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Rat und Verwaltung [1]

Rat und Verwaltung: Änderungen bei Bebauungsplänen werden erst beim Rat behandelt

Beigetragen von S.Erdmann am 26. Mai 2013 - 14:56 Uhr

Zwar haben sich auch vor der letzten Wahl mal wieder alle Kandidaten für den Rat auf die Fahne geschrieben, Wohnraum für Insulaner schaffen und den Ausverkauf der Insel vermeiden zu wollen, doch als die Verwaltung jetzt einen ersten konkreten Vorstoß in dieser Richtung unternahm, wurde dieses Vorhaben von den Mitgliedern der Gruppe "Bündnis Juist" auf der letzten Sitzung vom Bau- und Umweltausschuss am letzten Donnerstag erst einmal erfolgreich verhindert.

Weil der Gesprächs- und Informationsbedarf noch sehr groß sei, beantragte Ralf Lüpkes gleich nach den umfangreichen Ausführungen von Bauamtsleiter Jens Wilde die Absetzung des Punktes, was vom Ausschussvorsitzenden Björn Westermann und Claas Stegmaier unterstützt wurde.

Die beiden Mitglieder der CDU wollten hingegen den Punkt behandelt wissen, zumal rund 40 interessierte Zuhörer deswegen erscheinen waren. Deshalb hatte Gerd Rinderhagen auch beantragt, nach dem Punkt die Sitzung für eine Bürgerfragestunde zu unterbrechen. Auch dieses Vorhaben versuchte Westermann noch zu verhindern, doch setzte sich Bürgermeister Dietmar Patron durch, der gerne unabhängig von der Absetzung die Meinungen und Fragen der Bürger hören wollte. So fand schließlich eine ausführliche und lange Diskussion mit der Bevölkerung statt.

"Wo stehen wir in 15 oder 20 Jahren, wenn wir mit dem Ausverkauf auf der Insel so weitermachen", fragte Patron. Die gewählten Vertreter seien in der Verpflichtung, dieser Entwicklung entgegen zu steuern, man wollte deshalb an diesem Abend den "ersten Fuß in die Tür setzen."

Wilde führte zuvor aus, was überhaupt geplant sei. So lautete der Beschlussvorschlag, dass die Bebauungspläne der Insel gemäß den Anforderungen aus dem Baugesetzbuch neu aufzustellen bzw. zu ändern seien. Von einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung "die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt und dem Wohl der Allgemeinheit dienenden sozialgerechten Bodennutzung gewährleistet" (Wortlaut vom § 1 des Baugesetzbuches über Aufgabe, Begriff und Grundsätze der Bauleitplanung) könne im Hinblick auf die jüngste Entwicklung kaum noch die Rede sein. Durch die zunehmende Tendenz, dass Häuser von Investoren gekauft und abgerissen werden, stattdessen zumeist Zweitwohnungen für Festländer entstehen, bliebe Insulanern oft nur die Abwanderung zum Festland. Parallel wirkt sich der zunehmende Mangel an Personalwohnungen negativ auf die touristischen Angebote und den damit einhergehenden Dienstleistungen aus. Die gesamte Infrastruktur der Insel (gilt auch für die anderen Inseln und auch Küstenbadeorte) ist in Gefahr (Vereine, Wirtschaften, Feuerwehr usw.), wenn diese Ortschaften sich in den Wintermonaten immer weiter zu Geisterstädten entwickeln.

Mit dem Beschluss für die Änderung der Juister Bebauungspläne wird eine Voraussetzung geschaffen, auf Antrag der Gemeinde die Entscheidung der Baubehörde (Landkreis Aurich) über die Zulässigkeit von Vorhaben im Einzelfall für einen Zeitraum von einem Jahr auszusetzen. Diese Frist kann, wenn das Planänderungsverfahren nicht abgeschlossen ist, über eine Veränderungssperre verlängert werden. Hierdurch gewinne man Zeit, um die Bebauungspläne auf Schwachstellen und Zielsetzung zu analysieren, die bauliche Nutzung zu prüfen und die städtebaulichen Gegebenheiten (Bevölkerungsstruktur, Nutzung, Ausnutzung usw.) zu erheben. Auf dieser Grundlage sind anschließend der aktuellen Problematik begegnende Zielvorgaben zu definieren und in den Änderungen umzusetzen. Diese Vorgehensweise wurde von der Verwaltung gewählt, weil man vermeiden will, dass durch die Aktivität der Gemeinde die Sache beschleunigt wird, d. h. dass in der nächsten Zeit eine größere Anzahl von Immobilien noch schnell verkauft wird.

