Die AG Reederei Norden-Frisia gerät immer mehr unter Beschuss, weil sie sich weiterhin immer stärker außerhalb ihres Kerngeschäftes bewegt. Auf Juist und unserer Nachbarinsel Norderney dringt das finanzkräftige Unternehmen weiter in Wirtschaftzweige vor, die eigentlich schon belegt sind. (Fahrradvermietung, Getränkevertrieb, Busunternehmen, Betrieb von Minifähren und jetzt eine Vermietungsplattform). Besonders auf Norderney wird die Kritik zunehmend lauter und der Ton schärfer.
Nachdem sich die Vertreter vom „Norderneyer Morgen“ und der „Norderneyer Zeitung“ schon in Kommentaren und Kolumnen kritisch äußerten, gab es auch Leserbriefe von Einwohnern u. a. im „Ostfriesischen Kurier“. Heute meldete sich Norderneys Kurdirektor Wilhelm Loth (Foto) im „Norderneyer Morgen“ zu Wort. Da Juist in gleicher Weise betroffen ist, möchten wir diesen Beitrag ebenfalls hier auf JNN für unsere Leserschaft zur Verfügung stellten. Wir bedanken uns beim „Norderneyer Morgen“ für die Genehmigung zur Übernahme.
HOFFEN AUF VERTRÄGLICHE LÖSUNG
(syk) - Die Reederei Norden-Frisia sorgte in den vergangenen Tagen mit ihrer neuen Online-Buchungsplattform Frisonaut für Gesprächsstoff auf der Insel (siehe Norderneyer Morgen vom 16.12.2020. Wer es nachlesen möchte: https://www.nomo-norderney.de/nomo und dann die Ausgabe vom 16.12.2020 anklicken). Er sei nicht überrascht gewesen, so Wilhelm Loth, der Geschäftsführer der Staatsbad GmbH und Kurdirektor. „Die Reederei hat uns vollumfänglich über ihr Vorhaben in Kenntnis gesetzt“. Der Angelegenheit stehe man mit „gehöriger Vorsicht und einer gesunden Skepsis“ gegenüber, betont Loth und: „Immerhin schauen wir auf eine gemeinsame langjährige Kooperation. Da mutet es schon befremdlich an, dass ein Partner ausschert und kurzerhand ohne jede vorherige Abstimmung Kerngeschäfte des anderen übernehmen möchte.“ Die Reederei werbe zwar offen für Partnerschaften, aber er befürchte vielmehr, dass sie sich damit zur weiteren Stärkung ihres Monopols Abhängigkeiten schaffen möchte, kritisiert Loth und ergänzt: „Unsere Erfahrungen im Rahmen unseres Kooperationsvertrages mit der Reederei haben uns gelehrt, dass diese wirtschaftliche Partnerschaft nicht immer von einer gemeinsamen Augenhöhe und Wertschätzung geprägt war.“
Dass sich die Reederei nun in bereits vorhandene und gut erschlossene Märkte hineindränge, lasse darauf schließen, dass sie die lukrativen Aspekte einer Wertschöpfungskette zwischen der Anreise und Abreise des Gastes und des darüberhinausgehenden touristischen Angebots, wie Gastronomie, Hotellerie und Fahrradverleih für sich entdeckt habe.
Loth: „Die Frisia begibt sich mit ihrer Plattform in Konkurrenz zu dem Staatsbad und den touristischen Vermittlern der Insel.“ Und das, obwohl schon lange bekannt sei, dass das Staatsbad mit Fördermitteln des Landes Niedersachsen eine digitale Vermarktungsplattform für die Insel schaffe. Die Kurverwaltung hat bereits Anfang diesen Jahres auf ihrer Internetseite Bereiche geschaffen, auf denen sich die Norderneyer Unternehmer präsentieren, ihren Online-Shop anbieten oder Mitarbeiter suchen können. Dennoch: „Grundsätzlich leben wir in einer freien Marktwirtschaft – insofern ist Konkurrenz immer auch Ansporn für alle Marktteilnehmer.“ In einer sozialen Marktwirtschaft bedarf es allerdings einer gleichen Augenhöhe aller Akteure, so die kritische Anmerkung des Kurdirektors.
Das Staatsbad arbeite bereits seit Jahren mit Agenturen wie booking.com und anderen, aber auch mit örtlichen Vermittlern, partnerschaftlich zusammen. Zudem habe das Staatsbad über viele Jahre eine starke und eigenständige Urlaubsmarke Norderney aufgebaut. Die unabhängige touristische und vertriebliche Vermarktung sei die Kernaufgabe und m-kompetenz von Destinationen und somit des Staatsbades. „Wir beabsichtigen nicht, uns diese Butter vom Brot nehmen zu lassen.“ Und: m„Wir werden uns in keine Abhängigkeit begeben, die unser eigenes Handeln, unseren wirtschaftlichen Erfolg oder Arbeitsplätze des Staatsbades gefährdet“, betont Loth.
Allerdings bleibe es abzuwarten, wie sich das Reederei-Angebot zwischen den großen und etablierten Plattformen wiederfinden werde. Dauerhaft werde es am Ende auch nicht reichen, sich stets an dem gedeckten touristischen Tisch Norderneys zu bedienen, ohne einen erheblichen Beitrag für Inhalte, Umsetzung und Vermarktung zu leisten und vor allem Erfolg unter allen aufzuteilen. Auch ein paar „milde Gaben“ an Vereine, Gruppen und Einrichtungen der Insel vermögen über diesen Umstand nicht hinwegzutäuschen, fasst es der Staatsbad-Geschäftsführer zusammen und merkt zudem an: „Zumindest finde ich es beeindruckend, mit welcher Manpower und mit welchen wirtschaftlichen Größenordnungen die Reederei ihre Neuausrichtung des Unternehmens vorantreibt.“
Dem Staatsbad und damit einer öffentlich-rechtlich entlehnten Organisation stünden diese Möglichkeiten in einer solchen Ausprägung nicht zur Verfügung. Mit der Reederei stehe die Kurverwaltung aber im regelmäßigen Austausch und hoffe, dass eine für beide Seiten verträgliche Lösung gefunden werde.
TEXT: NORDERNEYER MORGEN/SABINE SYKORA
JNN-ARCHIVFOTO: STEFAN ERDMANN