"Die Kammerphilharmonie Köln auf Juist, das ist schon Tradition", stellte Veranstaltungsleiter Thomas Vodde zu Beginn des diesjährigen Pfingstkonzertes fest. Rund 200 Zuhörer fanden sich im großen Saal vom "Haus des Kurgastes" ein, sie erlebten wieder einen musikalischen Genuss der Spitzenklasse. Die sieben Musiker ließen sich durch nichts aus ihrer Ruhe bringen, denn bedingt durch die verspätete Fähre begann das Konzert etwas später; die Akteure musste schnellen Schrittes vom Hafen direkt auf die Bühne eilen.
Tradition ist eigentlich auch der Konzertbeginn mit einem Stück aus den "Vier Jahreszeiten" von Antonio Vivaldi. Auf die Jahreszeiten verzichtete das Kammerorchester, auf Vivaldi indes nicht. Dessen Konzert E-Dur für Violine, Streicher und basso continuo op. 3. No. 12 machte bereits viel Freude und zog dass Publikum vom ersten Takt an in seinen Bann. Eine Glanzleistung präsentierte hier der Geiger Peter Meier als Solist. Seine hervorragenden, von herrlicher Reinheit geprägten hohen Töne, sein hinreißendes Spiel voller Sicherheit sowie die Ausnutzung aller virtuosen Möglichkeiten zeichnen diesen Violinisten aus, dessen Technik auch im Hinblick auf Effekte etwas Besonderes zu bieten hat. Leider war über den jungen und sehr viel versprechenden Künstler weder im Programmheft, noch auf der Internetseite des Orchesters etwas mehr zu erfahren.
Viel Beifall dann für den Soloflötisten Andreas Haas für dessen Interpretation des zweiten Vivaldi-Werkes, dem Konzert g-moll für Flöte, Streicher und basso continuo op. 10 Nr. 2 ("La Notte"). Der Solist verzauberte das Publikum mit lupenreiner Intonation. Über allen Zweifel erhaben überzeugte der facettenreiche Musiker in allen fünf Sätzen, beim getragenen Largo genauso wie beim flotten Presto.
Haas stammt aus Much/Rheinland und wurde 1972 geboren. Er studierte an den Musikhochschulen Köln und Münster bei Prof. Brigitta Jochims, Prof. Günter Höller und Prof. Konrad Hünteler Querflöte und historische Flöten. Meisterkurse führten ihn zu Peter Lukas Graf und Trevor Wye. Heute lebt er in der Nähe von München. Haas hat ein Kindermusiktheater gegründet, welches er mit großem Erfolg führt. Sein Motto: "Die Kinder möglichst früh mit anspruchsvoller klassischer Musik in Kontakt bringen, um so die Liebe zur Musik zu wecken."
Die Konzerte dieses Ensembles zeichnen sich auch immer dadurch aus, dass bekannte Kompositionen mit den Werken von unbekannten Komponisten abwechseln. So ist Francesoco Maria Veracinie (1690 - 1768) nicht so bekannt, obwohl der Italiener vier Opern und unzählige Ouverturen, Violinkonzerte und Sonaten hinterließ. Bei seinem "Largo" aus dem Violinkonzert A-Dur op. 2. No. 6 stand wieder Peter Meier mit seiner Violine im Mittelpunkt des konzertanten Geschehens.
Dass neben den schon erwähnten Solisten auch weitere hervorragende Musiker mit zur Insel gereist waren, zeigte sich besonders beim Divertimento D-Dur KV 136 für Streicher (aus der "Salzburger Sinfonie Nr. 1"), wobei sich das Gesamtensemble durch ein diszipliniertes Zusammenspiel auszeichneten. Mit verdienten und lang anhaltenden Beifall wurden die Musiker in die Pause verabschiedet.
Tosenden Applaus dann wieder für Andreas Haas nach der Aufführung der neunsätzigen Suite Nr. 2 h-moll für Flöte, Streicher und basso continuo. Der Flötist überzeugte auch hier wieder durch äußerst gefühlvolles und nebenluftfreies Spiel; viel Freude machte natürlich der letzte Satz, die weltbekannte "Badinerie".
Einen völligen Kontrast gab es dann mit "Por una cabeza", einem Tango für Streichorchester von Carlos Gardel (1890 - 1935). Tangoklänge in einem klassischen Konzert hört man eigentlich selten, das Publikum dankte für diese gelungene Abwechslung wieder mit viel Beifall.
Ein Highlight ungewöhnlicher Klasse bildete dann den Schlusspunkt des Konzertes: Die "Moses-Variationen" für Violoncello und Streicher nach einem Thema von Rossini, gespielt nur auf einer Saite von N. Paganini. Der phantastische Dimitri Gornowsky spielte dieses Bravourstück großer Cellisten nicht nur für die Kunst, sondern für das Herz. Er erreichte einen ebenso seelenvoll- schönen wie voluminösen, mächtigen Ton und ließ sein Instrument mit größter technischer Fertigkeit auf der gesamten Tonscala in einer Weise singen, dass sich das Publikum minutenlang nicht beruhigen konnte. Eine solche Tonmalerei und die vollkommenste Beherrschung des Cello-Bogens haben Seltenheitswert.
Dmitrij Gornovskij ist in Almaty (Kasachstan) in einer Musikerfamilie geboren. Bereits mit 6 Jahren fing er mit dem Cellounterricht an, wobei sein erster Lehrer sein eigener Vater Anatolij Gornowskij war. Danach nahm er Unterricht bei Larissa Bohl und Prof. Nurlan Dolbaev und besuchte gleichzeitig Meisterklassen für hochbegabte Musiker bei den Professoren Igor Gavrysh, Natalia Shachovskaja, Valentin Feigin und Maria Tschaikovskaja an dem Moskauer Konservatorium.
Seit 1997 lebt Dmitrij Gornovskij zusammen mit seiner Familie in Deutschland und nahm mittlerweile die deutsche Staatsbürgerschaft an. Er nahm mit Erfolg an überwältigenden Festivalkonzerten in Lecce (Italien), Bitola (Mazedonien), Neuschwannstein (Deutschland), Straßburg (Frankreich), "Bashmet Festival"(Deutschland) und Edinburgh (Schottland) teil.
"Sie möchten wohl noch etwas hören", meinte Andreas Haas trocken, als der Beifall nach dem regulären Programm nicht enden wollte. Das Finale aus Bizets Oper "Carmen" begeisterte dann genauso wie der sehr gefühl- und hingabevoll dargebrachte "Kanon in D-Dur" des Nürnberger Komponisten Johann Pachelbel. Gerne hätte man noch mehr von diesem erfrischen klingenden Ensemble gehört, aber nach zwei Zugaben verabschiedeten sich die Musiker dann endgültig und hinterließen ein Publikum, das an diesem Abend voll auf seine Kosten gekommen war.
Unser Foto zeigt die Musiker am Ende des Konzertes.
Text und JNN-Foto: Stefan Erdmann