Unter den zahlreichen Zuhörern war auch der frühere Bürgermeister Johann Wübben. Er forderte die Ausschussmehrheit auf, über das Thema zu diskutieren, statt von der Tagesordnung abzusetzen. Außerdem bedauert er, dass es zwar eine Festsetzung in den Bebauungsplänen gibt, wonach Wohnraum an einen "wechselnden Personenkreis zu vermieten" sei, dieses würde allerdings nicht kontrolliert, so dass im gleichem Umfang weiter verkauft werde. Die frühere stellvertretende Bürgermeisterin Hanne-Gret Fleßner empfahl zu erst einmal die Abhaltung einer Bürgerversammlung zu dem Thema. Ansonsten sah sie das Problem von älteren Juistern, deren Immobilie ihre Altervorsorge sei und die nun einen Wertverlust durch neue Festsetzungen erleben könnten. Ein anderer Juister sprach von einem Generationsproblem, die älteren wollten ihren Lebensabend sichern, die jüngeren wollten weiter hier leben und auch vermieten. Er dankte der Verwaltung und dem Bürgermeister, dass jetzt endlich etwas angeschoben würde.

"Wir wollen auch in 30 oder 40 Jahren hier noch leben", meinte die Juisterin Edda Rust. Sie arbeite seit zehn Jahren im Steueramt der Inselgemeinde, wobei sie beobachtet hat, dass sich die Zahl der Zweitwohnungssteuerzahler in dieser Zeit verdoppelt hätte. Ein anderer Juister bemängelte, dass die Kriterien noch in keiner Weise feststehen, die man bei den Änderungen der Bebauungspläne aufnehmen möchte. Wilde: "Die Faktoren, die der städtebaulichen Entwicklung entgegen stehen, sollen schnellstmöglich festgelegt werden."

Nach der Versammlung äußerten mehrere Zuhörer ihre Verwunderung darüber, dass Björn Westermann den Vorsitz führte und ob er nicht im Zuschauerraum wegen Befangenheit hätte Platz nehmen müssen, denn durch seinen Beruf würde er an dem Verkauf von Eigentumswohnungen verdienen. Auf Nachfrage bei der Verwaltung stellte Bürgermeister Patron hierzu lediglich fest: "Rein rechtlich ist das nicht zu beanstanden."

Auf Nachfrage beim Gruppensprecher von "Bündnis Juist" Meint Habbinga, der auch im Verwaltungsausschuss sitzt, erklärte dieser, dass unabhängig von der Absetzung beim Bauausschuss durch die Bündnis-Mitglieder, der Punkt auf der nächste Ratssitzung am Donnerstag bleibt und dann auch darüber entschieden werde.

Völlig unklar war den Zuhörern auch das Verhalten von Westermann, Lüpkes und Stegmaier beim zweiten Punkt, wo es um einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan ging. Hier hatte ein Hotel, das seit über einhundert Jahren als Familienbetrieb geführt wird, den Antrag auf eine Baugenehmigung für ein Hallenbad gestellt. Um den Betrieb wettbewerbsfähig zu halten, gehöre ein solches Bad zu dem Hotelbetrieb, zudem könne er dann die Saison ausweiten und Mitarbeiter ganzjährig beschäftigen. Wegen unklarer Fragen wurde auch hier vom Bündnis ein Antrag auf Absetzung gestellt und mit ihrer Mehrheit durchgesetzt. Der Bürgermeister und der Bauamtsleiter hätten gerne die unklaren Fragen beantwortet, jedoch wurden diese nicht gestellt.

Die letzten beiden Punkte konnten dann doch noch behandelt werden, so erhielt die Firma J. und H. van der Linde aus Emden den Auftrag, die abgängigen Reibepfähle im Hafen zu erneuern und eine nötige Betonsanierung in dem Bereich durchzuführen. Das Auftragsvolumen liegt bei 130.875 Euro. Warum Lüpkes und Westermann bei dieser Reparaturmaßnahme Stimmenthaltung übten, verrieten sie nicht, dennoch kam dieser Beschluss mit den Stimmen der CDU und Claas Stegmaier durch.

Einstimmig wurde zum Schluss die Verwaltung beauftragt, die Möglichkeit des Dachausbaus der Inselschule zur Schaffung von Wohnraum für Lehrkräfte zu prüfen. Bereits 2004 hatte die SPD einen solchen Antrag gestellt, damals war das Vorhaben gescheitert, weil ein Statiker festgestellt hatte, dass die Decke für eine solche Belastung nicht ausreiche. Jetzt haben zwei weitere Statiker unabhängig voneinander festgestellt, dass - so Patron wörtlich - "der damalige Statiker Blödsinn erzählt hatte". In dem Dachausbau könnten vier bis fünf Lehrerwohnungen entstehen, da rund 220 Quadratmeter zur Verfügung stehen.

 
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