Nach exakt einer Stunde war alles in trockenen Tüchern, und Frank Endelmann (CDU) konnte als Ratsvorsitzender die öffentliche Sitzung des Gemeinderates vor rund 80 Zuhörern schließen: Die Inselgemeinde Juist wird das Jugendferienheim „Seeferienheim“ zum Preis von 3,2 Millionen Euro vom bisherigen Eigentümer, dem evangelischen Kirchenkreis Dortmund, übernehmen, und ein kirchlicher Pächter soll es dann in bisheriger oder ähnlicher Form weiterführen.
Damit greift man per Vorkaufsrecht in den Kaufvertrag zwischen Kirchenkreis und dem Investor und Bauunternehmer Moorkamp ein. Die Entscheidung kam mit acht Ja-Stimmen, einer Gegenstimme und einer Enthaltung zustande. Das elfte Ratsmitglied, der eigentliche Ratsvorsitzende Björn Westermann (Pro Juist), hatte sich wegen einem Festlandaufenthalt abgemeldet.
Nach der Bauausschusssitzung in der vergangenen Woche startete die Juisterin Hilke Jaap spontan eine Unterschriftenaktion, wo die Insulaner nochmals ihren Willen zur Übernahme des Objektes kundtun konnten. Vor Beginn der Sitzung konnte sie die Listen mit insgesamt 268 Unterschriften an Bürgermeister Dr. Tjark Goerges übergeben.
Eigentlich war schon alles auf der Bürgerversammlung und beim Bauausschuss gesagt, so dass es nur noch wenig neue Wortbeiträge gab. Zu Beginn kam aus der Einwohnerfragestunde die Frage, ob es vor dem Verkauf Gespräche zwischen Kirchenkreis und Gemeinde gab. Goerges: „Gespräche gab es, aber das Objekt wurde uns nicht angeboten“. Vor dem Hintergrund, dass ein anderer kirchlicher Träger bevorzugt werden solle, sah man in Rat und Verwaltung keine Aktionsnotwendigkeit. Auch an Gerhard Jacobs (CDU) in seiner Eigenschaft als Vorstandsvorsitzender der Juister Wohnungsbaugenossenschaft ging die Frage, nach dem Kontakt. Den gab es ebenfalls, so Jacobs, allerdings zu einer Zeit, wo man noch von einem Grundstückswert laut Gutachten von acht bis neun Millionen Euro ausging, was außerhalb der Möglichkeiten der jungen und kleinen Genossenschaft lag. Ein späteres Angebot zu einem günstigeren Preis habe die Genossenschaft dann nicht mehr erhalten.
Meint Habbinga (Pro Juist) hatte jetzt ein Gespräch mit dem Investor, dieser sei verärgert, dass die Bevölkerung nicht über sein Angebot informiert worden sei. Für eine Million hätte er das östliche Gebäude (Dünenhaus) mit einer Fläche von 1.800 Quadratmetern an die Gemeinde verkauft, hier hätte Dauerwohnraum entstehen können. Auf dem restlichen Grundstück sollten dann ein Apparthotel mit 50 Betten und einem öffentlichen Restaurant sowie 36 Ferienwohnungen entstehen.
In diesem Zusammenhang ging Bauamtsleiterin Karoline Engel noch mal auf diesen Plan ein. Wenn sich der Investor verpflichtet hätte, auf dem Grundstück die bisherige im Bebauungsplan festgesetzte Nutzung in Eigenregie so weiter zu führen, hätte die Gemeinde das Objekt nicht kaufen können, man spricht dann von der „Abwendung des Vorkaufsrechtes“. Diese Verpflichtung hätte aber ebenfalls bis zum Fristenablauf vom 15. Januar vorliegen müssen, da seine bisherigen Planungen nicht dem Gemeinwohlzweck entsprechen. Bemängelt wurde allgemein, dass Pläne und Angebote vom Investor erst jetzt kurz vor Toresschluss bei der Gemeinde ankamen, hierzu hätte auch frühzeitiger die Möglichkeit zur Einreichung bestanden.
