten wie der Jugendherberge oder der Jugendbildungsstätte suchen. Andrea Auras-Reiffen äußerte Verständnis für das Anliegen, die bisherige Bettenzahl zu erhalten, gerne können auch ein anderer Betreiber im sogenannten Mittelteil (Wattenhaus und Speisesaal) zukünftig Betten vermieten, der Kirchenkreis Dortmund kann und will es nicht selbst und wird in Zukunft nicht mehr alleiniger Träger für den gesamten Komplex sein.
Bauamtleiterin Karoline Engel widersprach Wilke, was die eingetragene Nutzung im Bebauungsplan angeht, die Unterbringung von Kindern und Jugendlichen zu Erholungs- und Freizeitaufenthalten sowie die Arbeit durch kirchliche Träger falle genau in den Rahmen von Gemeinschaftsflächen. Zudem zeigte sie sich verwundert, dass die Jugendherberge kein Interesse haben sollte. Sie habe beim DJH-Landesverband Unterweser-Ems angerufen und hatte nach wenigen Minuten die Auskunft von dessen Geschäftsführer, dass man von dieser Sache gar nichts wüsste und selbstverständlich Interesse daran hätte. Vielleicht gäbe es auch noch andere Interessenten, wegen der Nähe zum Wattenmeer kämen unter Umständen Institutionen wie der NABU oder andere infrage.
Dieselbe Aussage vom DJH-Landesverband hat auch Ausschussmitglied Angela Engel (CDU) bekommen, sie riet daher wie Goerges auch dazu, noch mal Gespräche mit diesen Interessenten zu führen, bevor endgültig entschieden werde. Auch ihr Fraktionskollege Gerhard Jacobs regte an, den Dialog mit anderen möglichen Betreibern zu suchen. Der betonte den großen Werbeeffekt, denn die Unterbringung von Jugendgruppe für die Zukunft habe.
Heinrich Wilke würde gerne einen Zeitplan in Angriff nehmen, denn das ganze Projekt würde ohnehin seine Zeit benötigen. So müsse die Sanierung und der Umbau vom Dellerthaus entsprechend mit einem Architekturbüro geplant werden, auch möchte der REGENESA-Träger sicher ebenfalls bald Klarheit, ob er mit dem Dünenhaus rechnen kann und zu welchem Zeitpunkt. Da nur der Vortrag als Infoveranstaltung auf der Tagesordnung stand, fasste der Bauausschuss keinerlei Beschlüsse zu diesem Punkt.
Einstimmig wurde ein Antrag auf Abweichung von der Gestaltungssatzung befürwortet. Dabei geht es um den geplanten Bau eines neuen Zelteschuppens zwischen Schoolpad und Damenpfad als Winterlager für Strandkörbe. Neben der Dachneigung ging es darum, statt rote Klinkersteine und rote Dachziegel einen Bau aus Trapezblech mit grüner Farbeschichtung und rotem Dach erstellen zu dürfen. Die Bauamtsleiterin führte dazu aus, dass man damit die Farbgebung der bestehenden Hallen übernehmen würde, die grünen Wände sich besser an die Dünenlandschaft anpassen, und zudem entspricht das verwendete Material einer Auflage, die einen schnellen Rückbau ermöglichen würde, was bei einer Massivbauweise aus Klinkersteinen nicht ohne weiteres möglich sei.
Ebenso beschloss man einstimmig, dass nach einer Ausschreibung der günstigste Anbieter mit den Ingenieursleistungen für die Erneuerung der Druckrohrleitung im Zwischendeichgelände erhält. Die maximale Leistung wurde mit 38.770 Euro brutto angesetzt. Die ohnehin geplante Ersatzleitung soll in einem Teilbereich vorgezogen werden, da die alte Leitung teilweise durch den geplanten Bau einer Rettungsstation in dem Gebiet überdeckt werden würde. Die Gesamtbaumaßnahme soll daher in wenigsten zwei Bauabschnitte geteilt werden.
Unser Foto oben zeigt die stellvertretende Superintendin Andrea Auras-Reiffen vom evangelischen Kirchenkreis Dortmund und Heinrich Wilke von der Planungsfirma Imentas Immobilienpartner GmbH bei ihrer Präsentation während der Ausschusssitzung.
Die weiteren vier Fotos zeigen die einzelnen Gebäude, das Dellerthaus, Wattenhaus, Speisesaal/Küche und das Dünenhaus.
JNN-FOTOS (5): STEFAN ERDMANN