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Nationalparkverwaltung: Die Weißwangengans – ein Gast aus der sibirischen Arktis

Beigetragen von JNN am 22. Feb 2018 - 18:50 Uhr

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Vom 13. bis zum 21. Oktober 2018 finden zum 10. Mal die Zugvogeltage im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer statt. Anlässlich dieses Jubiläums wird in einem „Zugvogel-Countdown“ von Januar bis Oktober jeden Monat eine typische Zugvogelart des Wattenmeeres vorgestellt. In dieser Folge geht es um die Weißwangengans.

Der Name Weißwangengans beschreibt die Gesichtszeichnung der schwarz-weißen Gans eindeutig. Der andere Name, den die relativ kleine, kontrastreich gezeichnete Gans hierzulande trägt, Nonnengans, geht ebenfalls auf ihr Äußeres zurück, spiegelt jedoch keineswegs ihre Lebensweise wieder. Denn weder frommes Schweigen, noch klösterliche Keuschheit zeichnet diese Vögel aus. So verraten sich in den Salzwiesen des Nationalparks äsende Gänse häufig schon durch ihren einsilbigen, leicht bellenden Ruf. Lauter und noch eindrucksvoller sind ihre Stimmen zu hören, wenn sie in der Abenddämmerung den Dollart, die Leybucht oder den Jadebusen aufsuchen, um auf den dortigen Watten oder, bei Hochwasser, auf dem Wasser zu schlafen. Wenn mehrere Tausend Gänse binnen kurzer Zeit abends dort eintreffen und morgens den vor Fressfeinden gut geschützten Bereich wieder verlassen, bietet sich vom Herbst bis ins späte Frühjahr tagtäglich ein großartiges Naturschauspiel.

Die Vögel taugen auch deshalb nicht für ein Klosterleben, weil sie im Familienverband unterwegs sind. Mit ein wenig Übung und Erfahrung gelingt es, Alt- und Jungvögel zu unterscheiden. Neben einer unterschiedlichen Kopfzeichnung kann man Jungtiere daran erkennen, dass ihre Oberseiten eher braune Federspitzen tragen und die charakteristische Bänderung der Flügeldecken verwaschener erscheint. Die Unterscheidung von Alt- und Jungvögeln ist ein wichtiger Baustein bei der Erforschung der Gänse. Denn so lässt sich fernab ihrer Brutgebiete in Russland, die sich vor allem auf arktischen Inseln wie Insel Novaja Semlja oder Kolguev befinden, feststellen, wie der Bruterfolg dort war. Kehren viele Elternpaare, die sich übrigens oft ein Leben lang treu bleiben, mit Jungvögeln zurück, waren die Brutbedingungen an der Küste der Tundra offensichtlich gut. Zählen die Ornithologen bei uns hingegen kaum Jungvögel in den Schwärmen der Weißwangengänse, hatten die Vögel kaum Bruterfolg.

Der Bruterfolg hängt jedoch nicht nur von den Bedingungen in der Brutheimat ab, also beispielsweise vom Wetterverlauf des arktischen Sommers, sondern wird auch ganz wesentlich dadurch gesteuert, mit welcher Kondition Vögel ihr Überwinterungsgebiet hier bei uns verlassen. Diese Fitness lässt sich daran ablesen, mit welchen Fettreserven sie Mitte Mai das Wattenmeer und die angrenzende Küstenregion verlassen. Schlicht ausgedrückt: Die fetten Gänse sind die fitten Gänse. Diese kehren dann im Herbst mit einer größeren Anzahl von Jungvögeln ins Wattenmeer zurück als die Elterntiere, die weniger Fettreserven mit in die Brutheimat exportiert haben. Ein Phänomen, dass sich in ähnlicher Form bei vielen Zugvögeln des Wattenmeeres nachweisen lässt und uns zeigt, dass wir hier eine Verantwortung für das Wohlergehen von Individuen und insgesamt für die Bestände wandernder Arten tragen. Eine Verantwortung, die weit über die Grenzen des Wattenmeeres selbst hinaus reicht und uns verdeutlicht, dass das Wattenmeer Teil eines mehrere Kontinente umspannenden Systems ist.

Der Schutz vor Verfolgung und die Beruhigung der Rast- und Überwinterungsgebiete haben dazu beigetragen, dass sich die Bestände der Weißwangengänse von einem absoluten Bestandstief in der Mitte des vorherigen Jahrhunderts mit nur noch wenigen tausend Individuen deutlich erholt haben. Der geradezu spektakuläre Bestandsanstieg kann besonders in der niedersächsischen Wattenmeerregion bestens nachvollzogen werden. Waren Weißwangengänse hier noch Anfang der 1980er Jahre eine Besonderheit, sind sie heute von Oktober bis Mai auf Salzwiesen, den Inseln und den Grünland- und Ackerflächen der Küste geradezu allgegenwärtig.
Da sie auf landwirtschaftlich intensiv genutzten Flächen zu Ernteausfällen auf Äckern und zu vermindertem Ertrag auf Grünland beitragen können, sind sie bei Landwirten zunehmend weniger gern gesehen. Hier gilt es wohl, sich an den Namen Nonnengans zu erinnern: Klöster sind seit alters her Orte des Wissens und der Weisheit. Die Verantwortung für das Wohlergehen von Zugvögeln darf nicht auf den Schultern weniger lasten. Es gilt einen fairen Ausgleich zu finden. Der Nationalpark leistet einen Beitrag dazu, indem Rastgebiete konsequent beruhigt werden und etliche Flächen der zentralen Gänserastgebiete beispielsweise am Dollart, der Leybucht, am Jadebusen und auf den Inseln speziell für Gänse gemanagt und entwickelt werden.

BEITRAG: PRESSEMTTEILUNG NATIONAPARKVERWALTUNG
TEXT: BERND OLTMANNS
FOTO: THORSTEN KRÜGER

 
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