Wilhelmshaven, den 31 Oktober 2012: Die trilaterale Seehundexpertengruppe (Trilateral Seal Expert Group), die sich aus Fachleuten aus Deutschland, Dänemark und den Niederlanden zusammensetzt, teilte mit, dass es noch nie seit Beginn der Seehundzählungen 1975 so hohe Bestände an Seehunden und Kegelrobben gegeben hat. Zum neunten Mal in Folge seit dem letzten großen Seehundsterben in 2002, dem mehr als die Hälfte aller Tiere zum Opfer fielen, belegen die Seehundzählungen einen Anstieg der Population im gesamten trilateralen Wattenmeergebiet.
Der erfassbare Bestand betrug zum Zeitpunkt der Zählungen 26.220 Tiere und setzt sich regional wie folgt zusammen: 3.966 Tiere (570 Jungtiere) wurden in Dänemark gezählt; 9.268 (3.247) in Schleswig-Holstein, 6.457 (1.977) in Niedersachsen und Hamburg und 6.529 (1.473) in den Niederlanden. Das bedeutet einen Anstieg der Gesamtpopulation von fast 11% im Vergleich zum Vorjahr. Die Anzahl der Jungtiere ist 2012 ebenfalls angestiegen, allerdings in geringerem Umfang. Im Juni 2012 wurden auf dem Höchststand der Geburtenperiode 7.267 Jungtiere gezählt, das sind 3% mehr als im letzten Jahr. "Einmal mehr sind wir vom kontinuierlichen Wachstum der Seehundpopulation im Wattenmeer begeistert. Es ist ein Beleg für die Effektivität unserer gemeinsamen Bestrebungen, die Seehunde und ihre Habitate zu schützen" sagt Jens Enemark, der Leiter des Gemeinsamen Wattenmeersekretariats in Wilhelmshaven, verantwortlich für die Koordination des Seehundmonitorings. "Seit der Aufnahme des niederländisch-deutschen Wattenmeeres in die UNESCO Weltnaturerbeliste im Jahr 2009, haben wir die Verpflichtung, dieses einzigartige Stück Natur besonders zu schützen".
Die Verteilung des Populationswachstums ist nicht gleichmäßig. Die unterschiedlichen Zuwachsraten reichen von einem 10%igen Anstieg in Schleswig-Holstein bis zu 37% in Niedersachsen und Hamburg, wohingegen die Seehundanzahlen in den Niederlanden im Vergleich zum Vorjahr sogar um 12% gesunken sind. Diese Ergebnisse unterstreichen den Wert koordinierter Zählungen im gesamten Wattenmeer, durchgeführt innerhalb möglichst weniger Tage im August. Nur so kann der Gesamtbestand der Seehunde zuverlässig ermittelt werden. Die Tiere sind im Wasser sehr mobil und auch in den an das Wattenmeer angrenzenden Gewässern regelmäßig anzutreffen. Diese Mobilität ist eine mögliche Erklärung für Schwankungen in den regionalen Zählergebnissen.
Seehunde werden erfasst, wenn sie bei Ebbe auf den Sandbänken liegen. Da sich aber auch dann noch viele Tiere im Wasser aufhalten und somit nicht erfasst werden, wird die Gesamtzahl der Seehundpopulation im Wattenmeer sogar auf ca. 38.500 geschätzt.
Auch die Anzahl der Kegelrobben im Wattenmeer ist deutlich gestiegen: Während des Fellwechsels im März und April wurden 4.039 Kegelrobben gezählt, was einem Populationszuwachs von 22% im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. Zwar sind im gleichen Zeitraum auch die Geburtenzahlen gestiegen, der Gesamtzuwachs der Population dürfte aber durch zugewanderte Individuen aus dem Einzugsgebiet Großbritanniens beeinflusst worden sein.
Kegelrobben weisen einen unterschiedlichen Lebenszyklus im Vergleich zu Seehunden auf. Die Jungtiere werden im Winter geboren, tragen ein charakteristisches weißes Fell und werden für 3-4 Wochen gesäugt. Danach bleiben sie noch bis zu einem weiten Monat an Land. Während dieser Zeit sind sie dem Risiko ausgesetzt, von Winterstürmen oder durch Störungen von ihrem Liegeplatz vertrieben zu werden. Geschieht dies in einem sehr frühen Lebensstadium, laufen Mutter- und Jungtier Gefahr, den Kontakt zueinander dauerhaft zu verlieren.