Wenn man von Juist aus an der Wattseite in Richtung Südwesten sieht, dann kann man einige zum Teil gewaltige Bauwerke sehen. Bei guter Sicht blickt man dort nachts, wo vor einigen Jahren nur ein einziges weißes Licht von einem kleinen Gaskraftwerk zu sehen war, jetzt auf ein wahres Lichtermeer, welches von Jahr zu Jahr größer wird. Der Eemshaven ist in den letzten Jahren aus seinem Dornröschenschlaf erwacht und entwickelt sich zu einem Industriehafen, den die Inseln und Küstenorte an der Ems und der Emsmündung nicht aus dem Auge verlieren sollten. Der neusten Entwicklung wird hier viel zu wenig Beachtung geschenkt.
Kaum einer weiß, wie es dort aus der Nähe aussieht. Lediglich Gäste unserer Nachbarinsel Borkum kennen den Eemshaven, denn alternativ zum Fährhafen Emden betreibt die Reederei AG Ems auch von dort aus einen Fährlinie nach Borkum, deren Vorteil in der kürzeren Fahrzeit liegt. Der in Bremerhaven tätige Industriefotografenmeister Hero Lang, welcher gebürtig von der Insel Juist kommt, hat JNN dankenswerterweise einige Luftfotos vom Eemshaven zur Verfügung gestellt, die wir hier gerne veröffentlichen.
Schon seit Jahren wettern die Inselgemeinde, die Küstenbadeorte, Gemeinden an der Ems oder die dem Eemshaven gegenüberliegende Samtgemeinde Krummhörn gegen den Bau eines Kohlekraftwerkes, welches die Niederlande eigentlich gar nicht benötigen. Aufgrund der vielen Eingaben liegt dem Betreiber RWE derzeit nur eine befristete Genehmigung für einen Testbetrieb vor.
Doch es sieht so aus, als wenn die niederländische Schifffahrtsbehörde Rijkswaterstaat auf die Schnelle versucht, Fakten zu schaffen, um den Druck auf den Raad van State zu erhöhen, damit der niederländische Staatsgerichtshof die naturschutzrechtliche Genehmigung für das umstrittene Kohlekraftwerk erteilt. Täglich 10.000 Tonnen Kohle werden nämlich für den Betrieb des Kraftwerkes benötigt, diese will man billig in Übersee kaufen und mit großen Seeschiffen der sogenannten Panapax-Klasse im Emshaven anlanden. Dazu ist eine Vertiefung der Westerems auf bis 20 Kilometer vor Borkum auf 16 Meter erforderlich. Hiermit haben die Niederländer vor einigen Wochen mit großen Baggerschiffen begonnen, denn immerhin 6,5 Millionen Kubikmeter Baggergut sind zu bewegen. Zudem werden die Unterhaltungsarbeiten weitere 1,2 Millionen Kubikmeter Schlick und Sand pro Jahr bringen, die in der Nordsee verklappt werden.
Bereits 2011 hatte in einem ersten Genehmigungsverfahren der niederländische Staatsgerichtshof Raad van State die Pläne zur Vertiefung der Außenems gestoppt. Damals hatte es noch 60 Einwender gegeben, unter anderem die Emder Hafenwirtschaft, die ihre Interessen bedroht sahen, da sie durch die großen Schiffe eine Behinderung des Schiffsverkehrs nach Emden befürchtete.
Das zweite Verfahren wurde dann nicht mehr von der Provinz Groningen, sondern vom Rijkswaterstaat betrieben, und leider gibt es jetzt nur noch vier Kritiker, die Einwände erhoben. In Ostfriesland haben sich die Stadt Borkum sowie die Gemeinden Krummhörn und Jemgum zu einem Verbund zusammen geschlossen, um die Vertiefung aufzuhalten. Als Privatmann wehrt sich zudem Johann Smid aus Groothusen. Der Diplom-Agraringenieur und Grünen-Ratsherr der Gemeinde Krummhörn sieht große Gefahren für Umwelt, Naturschutz und Tourismus.
