Der stückweise Ausverkauf der Ostfriesischen Inseln und der Küstenbadeorte beschäftigt nun auch die Industrie- und Handelskammer für Ostfriesland und Papenburg (IHK). Dirk Kähler vom "Norderneyer Morgen" führte dazu ein Gespräch mit dem Diplom-Ökonom Arno Ulrichs von der IHK. Wir freuen uns, dass wir diesen Beitrag auch den Lesern von JNN hier präsentieren dürfen.
In dem Gespräch mit dem NOMO erläuterte Arno Ulrichs, dass dieses Thema aus den touristischen Hochburgen der Region an die IHK herangetragen wurde. Der Diplom-Ökonom Ulrichs ist als Abteilungsleiter der IHK unter anderem für Tourismus zuständig.
Das Thema sei auch nicht neu, habe aber Dimensionen erreicht, bei der die IHK sehe, dass sich Vermieterstrukturen änderten. Fremde Investoren würden sich ausbreiten und in Verbindung mit der hohen Nachfrage werde es zunehmend schwieriger für Unternehmer, ihre Infrastruktur aufrechtzuerhalten.
Auf Norderney sei dies noch nicht so offensichtlich, da viele Arbeitnehmer mit der regelmäßig verkehrenden Fähre kommen und gehen würden. Auf Juist sei es schon deutlich schwieriger. Der Immobilienboom führe auch dazu, dass langfristig die Bevölkerung auf den Inseln zurückgehe. Ein Hotelier auf Borkum habe ihm berichtet, dass er schon keine Nachbarn mehr habe, so Ulrichs. Diese Entwicklung bedeute, dass irgendwann die Infrastruktur eines Ortes infrage gestellt werde.
Dies hätten selbst die Banken, die ja im IHK-Ausschuss sitzen, mittlerweile als kritisch erkannt. Zurzeit würden die Geldhäuser mit ihren Immobiliensparten und über das Kreditgeschäft von dem Bau- und Immobilienboom profitieren und sich über hohe Renditen freuen, doch habe sich dort die Erkenntnis durchgesetzt, dass dadurch langfristig dem touristischen Geschäft die Grundlagen entzogen werden. Dies sei langfristig auch schlecht für die Immobilienwirtschaft und die Banken.
Auf Geisterinseln leide die Attraktivität und dort gebe es dann auch keine werthaltigen Immobilien mehr, wenn es immer so weitergehe. Und gebe es negative Entwicklungen auf den Inseln, dann sei die gesamte Region betroffen, so Ulrichs mit Blick auf die Zugpferd-Funktion des Inseltourismus.
Ähnliche Entwicklungen gebe es in Bensersiel. In der Saison finde man dort funktionierende Einrichtungen. Im Winter sei der Ort weitgehend im Schlaf.
Für die IHK sei es ein zweischneidiges Thema. Es sei aus Sicht der IHK auch nicht leicht, in die Debatte einzusteigen. Ulrichs: "Wir vertreten marktwirtschaftliche Prinzipien. Die will auch keiner aushebeln."
Auch werde das Problem unterschiedlich wahrgenommen. Was aus persönlicher Sicht sinnvoll sei, etwa sein Haus zum Höchstpreis zu verkaufen und damit die Altersversorgung zu sichern, sei aus Sicht der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung eher negativ.
Insofern tut sich die IHK auch offenkundig schwer damit, Forderungen an die Politik zu richten. Es gebe verschiedene Handlungsmöglichkeiten, aber kein Allheilmittel, ist sich der IHK-Vertreter sicher.
Das Problem sei nicht auf Ostfriesland beschränkt. Er wisse, so Ulrichs, dass auf niederländischen Inseln die Situation tendenziell ähnlich sei. Dort versuche man, der Sache mit Zonen Herr zu werden, in denen Auswärtige nicht kaufen dürften. In der Praxis sei dies aber schwierig.
Die Entwicklung der Immobiliennachfrage habe mit der guten wirtschaftlichen Situation in Deutschland zu tun. Die IHK gehe davon aus, dass die Unsicherheiten im Eurobereich mittelfristig beherrschbar und lösbar seien. Damit würde auch die "übertriebene Hitze" (Ulrichs) aus dem Immobilienmarkt genommen.
Doch selbst wenn der Immobilienmarkt insgesamt nachlasse, werde auf den Inseln die Nachfrage immer gesteigert bleiben, da Baugrundstücke nicht beliebig vermehrbar seien.
Der IHK sei es wichtig, das Thema anzustoßen, betont Ulrichs. Man sehe "mächtige Probleme" auf die Region zukommen. Das Thema werde auch über den Verbund der sieben Industrie- und Handelskammern in Niedersachsen diskutiert. In Kürze werde man wieder mit dem Landeskabinett zusammensitzen und dieses Thema "am Rande anschneiden", so Ulrichs. Längerfristig solle die Diskussion in die Beratungen mit dem Land eingespeist werden.
Text: Norderneyer Morgen/Dirk Kähler
Unser Foto zeigt den jüngsten Fall einer verfehlen Immobilienpolitik auf Juist, das "Haus Erholung" in der Carl-Stegmann-Straße. Jahrzehntelang wurde es als inseltypischer Familienbetrieb in Form einer Frühstückspension von Klaus und Christel Schmidt betrieben. Nachdem zwischenzeitlich die Eheleute verstorben sind, wollen die Erben es jetzt abreißen lassen, um hier sieben exklusive Wohnungen zu erbauen.
JNN-Foto: Stefan Erdmann