Mit der Bauabnahme am Mittwochvormittag konnte nach einer Planungs- und Bauzeit von 37 Jahren das Projekt Versorgungs- und Müllstraße am Juister Hafen nunmehr fertig gestellt werden. Ab 1983 wurde der erste Teil der Straße gebaut, um darüber den Müll der Insel zur Müllumschlagstation zu bringen, allerdings handelte es sich nur um eine einspurige Fahrbahn. In diesem Frühjahr erfolgte nun die seit Jahren überfällige Verbreiterung auf zwei Fahrspuren.
Nachdem zwischen 1982 und 1984 der jetzige Inselhafen erbaut wurde, entstand parallel dazu im Südwesten eine Umschlagstation, wo der Müll zukünftig gepresst und dann abgefahren werden sollte. Es war damals eine sehr schwere Geburt, bis man diese Lösung gefunden hatte. Nachdem nämlich das neue Bundesabfallbeseitigungsgesetz besagte, dass der Müll von den Inseln abzufahren ist, musste eine praktische Umsetzung entworfen werden. Vorausgegangen war ein auch im Ausland vielbeachteter Modellversuch des auf Juist ansässigen Otto-Leege-Instituts für Umweltschutz, welcher bewiesen hatte, dass der größte Teil des Abfalls wieder aufbereitet und z. B. zur Inselbefestigung verwendet werden konnte. 1,2 Millionen Euro wollte daraufhin das Bundesforschungsministerium für einen zweiten Großversuch zur Verfügung stellen, einzige Bedingung: Die Zustimmung der Gemeindevertreter. Doch diese wollte nicht, sie wollten den Müll lieber abfahren.
Allerdings behagten den Inseloberen die ersten Vorschläge vom Landkreis überhaupt nicht. Eine Straße für 22 Tonnen schwere LKWs sollte vom damaligen Müllplatz (er war am Ende vom Ostdorf, hier befinden sich heute der Abstellplatz der Speditionen und der Hundeauslaufplatz) zum Hafen führen, hierauf sollten dann LKWs die Müllcontainer zum Entsorgungsschiff fahren. Bereits im Januar 1980 liefen Rat und Bauausschuss Sturm gegen diese Pläne, dann kam der Vorschlag vom damaligen Oberkreisdirektor Dr. Hilko Schaumburg, die Pressstation nicht auf dem Müllplatz, sondern direkt am Hafen zu erbauen. Dem stimmte der Rat im September 1981 zu.
Im Mai 1983 wollte ein neuer Rat, der allem, was mit dem Hafen zu tun hatte, sehr kritisch gegenüber stand, alles noch einmal prüfen, weil ein Containertransport auf Schienen überhaupt nicht in Betracht gezogen wurde. Doch alles war zu teuer, zudem hatte das Land die erforderlichen zusätzlichen vierzig Meter Kailänge nur bewilligt, weil eben die Müllstation dort an den Hafen sollte. So stimmte der neue Rat im Juli 1983 erneut für den Bau am Hafen, im Oktober 1983 wurde mit den Arbeiten begonnen. Die Zufahrtstraße war zwar auf eine Breite von sechs Metern geplant und auch genehmigt, aber nur drei Meter wurden aus Kostengründen tatsächlich gebaut.
Am 25. September 1985 fand dann die Übergabe der Anlage vom Wasserwirtschaftsamt Aurich als bauausführende Behörde an den Landkreis Aurich statt, und sie wurde durch den damaligen Landrat Hinrich Swieter eingeweiht.
Die einspurige Straße – auf Juist „Müllstraße“ genannt - reichte für die Müllentsorgung der Insel vollkommen aus, doch gab das Planfeststellungsverfahren des Hafens vor, auch den Frachtverkehr im Westhafen abzuwickeln. Zu dem Zweck wollte man dort auch gerne eine Umschlag- und Lagerhalle. Doch Bürgermeister Johann Wübben erteilte immer wieder eine Absage, eine weitere Bebauung dieses Bereiches käme erst infrage, wenn die Erschießung abgeschlossen sei, sprich wenn auch eine vollwertige zweispurige Fahrbahn, wo Pferdegespanne und andere Fahrzeuge sich gefahrlos begegnen könnten, vorhanden wäre.
Irgendwann galt das aber nicht mehr, es wurde 1999 trotzdem die Umschlaghalle gebaut und um die Jahrtausendwende in Betrieb genommen. Statt der Straßenverbreiterung beschränken sich Rat und Verwaltung darauf, drei Haltebuchten zu errichten, wo Pferdegespanne bei Gegenverkehr warten konnten. Das wurde aber oft nicht gemacht, so fuhren die Wagen die Randbereiche völlig kaputt, es entstanden neben den Bordsteinkanten teilweise tiefe ausgefahrene Löcher und bei Regenwetter ein rutschiger Matschgrund. Zudem fuhren viele Lieferbetriebe oder Müllentsorger mit Fahrradanhängern aufgrund dieser Verhältnisse um das Hafenbetriebsgebäude herum und mitten durch den Fahrgastabfertigungsbereich, was immer ein großes Ärgernis für die dort tätige AG Reederei Norden-Frisia darstellte.