Für die Ems ergibt sich eine paradoxe Situation: Auf deutscher Seite versuchen Landesregierung, Kommunen und Naturschutzverbände mit dem "Masterplan 2050" die Ems zu retten. Man versucht, Ökologie und Ökonomie ins Gleichgewicht zu bekommen, und derzeit hört man vom Masterplan fast täglich in den Nachrichten, denn besonders im Landkreis Leer ist dieser sehr umstritten. Gelingt das nicht, den Plan auf den Weg zu bringen, drohen hohe Strafen vonseiten der EU. Gleichzeitig treiben aber ungeachtet dieser Bemühungen hier in Deutschland auf der anderen Seite die Niederländer die Vertiefung der Außenems vom Eemshaven bis in die Nordsee mit Gewalt voran. Mit gravierenden Folgen für die Umwelt, glaubt Johann Smid. Befürchtet wird vor allem eine Verschmutzung der Strände auf Borkum und entlang der Krummhörner Küste durch das anfallende Baggergut. Das soll nämlich in der Nähe von Borkum verklappt werden. Welche Auswirkung das für den Juister Strand oder das Wattenmeer haben wird, kann man noch nicht absehen. Schon jetzt sehen Fachleute einen Zusammenhang zwischen der zunehmenden Verschlickung der Wattflächen zwischen Juist und Norddeich mit den ständigen Baggerungen auf der nahen Ems.
Neben Tourismus wird auch die Fischerei nach Ansicht der Kommunen Krummhörn und Jemgum stark geschädigt. Schon jetzt haben die Krabbenfischer in Greetsiel und Ditzum mit schwindenden Fangmöglichkeiten zu kämpfen. Südlich der Linie Eemshaven-Greetsiel gibt es jetzt schon keine Fische und keinen Granat mehr. Ursache ist nach Ansicht von Greetsieler Fischerleuten die Ausbaggerungen der Ems für den Emder Hafen und die Belange der Meyer-Werft, sowie die Soleeinleitung an der Knock. Mit der neuen Verklappungsstelle am Hubertgatt würde jetzt das letzte naturbelassene Fanggebiet in der Emsmündung zerstört. Deshalb seien die Krabbenfischer in ihrer Existenz bedroht.
Der Naturschutzbund NABU legt zudem Wert auf die Feststellung, dass die Fahrwasservertiefung weder mit dem Weltnaturerbe Wattenmeer und den FFH-Gebieten vereinbar seien, ebenso nicht mit der Wasserrahmen-Richtlinie oder mit dem Masterplan Ems.
Für Smid ist die derzeitige Handhabung der Niederländer schlichtweg Trickserei, denn ohne eine endgültige Genehmigung kann das Kohlekraftwerk nicht in den regulären Betrieb gehen. Daher müsse erst über diese Genehmigung entschieden werden. Denn wenn es nicht in Betrieb genommen werde, müsse auch das Fahrwasser für die Kohlefrachter gar nicht ausgebaggert werden.
Unsere Fotos zeigen den Eemshaven von oben. Zu sehen ist auch das neuste Meyer-Schiff, die "Anthem of the Seas". Die große Baustelle gehört übrigens zu Google, welche dort ein gewaltiges Datenzentrum errichtet. Wenn es fertig ist, sollen 100.000 Hochleistungsrechner auf ihren Festplatten das Internet speichern. Dahinter kann man gut das Größenverhältnis des neuen Kohlekraftwerkes (vorne) zum alten Gaskraftwerk dahinter sehen. Ein weiteres Luftbild zeigt einen der drei Baggerschiffe, die derzeit die Westerems vertiefen.
JNN-FOTOS (4): HERO LANG, BREMERHAVEN
Das letzte Archivfoto zeigt das neue Kohlekraftwerk im Eemshaven. Das Bild entstand im vergangenen Winter von Bord einer Borkum-Fähre.
JNN-FOTO: STEFAN ERDMANN