Zu einer Inselkonferenz hatte der Landtagsabgeordnete Holger Heymann Anfang Februar in den Niedersächsischen Landtag nach Hannover eingeladen und sie waren alle gekommen. Inselbürgermeister von Borkum bis nach Wangerooge, dazu Kurdirektoren, Kämmerer und von der Landesregierung einige Minister und Staatssekretäre (siehe Norderneyer Morgen vom 8. Februar 2014). Breiten Raum nahm dabei das Thema Wohnraum für Einheimische ein. In Fachvorträgen wurde deutlich, dass neben der Anzahl der Wohnungen die Alterung der Bevölkerung berücksichtigt werden muss.
Von Dirk Kähler - Norderneyer Morgen
Neben den Vertretern der großen und der kleinen Politik waren auch Referenten eingeladen. Den Anfang machte Heiner Pott, der Vorsitzende des Verbands der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft. Pott gab allen Teilnehmern der Konferenz einen guten Überblick über die Rahmenbedingungen des Wohnungsbaus der kommenden Jahre. Zwei Faktoren seien für Investitionen in Wohnraum in den kommenden Jahren bestimmend. Neben der wirtschaftlichen Entwicklung der Bevölkerung spiele vor allem die demografische Entwicklung eine zunehmend wichtige Rolle. Für den Landkreis Aurich werde bis 2030 ein Bevölkerungsrückgang von rund 7 Prozent erwartet von derzeit 188 Tausend auf dann 174 Tausend. Für Norderney mit seinen derzeit gut 5.800 Einwohnern sagte Pott sogar einen Rückgang auf 4.950 voraus.
Wichtiger als der reine Rückgang sei die Entwicklung der Altersstruktur. 2030 werde jeder Zweite über 60 Jahre alt sein. Das bedeute mehr Krebskranke, mehr Menschen mit Herz-Kreislauferkrankungen, mehr chronisch Kranke und mehr Demenzkranke. "Die Zahl der Demenzkranken wird sich verdoppeln", machte Pott deutlich. Die Zahl der schulpflichtigen Kinder werde dagegen weiter abnehmen. Im Wohnungsbereich werde es zunehmend zu "Angebotsüberhängen" am Festland kommen.
Bei dem vorhergesagten Rückgang stelle sich die Frage, ob überhaupt noch Neubau gebraucht werde, jedoch nicht. Es werde in Zukunft weniger große und mehr kleine Haushalte geben. So sei schon heute in Landkreisen mit rückläufiger Einwohnerzahl die Zahl der Haushalte konstant oder steige sogar leicht. Teilweise gebe es bei den Haushalten sogar eine Steigerung. Das Überangebot werde es vor allem im Bereich großer Wohnungen geben.
Der Bedarf der Zukunft liege vielmehr im Bereich altersgerechter Wohnungen, in denen die Bewohner gut und vor allem lange ambulant betreut werden können. Die ambulante Pflege in Verbindung mit dem eigenständigen Wohnen werde die entscheidende Herausforderung für das Wohnungswesen der Zukunft, betonte Pott.
Problematisch seien für den Wohnungsbau die hohen Grundstückspreise von 1.000 bis 1.500 Euro pro Quadratmeter (für Grundstücke des Landes). In Verbindung mit den hohen Baukosten würden sich auch im öffentlich geförderten Bereich hohe Baukosten ergeben. Für die Mieter stehe aber kein entsprechender Wohngeld-Ausgleich gegenüber, was vor allem für Familien und Rentner wichtig ist. Am Beispiel Norderney erläuterte Pott, dass die Insel zwar eine eigene Wohnungsgesellschaft hat, dass aber die Mieten von durchschnittlich 6,50 Euro bei der Wohnungsgesellschaft über dem Schnitt von 5 Euro am Festland lägen. Im privaten Bereich reichen die Mieten bis zu 12 Euro pro Quadratmeter. Bei der Wohngeldberechnung würde Norderney aber wie der gesamte Landkreis Aurich behandelt. Hier gelte die Mietstufe I.
Abgesehen von den sozialen Problemen, die sich daraus ergeben, seien hohe Mieten ein entscheidendes Argument für Fachkräfte, sich woanders umzusehen. Hinzu kämen Fragen der sozialen Infrastruktur. Kindergärten, Schulen, Ärzte und Einkaufsmöglichkeiten seien wichtige Eckpunkte. Heiner Pott spricht von "Quartiersmanagement". Das Thema "Soziale Stadt" müsse angeschoben werden. Dies gehe nur über die Dämpfung der Baupreise, so Pott.
"Keine Gewinnmaximierung"
Wie "Soziale Stadt" aussehen kann, schilderte im Anschluss Frank Menzel. Menzel ist der Vorstandsvorsitzende des Bauvereins Rüstringen in Wilhelmshaven, einer im Jahr 1930 gegründeten Wohnungsgenossenschaft in Wilhelmshaven. Mit rund 3.000 Wohnungen ist die Genossenschaft etwa viereinhalbmal so groß, wie die Wohnungsgenossenschaft Norderney (WGN), die 675 Mietwohnungen auf der Insel verwaltet.
Als Genossenschaft sei der Bauverein Rüstringen ein Wirtschaftsunternehmen, jedoch gehe es nicht um Gewinnmaximierung. Ziel des Unternehmens sei es, den Anteilseignern günstigen Wohnraum in guter Qualität anzubieten. Den Herausforderungen des demografischen Wandels stelle sich der Bauverein durch verschiedene Maßnahmen. Unter anderem durch eine eigene Seniorenberatung. Dazu gehört auch die Beratung und Durchführung von Anpassungen des Wohnraums. So werden Bäder an die Bedürfnisse älterer Menschen angepasst. Neben der Wirtschaftlichkeit habe sich der Bauverein soziale Verantwortung auf die Fahnen geschrieben. Neben dem Engagement für Ältere gibt es auch spezielle Angebote für junge Menschen und Familien. Auch hier werden bestehende Wohnungen angepasst. Dabei achtet der Bauverein auf eine gute Durchmischung.
Zum Schluss bot Frank Menzel den anwesenden Inselvertretern seine Hilfe bei der Neugründung von Genossenschaften auf den Inseln an.
Die bei der Inselkonferenz ebenfalls anwesende niedersächsische Bau- und Sozialministerin Cornelia Rundt (SPD) kündigte im Rahmen der Inselkonferenz an, dass im Bereich der Inseln wegen der besonderen Bedarfslage die Wohnbauförderung mit bis zu 1.700 Euro pro Quadratmeter Entlastung bringen werde. Der niedersächsische Finanzminister Peter-Jürgen Schneider (SPD) signalisierte Offenheit für "kreative Lösungen", bei denen Land und Inselkommunen gemeinsam Grundstücke für den Wohnungsbau verwerten.
BU: Sozialministerin Cornelia Rundt (SPD), Finanzminister Peter-Jürgen Schneider (SPD) und der Landtagsabgeordnete Holger Heymann (SPD) bei der Inselkonferenz Anfang Februar.
Foto: Dirk Kähler, Norderneyer Morgen