Ungeachtet dessen, egal wer nach Johann Wübben Bürgermeister oder Gemeindedirektor war und welche Mehrheitsverhältnisse die jeweiligen Räte oder Bauausschüsse hatten, die notwenige Erweiterung ließ auf sich warten und wurde nur sehr halbherzig bis gar nicht verfolgt. Man errichtete einen Sandlagerplatz für einen eventuellen zweiten Deichübergang, später kam ein Wagenabstellplatz für Fuhrbetriebe in die Nordwestecke des Hafens, womit die Straße noch stärker frequentiert wurde. Ansonsten sprach man gerne davon, dass die Verbreiterung irgendwann mal in Angriff genommen werden muss, aber es passierte rund 17 Jahre nichts.
Dann kam der tragische 28. November 2017 und es passierte das, das man immer befürchtet hatte: Der im Ruhestand lebende ehemalige Juister Frisia-Kapitän Ulfert Wilken fuhr mit Fahrrad und Anhänger zur Müllumschlagstation, bei einem Ausweichmanöver mit einem Pferdegespann kam sein Fahrrad über die Bordsteinkante in ein Loch. Wilken kam zu Fall und verunglückte mit seinen 79 Jahren derart, dass er drei Tage später im Krankenhaus Sanderbusch an den Verletzungen, die er bei dem Sturz erlitt, verstarb.
Durch diesen Vorfall kam wieder Bewegung in die Sache, denn zahlreiche Juister, allen voran der frühere Vize-Gemeindebrandmeister Martin Kleen, machten jetzt Druck auf Gemeindeverwaltung, Ratsmitglieder und den Landkreis.
Nun nahmen die Planungen endlich Fahrt auf, und es wurden Förderanträge gestellt und die notwendigen Mittel im Gemeindehaushalt eingestellt. Die Maßnahme wurde mit Mitteln des Landes und des Bundes als Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GWR) gefördert. Trotzdem dauerte es noch einige Zeit, was sicher auch an den Personalwechseln im Bereich Bauunterhaltung der Gemeinde lag. Zudem durften die Arbeiten gemäß Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) nicht in den Wintermonaten durchgeführt werden, da der Hafen im Deichvorland liegt. So konnte die Norder Firma Tellbau, die den Auftrag erhielt, erst Mitte April dieses Jahres mit dem Projekt beginnen, allerdings konnte der verantwortliche Polier Johann Fischer bereits drei Wochen später eine Fertigmeldung abgeben.
Eingeplant wurden maximal 227.000 Euro, die tatsächliche Angebotssumme belief sich schließlich auf rund 205.000 Euro. Bauausschussvorsitzender Hans-Ludwig de Vries (CDU) ging allerdings bei der Bauabnahme davon aus, dass sich diese Summe noch verringern wird, weil die noch zu erstellende Endabrechnung nach einem genauen Aufmass erfolgen wird. Mit der Ausführung der Arbeiten zeigten sich Verwaltung und Bauausschussvorsitzender bei der Abnahme sehr zufrieden.
Zudem wurde bei diesem Ortstermin über eine geplante Entfernung von zwei Straßenlaternen in dem Bereich, wo der Rettungshubschrauber landet, gesprochen. Arthur Rüstmann, Abteilungsleiter Tiefbau bei der Firma Tellbau, gab die Empfehlung, diese dann im Bereich hinter der Frachtumschlaghalle und Müllumschlagstation wieder aufzustellen, da dort keine Beleuchtung vorhanden sei. Außerdem seien die Laternen zu hoch und könnten vor dem Wiederaufbau gekürzt werden. Angesprochen wurde auch, dass das kurze Straßenstück, welches zwischen Umschlaghalle und Müllstation noch einspurig ist, ebenfalls verbreitert werden solle.
Ordnungsamtsleiter Ingo Steinkrauß informierte auf Nachfrage auch, dass man derzeit bemüht sei, die verpachteten Flächen zwischen den beiden Gebäuden in einen ordentlichen Zustand zu bekommen. Es sähe im Eingangsbereich der Insel sehr wüst aus, die Pächter müssten für einen ordentlichen Zustand sorgen, allerdings seien diese Firmen bei dieser Frage teilweise äußerst dickfällig.
Zu unseren Fotos:
Bauabnahme auf der verbreiterten Hafenumgehungsstraße. (v.l.n.r.) Bürgermeister Dr. Tjark Goerges, Arno Klaassen von der Bauunterhaltung der Gemeinde, Bauausschussvorsitzender Hans-Ludwig de Vries, Polier Johann Fischer und der Tiefbauleiter Arthur Rüstmann von der Fa. Tellbau.
Das zweite Archivfoto stammt aus dem Juli 2014, es zeigt der Verlauf der (auf dem Foto noch einspurigen) Hafenumgehungsstraße, die im Osten von der Hafenstraße abzweigt, am Memmertfeuer und dem Fahrzeugabstellplatz zur Frachtumschlaghalle und ganz hinten Müllumschlagstation führt. Gut zu erkennen die drei Wartebuchen bei Gegenverkehr.
Die letzte Archivaufnahme zeigt den früheren Frisia-VI-Kapitän Ulfert Wilken, der an den Folgen eines Sturzes auf der Hafenumgehungsstraße am 1. Dezember 2017 verstarb.
Quellenangaben: Diverse Ausgaben vom "Ostfriesischen Kurier", "Ostfriesen-Zeitung", dem Juister Jahrbuch "Seehund" und der Juister Wochenzeitung "diese woche".
JNN-FOTOS: STEFAN ERDMANN
JNN-ARCHIVLUFTAUFNAHME: HERO LANG