Da staunte Veranstaltungsleiter Thomas Vodde nicht schlecht, als drei Minuten vor Beginn des Konzertes der Kammerphilharmonie Köln noch der Cellist in Schlappen und Trainingshose angehetzt kam. So führte Vodde seine Begrüßungsworte an die rund 150 Zuhörer im großen Saal vom "Haus des Kurgastes" etwas länger aus, ging auf die Tradition der Pfingstkonzerte mit dem Kölner Ensemble ein und auch darauf, dass ein Stück aus Vivaldis "Vier Jahreszeiten" ebenso traditionsgemäß dazu gehöre. In diesem Jahr standen daraus die drei Sätze "Frühling" auf dem Programm.
Dann konnten die sieben Musiker mit viel Beifall begrüßt werden, und auch der Cellist Dmitri Gornowski war komplett und festlich umgezogen. Das Konzert "Frühling" steht in E-Dur, gleich zu Anfang wacht die Schönheit der Natur auf, das Trillen und Zwischern der Vögel ist zu hören. Dank der Einheit und der Auffassung des Fühlens ergab sich eine mitreißende Interpretation von höchstem Rang, in der sich Solist Sergey Didorenko wie auch das Orchester in einen Rausch der Freude hineinsteigerten, der sich auch auf die Zuhörer übertrug.
Der Solist wurde 1967 in einer Geigerfamilie in der Ukraine geboren, ging mit 14 Jahren als Hochbegabter nach Moskau und studierte dort am Tschaikowsky-Konservatorium. Dies schloss er mit höchsten Auszeichnungen ab. Nachdem er in mehreren Kammerorchestern und als Konzertmeister im Staatlichen Russischen Filmorchester wirkte, kam er 1999 nach Deutschland. Hier begann er sich mit dem Genre Jazz zu beschäftigten, so dass er heute weltweit sowohl als klassischer als auch als Jazzmusiker gefragt und auf allen großen Bühnen zuhause ist.
Es folgte ein weiteres Werk von Antonia Vivaldi, nämlich das Konzert a-moll für Violoncelle und Streicher (RV 418). Dmitri Gornowsky spielte dieses Bravourstück nicht nur für die Kunst, sondern für das Herz. Er erreichte einen ebenso seelenvoll-schönen wie voluminösen, mächtigen Ton und ließ sein Instrument mit größter technischer Fertigkeit auf der gesamten Tonscala in einer Weise singen, die einfach begeisterte.
Dmitrij Gornovskij ist in Almaty (Kasachstan) ebenfalls in einer Musikerfamilie geboren. Bereits mit 6 Jahren fing er mit dem Cellounterricht an, wobei sein erster Lehrer sein eigener Vater Anatolij Gornowskij war. Danach nahm er Unterricht bei Larissa Bohl und Prof. Nurlan Dolbaev und besuchte gleichzeitig Meisterklassen für hochbegabte Musiker bei verschiedenen Professoren am Moskauer Konservatorium. Seit 1997 lebt Dmitrij Gornovskij zusammen mit seiner Familie in Deutschland und nahm mittlerweile die deutsche Staatsbürgerschaft an.
Lang anhaltenden Beifall gab es noch mal für Sergey Didorenko, als dieser die "Zigeunerweisen" von Pablo de Sarasate (1844-1908) zu Gehör brachte. Voller Hingabe ließ er seine Violine bei diesem Stück, das ständig zwischen Feuer und Melancholie wechselt, erklingen.
Nach der Pause das fünfsätzige "Concerto grosso" op. 6 Nr. 12 von Georg-Friedrich Händel. Hier zeigten die Musiker erneut, dass sie mit großer Geschlossenheit, viel Spielfreude und kammermusikalischer Disziplin dabei sind. An dieser Stelle sollen auch einmal die Musiker/innen erwähnt werden, die nicht als Solisten auftraten, aber für das große Gelingen eines solchen Konzertes unabdingbar sind: Daria Aschmann und Agnieszka Sobczak (Violinen), Bogdan Denisko (Viola) und Alexander Tschernoussov (Kontrabass).
Ein Grund dafür, dass die Kölner Kammerphilharmonie so ein großes Stammpublikum hat, liegt auch an der großen Abwechslung im Programm und dass immer wieder etwas Besonderes geboten wird. So präsentierte man schon eine Sängerin, dann wieder einen hervorragenden Klarinettisten, einen anderen Abend stand ein Flötist mit Mittelpunkt, unvergessen ein Konzert mit einer klassischen Gitarre. Auch nun kamen die Zuhörer in dieser Richtung auf ihre Kosten, diesmal war nämlich der Hornist Fabio Morant dabei, der das Hornkonzert Nr. 3 A-Dur (KV 447) von Mozart zu Gehör brachte. Das Spiel des befreundeten Hornisten Joseph Leutgeb inspirierte Mozart zur Komposition einer - im Vergleich zu anderen Blasinstrumenten - recht hohen Zahl konzertanter Werke für das Horn.
Fabio Morant wurde im spanischen Valencia geboren, wo er auch seine Ausbildung zum Hornisten begann und auch am dortigen Konservatorium abschloss. Er wirkte seitdem in zahlreichen Orchestern in Spanien und im europäischen Ausland, so unter anderem im Deutsch-Skandinavischen Orchester und bei den Berliner Philharmonikern.
Ein Highlight ungewöhnlicher Klasse bildete dann den Schlusspunkt des Konzertes: Die "Moses-Variationen" für Violoncello und Streicher nach einem Thema von Rossini, gespielt nur auf einer Saite von N. Paganini. Wiederum stand Dmitri Gornowski mit seinem Cello mit Mittelpunkt des musikalischen Geschehens. Eine solche Tonmalerei und die vollkommenste Beherrschung des Cello-Bogens haben Seltenheitswert, der lang anhaltende Beifall wollte nicht enden. Zwei Zugaben erklatschten sich die Zuschauer noch, bevor die Musiker endgültig die Bühne verlassen durften.
Unser Foto zeigt die sechs Streicher/innen, die das Konzert auf Juist diesmal bestritten. Auf dem Bild fehlt der Hornist Fabio Morant.
JNN-Foto: Stefan Erdmann