Nachdem per Telefonkonferenz noch einige Rechtsfragen mit dem Anwalt der Gemeinde angesprochen wurden, ging es in Richtung Abstimmung. Hans-Ludwig de Vries (CDU), der zwar im Bauausschuss dafür gestimmt hatte, erklärte nun, dass er gegen die Übernahme votieren werde, weil er das Risiko eines langen Rechtsstreites für nicht kalkulierbar halte. Angela Engel (CDU) begründete ihre Enthaltung damit, dass sie nicht zustimmen könnte, weil sie nicht wisse, wer das Ferienheim zukünftig betreiben würde; auf der anderen Seite könne sie aber die Pläne vom Investor auch nicht gutheißen.
Frank Endelmann (CDU) sah andere Probleme, er wollte erst wissen, ob zukünftig andere Projekte aus finanziellen oder personellen Engpässen nicht oder erst später verwirklicht werden können. Kämmerer Peter Jansen erläuterte noch mal die Finanzierung, die sich aus bereits eingeplanten Mitteln für eine Immobilie und Geld aus einem Bauprojekt, dass zurzeit nicht verwirklicht werden kann, zusammensetzt. Damit seien andere Maßnahmen weiterhin möglich. Um Transparenz zu schaffen, sollte das Seeferienheim als eigene Kostenstelle im Haushalt geführt werden. Auf die Kritik vonseiten der Feuerwehr antwortete Jansen, dass Seeferienheim und Feuerwehrgerätehaus zwei völlig verschiedene Projekte sind. So dient das Feuerwehrhaus für die Sicherheit der Insel, das Seeferienheim soll sich über die Pacht des Betreibers selbst tragen. Den Einwand, ob Personal gebunden werde, konnte der Bürgermeister ausräumen: „Wir haben weder das Personal noch die fachlichen Kenntnisse dafür.“ Die Verwaltung wolle daher den Bildungsstättenberater Horst Bötcher aus Bremen als Fachmann mit der Projektierung beauftragen.
Jan Doyen-Waldecker (Pro Juist) wollte zustimmen, für Nichtjuristen sei die Rechtslage ohnehin ein zu schwieriges Thema. Gerhard Jacobs (CDU) widersprach seinem Fraktionskollegen de Vries, die Angst vor einem Rechtsstreit könne kein Grund sein, auf diese wertvolle Fläche zu verzichten. Nach der Abstimmung hätten viele Zuhörer gerne Beifall geklatscht, was aber der Ratsvorsitzende mit Hinweis auf die Geschäftsordnung vorher untersagt hatte.
Durch einen weiteren – diesmal einstimmigen – Beschluss zur Freigabe einer überplanmäßigen Auszahlung von 2,4 Millionen Euro wurde der Kaufpreis für das Seeferienheim gleich im nächsten Punkt gesichert. Eine Million sei für eine Immobilie im Haushalt eh eingeplant, so der Kämmerer, neben der Restsumme von 2,2 Mio Euro käme noch Grunderwerbssteuer und Notarkosten hinzu, so dass weitere 2,4 Mio Euro für das Projekt vorgesehen sind. Im Haushaltsplan waren insgesamt 2,83 Mio Euro für den Neubau der Druckrohrleitung vom Dorf bis zur Kläranlage eingeplant. Aus Gründen, die er als Kämmerer nicht nennen wollte, ruhe das Projekt, aber es kann jetzt als Deckung für die überplanmäßige Ausgabe verwendet werden.
Unser Foto zeigt die Initiatorin der Unterschriftenaktion, Hilke Jaap (links), bei der Übergabe der Listen mit 268 Unterschriften an Bürgermeister Dr. Tjark Goerges.
JNN-FOTO: ERDMANN